Oli Guzul - Chemical Cafe

Oli Guzul – Chemical Cafe
www.Editionneumann.de (2006)
(18 Stücke, 66:54 Minuten Spielzeit)

Unter dem Pseudonym Oli Guzul veröffentlicht Jörg Hüttemann aka jayAge seine etwas experimentelleren Werke. Auf der vierten CD unter diesem Namen gibt es drei Suiten und zwei Einzeltracks, die im Laufe des Jahres 2006 aufgenommen wurden.

Von der Grundstimmung ist die CD sehr düster, fast morbide, aber gleichzeitig sanft, fließend und wohlklingend, wobei letzteres Adjektiv bei jayAge mit Vorsicht anzuwenden ist. So würden bei mir die Soundtracks zu Filmen wie „Brazil“ oder „12 Monkeys“ klingen.


In der ersten Suite gibt es u. a. maschinenhafte, aber sehr dezente Rhythmusstrukturen zu merkwürdigen Flächensounds („Dandschee“ oder „Gontor-fertig“), verloren klingende Gesangssamples und Nonsenstexte von Rudi Behnke im Titel „Mutter“ oder „Vergessen“. Beide Gedichte übrigens passend zur Musik eher hoffnungslos. Im ersten Text wird ständig von „Fischen“ geredet, warum, bleibt das Geheimnis der beiden. Das die Suite abschließende „Vorsicht Glass“ bringt dann auch einmal Sequencerrhythmen, die klingen wie die Talking Head mit Brian Eno, aber unter der Aufsicht von jayAge.

Warme Flötenklänge aus Südamerika leiten die darauf folgende Suite ein. Es gibt eine kurze Unterbrechung mit einem jayAge-typischen verfremdeten Monolog, bevor er sphärisch-schräg die beiden Teilen „weisbrod uno“ / „weisbrod due“ zum Besten gibt. Zusammen mit „Uwe trias“ klingen diese drei Teile ethnisch und sanft, aber von der Grundstimmung immer noch jenseits allen Wohlklangs.

Die dritte Suite kommt ambientmäßig daher. Sanft an- und abklingende Bässe, und erst bei „3rd Touch-Suite 2-05“ kommt mit reinen Percussionklängen Rhythmus auf. Für mich das bis dato Ruhigste, was jayAge bisher geboten hat. Mit den letzten beiden Suiten könnte er, wäre er Norweger wunderbar ins Programm von RUNEGRAMMOFON passen, oder beim PUNKT-Festival mitmachen, so sehr schafft er es, Spannung mit eher ruhigen Tönen/Klängen aufzubauen. Ähnliches machen auf dem Label etwa auch Phonophani oder Alog.

Der vorletzte Track ist ein Ausschnitt eines Auftrittes des Klangraum-Projektes. Hier dominiert neben jayAges Soundeskapaden die Trompete von Christoph Kott. Das abschließende „PianoFinale“ hat neben zarten Vogelgezwitscher fast schon dramatische Züge, obwohl nur wenige Töne auf dem Klavier angeschlagen werden, aber diese mit umso mehr Hall.

Wenn ich seine diversen Projekte Revue passieren lasse, fällt mir auf, dass Jörg Hüttemann Solo für Freunde der eher avantgardistischen, elektronischen Musik ein wirklicher Tipp ist. Stellenweise erinnert mich die CD von der Stimmung stark an Lazso Hortobagyis ohne dessen indische Einflüsse. Eine seiner besten Platten bisher.

Andreas Plaeschke, Dezember 2007

   

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