Markus Reuter – Truce 2
MoonJune Records (2022)
(7 Stücke, 49:55 Minuten Spielzeit)

Anfang 2020 erschien das Album „Truce“ vom deutschen Touchgitarristen Markus Reuter. Gut zwei Jahre später kommt nun „Truce 2“ auf den Markt. Offizielles Release ist der 15.03.2022. Vorab ist das Album aber bereits ab dem 12.02.2022 über Bandcamp erhältlich. Mit dabei sind wieder Fabio Trentini (Bass) und Asaf Sirkis (Schlagzeug, Percussion).


Zunächst lasse ich aber die drei Protagonisten zu Wort kommen, die einiges über das neue Werk zu berichten haben:

Markus Reuter
Vor etwas mehr als 2 Jahren kam das erste TRUCE-Album als große Überraschung zu uns. Nach seiner Veröffentlichung war es ein sofortiger Erfolg und ein Fan-Favorit. Das war eine weitere, sehr willkommene Überraschung. Jetzt, zwei Jahre später, bringen wir das Nachfolgealbum, TRUCE 2, heraus. In der Zeit zwischen diesen beiden Aufnahmesessions wurden die Dinge interessant. Ich brauche nicht zu erklären, welche praktischen Auswirkungen die Pandemie auf uns hatte. Abgesagte Konzerte, abgesagte Aufnahmen, etc. Die Dinge hatten sich ganz anders entwickelt, als wir es uns für die Band vorgestellt hatten. Aber egal, als wir im Juli 2021 die ersten Takes im Studio einspielten, merkten wir schnell, dass das Spielen wie auf dem ersten Album einfach nicht mehr funktioniert. Das war plötzlich eine neue Band, die für uns wie eine Fremde war. Ja, wir sind dieselben Leute, aber es fühlte sich an, als hätten wir neue Seelen in unseren Körpern. Die Selbstreflexion und die emotionale Achterbahnfahrt hatten einen Abdruck in unseren Seelen hinterlassen, und das spiegelt sich für mich in der Musik wider. Diesmal gab es einfach eine andere Geschichte zu erzählen... Und diese Geschichte mussten wir im Laufe der Zeit entdecken. Zum Glück kann ich mich voll und ganz auf meine Verbündeten verlassen, und es dauerte nicht lange, bis wir neue Energie und Verbundenheit fanden so dass wir eine wunderbare, sofortige Komposition geschaffen haben, die uns begeistert. Es ist eine Erinnerung an die Kraft der Musik.

Fabio Trentini spielt die Bässe, Asaf Sirkis das Schlagzeug, und ich spiele Touch Guitar und Elektronik. Das Setup war ähnlich wie bei der Aufnahme des ersten Albums, aber dieses Mal hatte Fabio 3 Bässe dabei: Den Wal Fretless Bass, den er zuvor mit uns benutzt hatte, aber auch einen 5-saitigen Bass mit Bund und einen elektrischen Kontrabass. Wir nahmen in den Ritmo&Blu Studios in Norditalien auf, mit dem Tontechniker und Koproduzenten Stefano Castagna, der bei der Postproduktion sehr wichtig wurde. Und dann war da noch Leonardo Pavkovic, mit seinem sprichwörtlichen Enthusiasmus, seiner Ermutigung, seinem Optimismus und seinem Lächeln. Das Album wurde an 2 Tagen aufgenommen, wobei ein dritter Tag für ‘Overdubs und Reparaturen’ reserviert war. Fabio und ich trafen uns dann ein paar Wochen später erneut mit Stefano, um das Album in nur wenigen Tagen zu mischen und zu mastern. Eine große Veränderung für uns, wenn man bedenkt, dass das vorherige TRUCE-Album an einem Nachmittag und praktisch ohne Overdubs aufgenommen wurde.

Fabio Trentini
Als Musiker und Musikproduzent war ich immer der Typ, der die ganze Situation unter Kontrolle haben muss. Ich habe mich nie für einen guten Improvisator gehalten. TRUCE lehrte mich die Kunst, mich fallen zu lassen, meinen Bandkollegen zu vertrauen und zu versuchen, in Echtzeit etwas Interessantes zu erfinden, ohne zu planen. Für mich bedeutet das eine wichtige musikalische Bereicherung, aber vor allem sehe ich es als eine Art Therapie und spirituelle Erfahrung. Das erste Album ist auf einmal entstanden. Die Aufnahmesession dauerte weniger als einen Tag, und wir waren in der Lage, sehr energiegeladenes und ziemlich wildes Material zu entwickeln. TRUCE 2, auch wenn es wie das Vorgängeralbum auf Improvisationen basiert, ist ein vielschichtiges Werk. Wir haben mehr Zeit in einige Overdubs und die Bearbeitungen investiert und es geschafft, mehr Farben und Ideen in die Platte einfließen zu lassen.

Asaf Sirkis
Mit dem TRUCE-Trio zu spielen, war für mich schon immer eine musikalische Erfahrung, bei der ich im Fluss war. Als Schlagzeuger, habe ich eine gewisse Freiheit des Ausdrucks genossen, wie in keiner anderen Band, in der ich gespielt habe! Dies liegt zum großen Teil an der sympathischen Art und Weise, wie das Trio zusammenspielt und dem ehrlichen und organischen Beitrag jedes einzelnen Musikers zur Musik. Im Vergleich zu unserem ersten Album ist TRUCE 2 eine Entdeckungsreise gewesen. Wie können wir an Orte gehen, an denen wir noch nicht waren? Das ist die Frage, die uns oft gestellt wurde, während wir dieses Album aufnahmen. Diese Entdeckungsreise war sowohl intensiv als auch lohnend, und ich hoffe, dass Sie diese musikalische Reise mit uns genießen werden.

Sieben Stücke mit Laufzeiten von 4:28 bis 10:09 Minuten hat das Trio eingespielt. Die CD erscheint in einem sechsseitigen Papersleeve.

Recht druckvoll geht es im 8:41minütigen Opener „The Rake“ zu, bei dem das Trio nur so vor Energie strotzt. Da fliegen einem die dröhnenden Sounds und Schlagzeugkaskaden zunächst förmlich um die Ohren. Es dauert ein wenig bis sich aus dieser Wall of Sounds eine Struktur entwickelt, die in sehr rockigen Gefilden wandelt. Das ist recht progressiv gemacht und fordert den Hörer schon zu Beginn heraus.

„Rounds Of Love“ bringt es auf gut sechs Minuten Spielzeit. Hier starten Fabio und Asaf zunächst mit einem druckvollen Basslauf und Schlagzeug während Markus aus seinem elektronischem Instrumentarium Klänge zaubert, die an Autohupen erinnern. Man hat das Gefühl zur Rushhour an einer Kreuzung zu stehen und dem vorbeifahrenden Verkehr zuzusehen. Dann geht es wieder recht rockig und mit einer Wall Of Sound im Track weiter. Das Stück hat aber Struktur und auch eine gewisse Melodik.

Etwas sphärischer zeigt sich dann über weite Strecken das 5:14minütige „Barren“. Das wirkt zunächst wie ein Ruhepol in dem bisherigen kraftvollen Sound. Nach gut einer Minute kommen markante, teils langgezogene Gitarrensounds auf, die von akzentuiertem Bass und Schlagwerk und später auch elektronischen Sounds untermauert werden. Zum Ende hin ziehen die Drei dann wieder ihre Wall Of Sounds hoch.

Mit zehn Minuten ist „Melomania“ der längste Track des Albums. Der Longtrack entwickelt sich fortlaufend und ändert Struktur, Rhythmus und Sound. Teilweise zeigt sich der Rhythmus wie eine Fahrt mit einer schnell fahrenden Dampflok. In der Mitte kommt ein sphärischer, leicht surrealer Part auf, bei dem Markus’ Gitarre im Vordergrund steht. Zum Ende hin fließt alles in einen ekstatischen Part.

Das 7:13minütige „Consolation“ bietet in der ersten Hälfte sehr schöne akzentuierte Klangmuster und harmonische Sounds. Das wirkt zunächst recht ambient, wird dann nach etwas mehr als einer Minute durch Markus’ sägende Gitarre erweitert um im letzten Viertel dann wieder in einer Wall Of Sounds zu landen. Die letzten beiden Stücke schließen sich dem an.

In „Truce 2“ haben sich die drei Musiker Reuter, Trentini und Sirkis neu erfunden und bauen in den Stücken häufig eine Wall Of Sounds auf. Zwischenzeitlich ambiente Klangformationen sorgen dabei immer wieder für Ruhephasen. Die Produktion ist darüber hinaus wieder sehr gut gelungen. Ein überraschendes Werk, das den/die Hörer/in aber auch in Anspruch nimmt.

Stephan Schelle, Januar 2022

   

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