Mrs. Kite - Flickering Lights
Rockwerk Records (2020)
(10 Stücke, 66:45 Minuten Spielzeit)

Obwohl das Album „Flickering Lights“ der deutschen Rockband Mrs. Kite bereits am 11.01.2020 erschienen ist, erreichte mich die Pressekopie des Albums erst Mitte Mai 2020. Das Quartett bestehend aus den Brüdern Florian Schuch (Keyboards, Gesang) und Ferdinand Schuch (Gitarren, Backgroundgesang), die beide ein Musikstudium abgeschlossenen haben sowie Lukas Preußer (Bass, Backgroundgesang) und Philipp Verenkotte (Schlagzeug, Backgroundgesang) kommt aus Köln und sind bereits seit 1996 gemeinsam unterwegs. 


Vor „Flickering Lights“ hat die Band die beiden Alben „…and a laughing white monkey will greet you as you pass the gates of slumberland…“ (2006 – noch unter dem Bandnamen It’s Us) und „A Closer Inspection“ (2013) herausgebracht.

Für mich war es allerdings der erste Kontakt zur Musik des Kölner Quartetts. Mit ihren drei Alben wurden sie bereits jeweils mit dem „Deutschen Rock & Pop Preis“ in der Kategorie „Beste Progressivband“ ausgezeichnet. Stilistisch wurden sie beeinflusst von u. a. The Beatles, Pink Floyd, Porcupine Tree, Yes und Dream Theater – somit finden sich schwebende und psychedelisch anmutende Abschnitte genauso wie krachend verzerrte, harte Passagen, die zu einem homogenen Ganzen verschmelzen. Eingängige Melodien, komplexe Rhythmen, klarer Gesang, virtuose Grooves und starke Harmonien sind die Markenzeichen der Band. Der Einfluss der Beatles zeigt sich zwar auf dem Album nicht musikalisch, doch ist der Bandname auf den Song „Being For The Benefit Of Mr. Kite“ zurückzuführen.

Zwei Longtracks mit Laufzeiten von mehr als zehn Minuten sowie acht Songs mit Laufzeiten zwischen 4:34 und 6:27 Minuten bietet das Album. Dabei liegt ihr Stil bei der mittleren bis späten Phase von Porcupine Tree.

Gestartet wird mit dem 4:34minütigen „Just Some Flickering Lights“, das sowohl fette Gitarrenriffs und treibendes Schlagwerk wie herrlichen melodischen Satzgesang bereithält. Obwohl „Kurschatten“ einen deutschen Titel besitzt, wird der Song - wie alle anderen auf dem Album - in Englisch gesungen. Ein klasse Song der Porcupine Tree-Sounds (mal sanft, dann mal wieder druckvoll) - in einigen mehrstimmigen Gesangspassagen - mit dem unverkennbaren Stil von 10cc vermischt. Dabei klingt die Band trotzdem sehr eigenständig und fesselnd.

Noch deutlicher wird der Bezug zu Porcupine Tree und im Besonderen zu Steven Wilson im Song „Man In A Shed, Part II“, bei dem auch der verfremdeten Gesang an die Vorbilder erinnert. Sanft umschmiegt einen dieser Song, der darüber hinaus auch stilistisch in die Richtung von RPWL weist. Gitarrenwälle erwarten einen dann im sechseinhalbminütigen „Clubbing“. Dazu werden die Gitarren auch noch leicht verzerrt gespielt und Lukas liefert am Bass einen atmosphärischen, polyphonen Part. Der Refrain fällt dann etwas härter, aber immer noch sehr melodiös aus. Das ist wieder so eine Mischung aus Porcupine Tree und RPWL.

„The Old Man“ ist dann mit 11:33 Minuten Spielzeit der erste Longtrack des Albums. Schon zu Beginn glänzt das Stück mit Piano und Gitarrenklängen auf denen Florian einen sehr weichen Gesang legt. Hervorzuheben sind die atmosphärischen Instrumentalparts und der mehrstimmige Gesang. Alle vier Musiker haben in diesem Stück Zeit sich mit herrlichen Soli zu präsentieren. Dieser ruhige Song ist einfach zum Dahinschweben bis er sich dann am Ende in einen ekstatischen Part wandelt.

Einen leichten Popeinschlag hat der Song „Some Time“, da er mit einer sehr eingängigen Melodie federleicht durch den Raum zieht. Piano und Gesang sorgen zu Beginn von „Questions“ für Gänsehaut. Noch so ein herrlich atmosphärischer Song. Satzgesang gibt es dann in „By The Lake“, einer unter die Haut gehenden Nummer. Danach kommt mit dem 10:08minütigen „Morning Hours“ der zweite Longtrack. Hier schöpft die Band aus dem Vollen und spielt mit sanften, ruhigen und kraftvollen Passagen. Im letzten Viertel blitzt dann auch kurz ein Genesis-Licht auf. Wie auch der andere Longtrack so ist auch dieser sehr gut strukturiert und baut sich harmonisch auf. Mit dem betörenden „Hums“ das über weite Strecken von Pianosounds und Gesang bestimmt wird und tolle atmosphärische Gitarrenlicks enthält, endet das wunderbare Album.

„Flickering Lights“ ist ein tolles Art-/Progrockalbum (sie selbst bezeichnen ihre Musik als Progressive-Music), das nur so vor herrlichen Melodien strotzt und sich stilistisch in der Schnittmenge von RPWL und Porcupne Tree bewegt. Das machen die Vier aber sehr gut. Das Album macht Appetit auf mehr.

Stephan Schelle, Mai 2020

   

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