Leagus – Flora Eallin
Is It Jazz? Records (2023)

(12 Stücke, 54:24 Minuten Spielzeit)

Leagus ist ein zeitgenössisches und experimentelles Musikduo aus Sápmi, Norwegen, dessen Musik zwischen formalen komponierten Teilen, offenen Strukturen und freier Improvisation wechselt und von gedämpften, minimalistischen, psalmenartigen Stücken bis hin zu eher rockorientierten improvisierten Teilen reicht. Leagus, bestehend aus der Pianistin Herborg Rundberg und dem Gitarristen Kristian Svalestad Olstad, wurde ursprünglich 2013 von Herborg im Rahmen ihres Masterstudiums in Rhythmischer Musik am Tromsø-Konservatorium gegründet, wo Kristian zwei Jahre zuvor ebenfalls seinen Masterabschluss im selben Fach gemacht hatte.


Im Laufe der Jahre hat das Duo ausgiebig daran gearbeitet, neue und andere Interaktionen zwischen Klavier und Gitarre zu finden, was zur Entwicklung einer neuen und progressiven Art von musikalischem Miteinander geführt hat. Es ist ein sehr dynamischer Sound, bei dem musikalische Kontraste eine große Rolle in ihrem Konzept spielen.

2021 wurden Leagus vom North Norwegian Jazz Ensemble beauftragt, ein Stück für ein zehnköpfiges Orchester zu schreiben. Das Ergebnis war „Flora Eallin“, das von Herborg und Kristian komponiert und arrangiert wurde. Dies führte zu einer Tournee mit dem North Norwegian Jazz Ensemble und dem langjährigen Mitarbeiter und visuellen Designer Torbjørn Thrane Sandnes.

Am 28.04.2023 ist die Musik auf dem Album „Flora Eallin“ erschienen, das ein Dutzend Stücke enthält. Vier gesungene Stücke sowie acht Instrumentals finden sich auf dem Silberling.

Begonnen wird mit dem 3:34minütigen „Kime“, das von einer zarten Pianomelodie getragen wird, unter die sich elektronische Sounds (klingen teils wie wabernde Saxophone) und sanftes Schlagzeug mischen. So erzeugen Leagus eine ambiente, fast schon verletzliche Stimmung. Nahtlos geht der Opener in das 6:04minütige „Flor“ über, das eine deutliche Jazznote aufweist. Rhythmisch mit Pianotupfern und im weiteren Verlauf mit Bläsern (Saxophonen). Auch wenn hier der Jazz die Oberhand hat, so ist der Track doch recht eingängig.

Das 3:11minütige „Vann“ besteht aus Pianoklängen, die teils harmonisch angelegt sind und eingeflochtenen Effekten bzw. Geräuschen, was die Musik kaum in eine Sparte einordnen lässt. Für mich ist das Avantgarde. Musikalischer wird es dann im 5:48minütigen „Tendril“, in dem auch erstmals Gesang aufkommt. Der Song besitzt einen sanften Rocktouch und ist mit leichtem Jazzambiente durchzogen. Die weibliche und männliche Gesangsstimme, die in Norwegisch singen, passen hervorragend zusammen. Ein sehr schöner atmosphärischer Song.

Auch das 5:31minütige „Nihkui“ ist ein Song mit eingängiger Melodie. Zwischendurch blitzen dann immer mal wieder Jazzparts auf. Das 3:29minütige „Vind“ wird von Bass und Saxophon bestimmt und bietet sphärisch/melancholischen Jazz. Rhythmisch und treibend zeigt sich dann das 5:39minütige „Pripyat“ mit einem gehörigen Einschlag von Prog und Jazz. Es folgen weitere Stücke wie die 2:32minütige, experimentelle Soundkollage „Geo“ oder das zart gesungene, 4:25minütige „Mykorrhyza“.

„Flora Eallin“ ist ein ungewöhnliches Album von Leagus. Es vermischt Rock, Prog, Jazz und experimentelle Musik miteinander. Die Stile wechseln sich in unterschiedlicher Intensität ab, so dass man nicht weiß, was im nächsten Moment passiert. Am besten gefallen mir die gesungenen Stücke, da sie die melodischsten sind.

Stephan Schelle, Juni 2023

   

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