Nachtmahr – Alle Lust will Ewigkeit

Nachtmahr – Alle Lust will Ewigkeit
Trisol Music Group / Soulfood (2009)
(11 Stücke, 43:29 Minuten Spielzeit)

Ein Nachtmahr ist ein Fabelwesen, eine Geistererscheinung, das sich nachts auf einen Schlafenden setzt und ihn bis zum Ersticken drückt. Diesen düsteren Namen hat sich der aus Österreich stammende Thomas Rainer für sein neuestes Industrial/Techno-Projekt, das mittlerweile auch schon seit 2007 besteht, vergeben. Zuvor hatte er in der Industrial-Szene schon mit L’ame Imortelle und Siechtum einige Erfolge gefeiert.


Das erste, was bei der CD auffällt, sind die Bilder auf und im Booklet. In ihm zeigen sich einige Frauen in russischen Uniformen und recht lasziven Posen. Und diese Themen, vermischt mit den obigen Musikstilen, sind es dann auch, die Thomas auf der am 07.08.2009 erschienenen Nachtmahr-CD unter dem Titel „Alle Lust will Ewigkeit“ herausgebracht hat. Harte, teils metallische Industrial/Techno-Rhythmen bestimmen das Bild, auf denen Thomas an einigen Stellen einen sehr düsteren, growlartigen Gesang gelegt hat.

Den Opener macht das Titelstück, das mit russischem Text, der wie eine Ansage über eine Lautsprecheranlage klingt. Über die harten Rhythmen legt Thomas in den meisten Fällen, wie hier auch, eine eingängige Melodie, die im Gegensatz zu der Härte von Beats und Gesang steht. Sechs der elf Stücke sind gesungene Titel, in den restlichen hat Thomas teilweise Worte und Sätze aus anderen Medien eingeflochten.

Das Thomas Spielfilme liebt, das zeigt sich in den diversen Spracheinspielungen, so kommen zum Beispiel in „Code:Red“ Auszüge aus dem Film „Eine Frage der Ehre“ (hier ist die deutsche Stimme von Jack Nicholson zu hören) oder bei „Vendetta“ einige Sätze aus dem Hollywood-Streifen „V - Wie Vendetta“ der Wachowski-Brüder (bekannt durch die Matrix-Filme) vor. Bei „Code:Red“ treffen so beispielsweise knochenharte Industrial-Rhythmen auf diese Einspielungen, die neben den Melodien in einem harten Kontrapunkt dazu setzen. Mit „Tanzdiktator“, das zunächst wie ein Electropop-Stück beginnt, dann aber schnell einen härteren Techno-Rhythmus nach vorne kehrt, singt Thomas wieder sehr düster und kehlig. Im Refrain der unter anderem einen Text wie „links, zwo, drei vier“ hat, geht der Gesang gar in Richtung Rammstein, allerdings in einer sehr industriellen, technokratischen Form. Das hat was, dass auf den Tanzflächen der entsprechenden Tanztempel Erfolg haben kann.

Aber schon der nächste Titel „Klinge“ bereitet mir einige Schwierigkeiten, lässt er doch einen in englischer Sprache gesprochenen Text einer weiblichen Person, die über die Sucht nach Selbstverstümmelung („Ich will mir jetzt nur noch eine Rasierklinge über die Arme gleiten lassen“) spricht, in deutsche übersetzen. Darauf setzt er dann seinen Technosound. Das Ganze wirkt auf mich nicht wirklich erklärend, sondern eher verherrlichend, womit ich nicht klar komme. Ähnlich zweifelhaft wirkt auf mich auch das folgende „Sklave“, bei dem es um sexuelle Hörigkeit und Dominanz geht. „Vendetta“ bietet fast peitschende Rhythmen und verbindet diese mit einem hypnotischen Sound.

„Weil ich’s kann“ ist dann ein Stück, in dem der Humor von Thomas dann doch noch zur Geltung kommt. Das zeigt sich in den Worteinspielungen, wenn der Sound noch etwas kratzig klingt. Dann wird mal eben der Dialog zweier Personen eingespielt: „Klingt nicht sehr brutal. Bringst du es mal dreckiger rüber?“, „Hier drin klingt’s aber ganz schön dreckig. Na schön, mag am Equilizer liegen …“. Nach dieser Einspielung geht es dann deutlicher zur Sache. Fast Soundtrackmäßig und hymnisch startet „Träume“, gefolgt von einem hämmernden Technorhythmus, der einem fast die Schuhe auszieht. In diesem Stück hat der Rhythmus das sagen, Melodien sucht man vergebens. „War On The Dancefloor“ ist wieder so ein Stück, das die Techno-Tanzflächen trotz seines dreckigen Gesangs erobern kann. Mit „Mörder“, das Texte aus einem alten Film zu Gehör bringt (wenn mich nicht alles täuscht, ist die Stimme von Peter Lorre zu hören, die sich recht irrsinnig anhört- eventuell aus dem Film „M – eine Stadt sucht einen Mörder“), klingt das Album dann aus.

Nachtmahr und sein „Alle Lust will Ewigkeit“ hinterlässt bei mir einen recht zwiespältigen Eindruck. Zum einen gibt es einige gute Stücke, die selbst mir Spaß machen, der mit diesem harten industriellen Sound nicht so viel anfangen kann. Zum anderen gibt es einige Songs wie „Klinge“ und „Sklave“, deren Inhalte ich nicht wirklich nachvollziehen kann. Aus diesem Grund wandelt Thomas Rainer hier auf einem sehr schmalen Grat. Hier muss sich jeder seine eigene Meinung bilden. Das kann man unter anderem auf der Internetseite des Projektes, das man unter www.Nachtmahr.at erreichen kann, tun.

Stephan Schelle, August 2009

   

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