Meinschäfer & Baader – Ring frei!
Timezone Records (2024)

(12 Stücke, 49:13 Minuten Spielzeit)

Der Komponist, Sänger, Gitarrist, Produzent und Besitzer des Megaphon Tonstudios Martin Meinschäfer meldet sich nach seinem tollen Soloalbum „Wer hat, der hat!“, das 2020 erschienen ist, endlich mit einem neuen Werk zurück. Während er auf „Wer hat, der hat!“ mit zahlreichen Gastmusikern die Songs eingespielt hat, wurden die Stücke des am 26.07.2024 erscheinenden Albums „Ring frei!“ zusammen mit Stephan Baader (aka Pomez di Lorenzo) aufgenommen. Die beiden Musiker kennen sich seit den 70iger Jahren und hatten die Songs des Albums „Wer hat, der hat!“ zusammen in abgespeckten Versionen (nur mit zwei Gitarren) live aufgeführt.


Martin Meinschäfer war in den 80’er Jahren Frontmann der Band Hob Goblin, feierte in den 90’er Jahren mit seinem Technoprojekt Dolls United und dem Song „Eine Insel mit zwei Bergen“ große Erfolge. Darüber hinaus veröffentlichte er mit seinem Projekt Rosen & Gomorrha im Jahr 2002 das hervorragende Album „Das Leben ist kein Tanzlokal“ und produziert zahlreiche Musiker wie z. B. Deutschlands besten Bluesmusiker Henrik Freischlader. Stephan Baader ist selbst Produzent und Songschreiber (Sasha, Dick Brave, Ben, Der Wolf, Young Deenay, Uwe Ochsenknecht, Cosmo Klein, Samy Deluxe etc.) und erreichte mit zahlreichen Songs europaweit Gold- und Platinstatus.

Nun also ein gemeinsames Werk mit dem Titel „Ring frei!“, das auf dem Cover die beiden Musiker zeigt, die sich im Boxring befinden. Martin (Gitarre, Bass, Gesang, Backgroundgesang, Keyboards) und Stephan (Gitarre, Backgroundgesang, Bass auf „Boxring“) spielen aber alles andere als gegeneinander, sondern harmonieren bei den Songs perfekt miteinander. Unterstützung bekommen sie dabei von Martins Sohn Moritz Meinschäfer am Schlagzeug (ehemals Schlagzeuger in der Band von Henrik Freischlader), Matthias Dörsam Tenorsaxophon und Klarinette bei „Mehr Meer“ und Markus Setzer Bass auf „Kreuzfahrt til I die“ und „Mehr Meer“.

Im Pressetext zum Album heißt es: Wenn Männer in ein gewisses Alter kommen und völlig unvorbereitet damit konfrontiert werden, dass der Tacho des Lebens erstmals die Restlaufzeit anzeigt, ist das für Männer in diesem Alter meist eine Information, die ebenso verwirrend, wie inakzeptabel ist.

Martin und Stephan blicken aus Sicht ihres Alters (beide über 60) teils sehr humorvoll auf ihre Befindlichkeiten und auf das Weltgeschehen im Allgemeinen. Das Ganze haben sie in elf neuen Stücken sowie einer eigenen neuen Version von Rosen & Gomorrhas Song „Die Besten“ verarbeitet und in unterschiedliche musikalische Gewänder gekleidet.

Über den Jugendwahn im Alter (der Boomer-Generation) singen die beiden im Eröffnungssong „60 ist das neue 40“. Das haben sie dann in einem bluesigen/funkigen Sound umgesetzt. Damit schließen Meinschäfer & Baader musikalisch an „Wer hat, der hat!“ an. Das kommt einfach gut, vor allem wenn man in dem entsprechenden Alter ist.

Bluesig mit leicht rockigem Einschlag zeigt sich dann das Stück „Neue Helden“. Stimmlich singt Martin Meinschäfer im Stile von Stefan Stoppok. In „Boxring“ haben die Beiden die Idee umgesetzt, die wohl schon so manchem von uns gekommen ist. Sie stellen einen Boxring auf, wo sich die Mächtigen der Welt (ob aus Politik oder Religion) im direkten Vergleich was aufs Haupt geben können, statt Bauernopfer an die Front zu schicken. Dazu haben sie einen Gute-Laune-Sound im Reggaegewand eingespielt. Kommt richtig gut.

„Die Besten“ ist dann eine neue Version des Songs, den Martin Meinschäfer mit seinem Musikprojekt Rosen & Gomorrha 2002 veröffentlicht hatte. Der Song kommt in der neuen Version etwas reduzierter rüber. So fehlen die Keyboardsounds und die Trompeten und auch der Rhythmus ist etwas zurückgenommen. Das Ganze wirkt in diesem Kontext eine Spur jazziger und intimer. Martin singt den Song – wie im Original - im Hip Hop-Stil. Eine gelungene Neuinterpretation.

Der funkig/soulige Song „Kleine Lichter“ beginnt mit dem humorvollen Text: „Du hast die Weisheit gefressen, der Löffel war groß. Doch wenn es zu viel ist, dann kommt’s wieder hoch. Du hast die Wahrheit gepachtet, kein Gott neben dir. Und wer das nicht beachtet, kriegt keine Liebe von dir.“ So kriegen alle Besserwisser auch eins ab.

Nach dem funkigen und im Erzählstil gesungenen „Reise ins Ich“ bekommen dann alle, die Kreuzfahrten, und damit nicht gerade umweltfreundlich Urlaub machen (Meist fliegt man ja auch noch zusätzlich an das An- und Abfahrtsziel, was den CO2-Abdruck doppelt belastet.) im Song „Kreuzfahrt ‘til I die“ einen Spiegel vorgehalten. Musikalisch ist der Song recht rockig angelegt und der Gesang geht wieder in Richtung Stoppok. Atmosphärisch und mit einer sanften Melodie geht es dann im „Krieg der Sterne“ zu.

Im Song Lengerich besingen die Beiden dann das typisch deutsche Phänomen des Jammerns auf hohem Niveau. Vielen von uns geht es gut und doch sucht davon eine ganze Menge immer noch das Haar in der Suppe und heult rum, wie schlecht doch alles ist. Und so singt Martin „... heul doch ...“ und erinnert dann zum Ende hin „ja sind wir denn heute wieder quengelich? Dein Gezeter hört man bis nach Lengerich.“ Lengerich war ein Ort, der in der Flutkatastrophe im Sommer 2021 schwer getroffen wurde und wo es den Menschen wirklich schlecht ging bzw. einige Schäden auch noch nicht vollständig behoben wurden.

Der Song „Mehr Meer“ geht musikalisch dann stark in Richtung des Paolo Conte-Klassikers „It’s Wonderful - Via Con Me“. Ein Liebeslied mit sanftem Popappeal kommt mit dem Song „Du regst mich auf“. Und richtig rockig wird es dann am Schluss mit dem Song „Alles nochmal neu“. In diesem Song bekommt dann die Musikindustrie ihr Fett weg, denn die will immer nur flache, leicht mitsingbare Texte, statt gut durchdachte Worte. Und eine kurze Reminiszenz an den Rolling Stones-Hit „Satisfaction“ haben sie mit einem Riff im Stück auch noch untergebracht.

Endlich hat Martin Meinschäfer wieder ein Album herausgebracht, das qualitativ an sein Soloalbum „Wer hat, der hat!“ anschließt. Dieses Mal hat er seine Songs aber mit seinem musikalischen Partner Stephan Baader eingespielt, der auch an der Produktion beteiligt war. Ein klasse Album dessen Songs im Singer/Songwriter-, dann wieder im rockigen, bluesigen oder sogar Reggae-Stil gehalten sind. Ein Album das von vorne bis hinten Spaß macht.

Stephan Schelle, Juli 2024

   

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