Lüül - Tourkoller

Lüül - Tourkoller
made in germany music / mig (2011)
(13 Stücke, 51:39 Minuten Spielzeit)

Der Berliner Sänger, Songschreiber, Gitarrist und Musiker Lutz Graf-Ulbrich firmiert seit über 40 Jahren nur als Lüül. Innerhalb dieses Zeitraums kann er auf zahlreiche Soloalben wie auch auf die Zusammenarbeit mit Band wie Agitation Free und Ash Ra Tempel zurückblicken. Aber auch die zweite Garde der Elektronikmusik hat er mit seiner Gitarrenarbeit unterstützt, wie zum Beispiel Thomas Fanger und Mario Schönwälder auf ihrem 2001’er Album „Analog Overdose“.


Er ist nach Zeiten mit NDW-Pop („Morgens in der U-Bahn“), Soloalben, Rocktheater Reineke Fuchs und Filmmusiken zurückgekehrt zu den Wurzeln bodenständiger, akustischer Musik: Polka, Reggae, Klezmer, Cajun. Er ist Gründungsmitglied der 17 Hippies. Für seine CD „Damenbesuch“ erhielt er den Preis der Deutschen Schallplattenkritik. 2006 erschien seine Autobiographie Lutz Ulbrich.

So mancher Musiker verfällt auf einer Konzertreise in einen „Tourkoller“. Lüül scheint diese Erfahrungen auch gemacht zu haben, denn sein neuestes Album, das am 07.10.2011 auf den Markt kommt, trägt diesen Titel. Im Titelstück verarbeitet er den alltäglichen Wahnsinn, der bei Tourneen zu einem derartigen Koller führt. Schon in diesem ersten Song zeigt sich, dass Lüül auf der neuen Scheibe als Singer/Songwriter agiert. Neben Folkrock sind ebenfalls einige psychedelische Soundmuster zu finden. Bei der Produktion haben ihn auch einige Musiker aus seiner Band 17 Hippies unterstützt.

Eigentlich hatte Lüül den Song „Weiter, weiter, unermüdlich“ für das Rocktheater Reineke Fuchs geschrieben. Lüül hatte auf dem Stück zuvor nicht selbst gesungen, was er aber auf dem Album jetzt macht. Die etwas heisere und melancholische Stimme passt ganz hervorragend zu der Musik, die irgendwie eine Mischung aus Zigeunermusik, TexMex und Achim Reichel darstellt. Ein sehr schön treibender Song.

Elektronischer Rumbarhythmus wie seinerzeit bei Jean Michel Jarre eröffnet „Kein Song“, das eine gewisse NDW-Monotonie aufweist. Der Rhythmus wird von einer Minipops-Rhythmusmaschine der ersten Generation erzeugt, was ein gewisses nostalgisches Flair hervorruft.

Die weiteren Stücke haben Tiefe und strahlen eine hohe Faszination aus, so zum Beispiel die melancholische Ballade „Dein Fenster“, das treibende und eingängige Cajun-Stück „Sie war Tarzan, ich war Jane“, der Rocksong „Meine erste hieß Marianne“, bei dem Lüül seine Liebschaften aufzählt (ein wenig augenzwinkernd an Insterburg & Co.’s „Ich liebte ein Mädchen …“ angelehnt), das lyrisch/verträumte „In meiner Kemenate“, die hypnotische Rocknummer „Nachts in Marokko“, die mich von Gitarre und Rhythmus an Rheingold erinnert oder „Zwei Liebende“, der Song für einen schönen Sommerabend an einer Strandbar.

„Tourkoller“ ist ein tolles Singer/Songwriter-Album in dem Lüül verschiedene Stilelemente in seine Musik einbindet.

Stephan Schelle, August 2011

   

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