Martin Meinschäfer – Wer hat, der hat!
Sombrero Records (2020)
(16 Stücke, 72:19 Minuten Spielzeit)

Der Name Martin Meinschäfer dürfte nur wenigen Musikfreunden bekannt sein, hat er doch zuletzt mit seiner Band Rosen & Gomorrha vor gut 19 Jahren ein letztes Album veröffentlicht. Das eindrucksvolle Werk hatte den Titel „Das Leben ist kein Tanzlokal“. Der Arnsberger Martin Meinschäfer kann auf eine lange Musikkarriere zurückblicken, war er doch in den 70’ern Frontmann der deutschen Rockband Hob Goblin, mit der er insgesamt 3 Studioalben herausgebracht hat.


Einen großen Erfolg hatte er dann Mitte der 90’er Jahre zusammen mit Sebastian Schoplick und Dominik Stahlschmidt im Danceprojekt Dolls United. Bei diesem Projekt wurden Lieder aus Kindersendungen in ein Dance-Format gebracht. Das erfolgreichste davon war ein Lied aus der Augsburger Puppenkisten-Verfilmung von „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“. Im Jahr 1996 kam man an diesem Song, „Eine Insel mit zwei Bergen“, nicht vorbei. Martin Meinschäfer hat darüber hinaus in seinen Megaphon Tonstudios zahlreiche Künstler aus dem Rock- und Blues-Bereich produziert, darunter einige Alben von Henrik Freischlader, Long Distance Calling, Zodiac, Donots, Kai Strauss, Demons Eye oder Chris Kramer.

Martin Meinschäfer zur neuen Produktion: „Ich habe seit der letzten Veröffentlichung vom Rosen und Gomorrha-Album 2001 kaum eigene Musik gemacht und habe die letzten 20 Jahre damit verbracht anderen, jüngeren Kollegen bei ihrer Arbeit zu helfen und ihre Musik in eine möglichst schlagkräftige Form zu bringen. Das hat wahnsinnig viel Spaß gemacht und war oft sehr inspirierend. Aber ich habe mit der Zeit gespürt, dass in mir selbst noch das ein- oder andere Lied schlummert. Die mussten einfach raus!“

Zum Glück hat Martin diese Songs herausgelassen, denn er hat mit dem im Sommer 2020 erschienenen „Wer hat, der hat!“ ein grandioses deutschsprachiges Album eingespielt. War „Das Leben ist kein Tanzlokal“ von Rosen & Gomorrha schon ein Highlight im Deutschrock (es wurde von der Presse hoch gelobt und der Song „Dankeschön“ bekam den Deutschen Liederbestenliste-Förderpreis) so macht Martin auf „Wer hat, der hat!“ nahtlos weiter und legt nochmal eine Schippe drauf.

Unterstützung fand Martin bei zahlreichen befreundeten Musikern wie z. B. Toett (Phillip Boa And The Voodooclub, Rosen & Gomorrha), Henrik Freischlader, Trompeter Joo Kraus und Lothar Krell. Martin’s Sohn Moritz, er ist derzeit auch Drummer in der Band von Henrik Freischlader, sorgt an den Fellen für den richtigen Rhythmus.

Mein erster Gedanke, als ich den Titel des Albums las, war: Ganz schön eingebildet der Martin. Aber bei genauerem hinsehen und hinhören (er wird in „Börsenmelodie“ und einem weiteren Song zitiert) merkt man schnell, dass Martin diesen Ausspruch nicht auf sich sondern auf unsere Gesellschaft gemünzt hat. Im Booklet sagt er dazu: Wer hat der hat heißt mein neues Album und ich finde den Titel aktueller denn je: Die Besitz-Verhältnisse auf unserem Planeten waren noch nie so ungerecht verteilt wie jetzt. Die Ausbeutung der Ressourcen schreitet, ungeachtet aller Warnungen voran und das immer noch zu Lasten der Ärmsten. Wir kriegen anscheinend den Hals nicht voll genug. Damit setzt er ein allgemeinpolitisches Statement.

So aktuell und kritisch, wie er im Eingangstext der CD schreibt, ist auch der Großteil seiner Texte, die darüber hinaus auch sehr poetisch und anspruchsvoll gefasst sind. Der prall gefüllte Silberling startet mit „Börsenmelodie“, in dem Martin gekonnt über die Raffgier der Menschen singt. Auf der anderen Seite prangert er auch die „Geiz ist geil“-Mentalität an, bei der immer noch viele Menschen glauben, Musik sei für umsonst zu bekommen. Qualität ist nicht das, was in den Charts läuft. Dies ist vielmehr von der Musikindustrie gesteuert und so singt Martin:

„Ne Melodie ist nichts mehr wert, die holt man sich für Umme aus dem Netz. Top-40-Nutte muss man sein, sonst hast du keine Chance im Geschäft“.

Das ist leider so. Musikalisch setzt Martin diesen Song rockig mit einem knackigen Rhythmus und einer leicht bluesigen Gitarre um. Sehr gut gefällt mir bei seinen Songs die sehr klare Aussprache, so dass man den Songs gut folgen kann, auch wenn man nicht in die Texte, die im sehr schön gemachten 20seitigen Booklet abgedruckt sind, schaut.

In „Vor die Wand gefahren“ nimmt er sich der radikalen und vorurteilsdurchtränkten Gedankengänger an. Das macht er sehr wortgewandt und deutlich. Die Musik ist im Kontrast dazu sehr fröhlich in einer Mischung aus Reggae und Ska. Einen schweren Rhythmus hat er dann „Wo kämen wir hin“ spendiert und singt den Text in den Strophen in einer Art Rap-/Hip Hop-Gesang während der Refrain sehr melodisch gesungen wird. Spontan fällt mir hier Fanta4 im Zeitlupentempo ein, was aber nicht despektierlich gemeint ist, denn der Song funktioniert sehr gut.

Ein sehr schöner akustischer Song (Akustikgitarre, Bass, Pecussion und Tasten) ist „Willst Du Meinen?“. Mit funkigen Trompetensätzen von Joo Kraus und einem Gesangsstil wie beim frühen Westernhagen wartet dann „Bunt“ auf. Dass es auch mit atmosphärischen Trompeteneinschüben sehr gut klingt, das zeigt dann „Wahnsinning“. Die Trompete bringt hier einen leicht jazzigen Touch ein. Und der Song „Das Babylon System“ - der Titel weist schon darauf hin - ist ein prachtvoller Reggae-Song. Mit dem Song „Weitergehn“ wandelt Martin dann gar auf den musikalischen Spuren der Traveling Wilburys. Das sind einige Beispiele für ein Album mit 16 grandiosen Songs.

Multiinstrumentalist Martin Meinschäfer hat wieder mal ein grandioses und qualitativ hochwertiges Album eingespielt. „Wer hat, der hat!“ sprüht nur so voller wunderbarer Melodien und anspruchsvollen sowie witzigen deutschen Texten. Klare Kaufempfehlung, denn die Musik verbreitet einen großen Charme und ist mit augenzwinkernden aber deutlichen und klaren Worten in Songs wie zum Beispiel „Börsenmelodie“, „Umsonst ist der Tod“ und „Blinde Passagiere“ unterfüttert. Diese Scheibe gehört in jede gute Rocksammlung.

Stephan Schelle, Juli 2020

   

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