Marquette – Into The Wild
Progressive Promotion Records (2020)

(8 Stücke, 63:56 Minuten Spielzeit)

Marquette ist das Musikprojekt des deutschen Keyboarders, Gitarristen und Komponisten Markus Roth. Markus ist Mitglied der Bands Horizontal Ascension (melodischer Prog) und Force Of Progress (instrumentaler Mix aus Prog, Metal und Jazz). Nach dem Debütalbum „Human Reparation“ aus dem Jahr 2015 erschien am 28.08.2020 der Nachfolger unter dem Titel „Into The Wild“. Damit einhergehend hat Markus zum neuen Label Progressive Promotion Records gefunden. 


Markus Roth sucht sich für sein Musikprojekt immer wieder neue Musiker und so ist bis auf den leider bereits verstorbenen Gitarristen Reiner Wendland kein Musiker des Debütalbums mehr an der Produktion beteiligt gewesen. Neben Markus Roth, der Keyboards spielt sind dabei: Sebastian Schleicher (Gitarre, Bass), Reiner Wendland (Gitarre), Dennis Degen (Schlagzeug), Maurizio Menendez (Gesang), Robin Mock (Saxophon beim Stück „Seven Doors“) und Art Lip (Trompete beim Stück „Into The Wild“).

Das Cover ziert ein aggressives Gesicht, was die Wildheit ausdrücken soll. Allerdings hat sich Markus Roth von einem ganz anderen Thema inspirieren lassen. Es geht um das Schicksal des 22jährigen US-Amerikaners Christopher McCandless, der im Jahr 1990 seine ganzen Ersparnisse einer Hilfsorganisation spendet und zu einer zweijährigen Reise durch Amerika aufbrach. Er ist schließlich nur mit einem Rucksack zu Fuß in der Wildnis von Alaska unterwegs auf der Reise nach Fairbanks gewesen, nahe dem nördlichen Polarkreis. Sein Ziel war die Herausforderung eines einfachen Lebens anzunehmen, das er weit entfernt von jeglicher Zivilisation erfahren wollte. Unter dem Pseudonym „Alexander Supertramp“ war er unterwegs und führte Buch über seine Erlebnisse.

Auf seinem Rückweg wurde er durch die einsetzende Schneeschmelze, die den Fluss Teklanika River zu einem reißenden, nicht mehr zu Fuß überquerenden Fluss machte, gehindert. Da ihm eine detaillierte Karte der Umgebung fehlte, erkannte er nicht, dass sich in nicht allzu weiter Entfernung eine Fähre über den Fluss befand. Daher musste er in einem alten, verrotteten Bus ausharren. Da er kaum noch Lebensmittel besaß ernährte er sich unter anderem von giftigen Schoten, die er mit essbaren verwechselte. Dies war sein Todesurteil. Seine Aufzeichnungen wurden gefunden und von Jon Krakauer als Reportage veröffentlicht. Auf dieser Basis entstand dann im Jahr 2007 ein gleichnamiger Film bei dem Sean Penn Regie führte und das Drehbuch schrieb. Ein sehr lohnenswerter Film.

Markus schreibt im Booklet was die Story mit seiner Musik zu tun hat. Es ist ein Beispiel dafür sich selbst zu finden. Musiker sind bei der Erstellung ihrer Musik sehr sensibel und sehen oft Dinge, die andere nicht sehen. Oft gehen sie ihren eigenen Weg und folgen ihren Träumen sehr hartnäckig. Anmerkung: Nur wenn Musiker ihren eigenen Weg gehen bzw. gehen können und sich nicht von anderen beirren lassen kann etwas Neues entstehen.

Musikalisch verbindet Markus Roth auf „Into The Wild“ die beiden Welten von Horizontal Ascension und Force Of Progress. Zwar werden von Maurizio Menendez einige Texte gesungen, doch ist der Hauptteil des Albums instrumental.

Der Opener „Now Answer“ beginnt mit elektronisch/proggigen Sounds und einem knackigen Rhythmus. In diesem Siebenminüter wechseln Strukturen und Melodien, was eine Nähe zu Bands der Marke Dream Theater zulässt. Allerdings ist der Härtegrad trotz treibendem Schlagwerk eher im Hardrock verortet. Auch eine leicht angejazzte Passage ist in diesem Stück enthalten. Am Ende flüstert Maurizio einen Text. Das baut einen Spannungsbogen auf und zieht einen in die Geschichte hinein.

Das 14minütige „Seven Doors“ beginnt mit mystisch dröhnenden Synthsounds, die dann von einer Art Cellosound begleitet werden um dann nach wenigen Momenten in eine sehr schöne Akustikgitarrenpassage überzugehen. Es entwickelt sich ein recht proggiges Stück, das wieder viel Abwechslung bietet. Robin Mock’s Saxophoneinlage bringt noch einmal ein gewisses Extra in das Stück. Allein dieser Track ist wie eine Reiseerzählung aufgebaut. Da wechseln sich sanfte, verträumte teilweise symphonische Passagen mit druckvollen Gitarrenriffs ab.

Der 3:47minütige Song „Criminal Kind“ kommt dann recht flott und eingängig daher. Eine Mischung aus Prog und AOR, die schnell ins Ohr geht. Der Song besitzt einen instrumentalen Mittel- und Endteil mit markantem Bassriff und schönem Keyboardsoli. Das 6:13minütige „Alexander Supertramp“ ist dem Protagonisten der Geschichte gewidmet. Symphonische und druckvolle Gitarrenriffs / Schlagzeugrhythmen wechseln hier mehrfach ab.

Das 5:21minütige „Sensuality“ wird in der ersten Minute seinem Titel gerecht. Hier summt Maurizio ohne Begleitung eine Melodie. Nach einer sanften Pianopassage wird es dann heftiger. Jazzige Metalriffs übernehmen nun das Kommando. Ein wahrer Parforceritt. Proggig mit herrlichen, hallenden Keyboardklängen zeigt sich dann der Song „Portrait Of A Man“. Ein toller Song. Das 4:40minütige „Poisoned Homeland“ und das 19:10minütige Titelstück beenden dann das Album. Vor allem der Titeltrack ist nochmal ein sehr abwechslungsreiches Highlight des Albums, das unter anderem durch Art Lip’s Trompeten-Beitrag wieder eine jazzige Note bekommt.

Marquette’s Zweitwerk „Into The Wild“ besticht durch seine musikalische Vielfalt. Man hört bei jedem Durchgang wieder etwas Neues. Nicht ganz so vertrackt wie bei seiner Band Force Of Progress bietet „Into The Wild“ eingängigere Stücke, die sich im Kopf des Hörers in Kopfkino verwandeln.

Stephan Schelle, September 2020

   

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