Nerissa Schwarz
– New Eyes For Laika Der Name Nerissa Schwarz (Komponistin, Produzentin und experimentelle Harfenistin) sollte den Freunden progressiver Musik bekannt sein, ist sie doch Mitglied der deutschen Progband Frequency Drift, mit der sie bereits in den Jahren 2008 bis 2018 acht Alben eingespielt hat. Im Jahr 2016 veröffentlichte sie dann unter dem Titel „Playgrounds Lost“ ihr erstes Soloalbum. Acht Jahre später ist es nun soweit und sie lässt ihr zweites Soloalbum vom Stapel. |
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Unterstützt
wurde Nerissa Schwarz - wie schon auf ihrem Debütalbum - von Andreas Hack
(ebenfalls Mitglied der Band Frequency Drift), der einige Keyboardparts
beigesteuert hat. Nerissa selbst spielt elektrische Harfe, Keyboards und
Synthesizer. Auf
dem Cover des Albums ist eine Landschaft aus dem Blickwinkel einer
elektronischen Linse - wie eine Augenlinse - zu sehen. Das wirkt
futuristisch und weist auf das Thema des Albums hin. „New
Eyes for Laika“, das von dem ambivalenten Thema der selbstbewussten künstlichen
Intelligenz inspiriert wurde, zeigt Schwarz’ charakteristische
innovative Harfenklänge neben organischem Klavier und einer Vielzahl von
spacigen Keyboards. Mit ihrem kreativen Einsatz von Effektpedalen entlockt
sie ihrer Harfe eine unheimliche Atmosphäre, außerirdische perkussive
Geräusche und schwere, verzerrte Basstöne, wobei sie suggestive
Texturen, schwebende melodische Schönheit und subtile rhythmische
Komplexität miteinander verbindet. Wie
schon auf „Playgrounds Lost“ zeigt sich die Musik von Nerissa Schwarz
in einer soundtrackartigen Form, denn die Musik zeichnet Bilder im Kopf.
Darüber hinaus besticht das Album durch einen voluminösen Sound. Man
kann bei den elektronischen Klängen nicht immer genau erkennen, welche
Parts mit der Harfe eingespielt wurden, da Nerissa durch die Effektpedale
den Sound variiert. Recht
proggig/elektronisch geht es im ersten Stück, dem 3:22minütigen
„Making Plans In The Dark“ zu. Hier treffen perlende Harfenklänge auf
John Carpenter artige Synthesizersounds. Das ist der perfekte Soundtrack für
einen Thriller. Unterbrochen wird diese Szenerie von Piano und
Synthmelodien. Mit düsteren Sounds klingt dann dieser Opener aus.
Dadurch, dass Nerissa mehrere Ideen in diesen ersten Track eingebaut hat,
erzeugt sie einen hohen Spannungsbogen. Fast
schon klassisch wirkt dagegen der Beginn des zweiten Tracks, dem fünfminütigen
„On Blackout Avenue“, bei dem in der ersten Minute Piano-, Spinett-
und Streicherklänge den Ton angeben. Danach wird es wieder recht mysteriös
und elektronisch. In dem Stück sorgt Nerissa neben Melodie- und
Strukturwechseln auch durch den Wechsel in der Dynamik für Abwechslung. Schnell
pulsierende Beats bestimmen dann das Bild in dem nur 1:46minütigen
„Olimpia’s Rage“. Dieses kurze Stück erinnert mich an 80’er Jahre
Soundtracks und klingt als hätte man die Titelmelodien von
„Terminator“ und „Miami Vice“ in eine Waschtrommel gepackt und
dann die Waschmaschine in den Schleudergang geschaltet. Repetitive
elektronische Klänge, auf die sich dann eine Cellomelodie legt, starten
dann in den nächsten Track, das 4:46minütige „Memories Of Being
Made“. Sobald dann aber per Keyboard eine weitere Melodie aufkommt
wechselt das Bild und wird danach von einer Mellotron-Harmonien abgelöst.
Das Stück wandelt zwischen klassischer Musik, Elektronik und Soundtrack.
Nerissa baut darüber hinaus immer wieder einige Breaks mit düsteren
Klangmotiven ein, die die Aufmerksamkeit oben halten. Verträumt
zeigt sich dann das 5:09minütige „Raised Like A Daughter“. Auch die
restlichen Stücke halten den Spannungsbogen aufrecht. Das abschließenden
„Making Plans For Departure“ weist gar rockige Züge auf. Mit
ihrem zweiten Soloalbum ist der Bayreutherin Nerissa Schwarz wieder ein außergewöhnliches
Werk gelungen, das sich nicht wirklich einer musikalischen Kategorie
zuordnen lassen will. Sehr melodisch und harmonisch geht es über weite
Strecken des Albums zu, immer wieder von teils düsteren Breaks
unterbrochen. Aber genau das macht auch den Reiz der Musik aus, die sehr
elektronisch ist, tief wirkt und Soundtrackcharakter besitzt. Ein starkes
Statement. Stephan Schelle, April 2022 |
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