Kalle Wallner - Voices
Gentle Art Of Music / Soulfood (2022)
(7 Stücke, 49:48 Minuten Spielzeit)

Was macht ein kreativer Kopf und aktiver musikalischer Geist wie Kalle Wallner (RPWL, Blind Ego), wenn er während eines Lockdowns gezwungen ist sämtliche Liveaktivitäten ad acta zu legen? Na klar, er geht ins Studio und schnappt sich seine Gitarren um neue Lieder zu komponieren und aufzunehmen. Wie er selbst schreibt, konnte er nicht einfach nach 20 Jahren Vollgas so ohne Weiteres runterfahren, denn der Kopf kam nicht zur Ruhe. Und das ist für alle Freunde von herausragendem Gitarren orientierten Rock auch ein Segen, denn daraus resultiert das erste Soloalbum unter seinem Namen mit dem Titel „Voices“.


Stilistisch möchte ich das Werk in der Schnittmenge aus Blind Ego und RPWL einordnen, da neben sehr atmosphärischen, auch recht rockige Passagen in den Stücken zu finden sind. Kalle haut auf dem Album sechs Instrumentaltracks raus und nur ein Stück wird mit Text von Arno Menses (Subsignal) gesungen.

Neben Kalle, der auf dem Album nicht nur Gitarren sondern auch Bass und Keyboards gespielt sowie Programmierung vorgenommen hat, sind noch sein musikalischer Bruder Yogi Lang (Keyboards, Programmierung) sowie Schlagzeuger Marco Minnemann, der hier eine grandiose Rhythmusarbeit abliefert, und Kalle’s Frau Carmen Tannich (Gesang bei „Six“) dabei, die gerade erst in 2021 als TANYC ein beachtliches Debütalbum veröffentlichte.

Sieben musikalische Perlen hat Kalle auf seinem Album platziert, deren Laufzeiten zwischen 3:53 und 11:14 Minuten Spielzeit liegen. Kalle hat den Stücken einfach Nummern von „One“ bis „Seven“ gegeben. Letzteres trägt als einziges den Zusatz „.Out“. Schon beim ersten Hördurchgang (und auch den weiteren Durchgängen) löst das Gitarrensolo im zweiten Teil von Track „Six“ bei mir eine mächtige Gänsepelle aus. Aber fangen wir erst einmal vorne an.

Wer denkt, dass es sich bei „Voices“ um ein Album mit Songs handelt, die von verschiedenen Sängern interpretiert werden, liegt falsch. Vielmehr ist Kalle Wallner auf seinem Soloalbum bis auf einen Track instrumental unterwegs. Und das macht er so gut, dass Gesang nicht nötig ist, denn dafür hat er ja seine Gitarren, die er mehrfach zum singen bringt. Wer Kalle kennt, der weiß, dass es der bayrische Gitarrist nicht auf Frickeleien oder höher-schneller-weiter-Passagen absieht, sondern immer die Melodie und wunderbare Soli in den Vordergrund stellt. Und genau das bekommt man auch auf „Voices“. Damit läutet er sehr eindrucksvoll das neue Jahr 2022 ein. Ein grandioses Album, das man immer wieder gerne in die Rotation nimmt.

Rockig geht es zunächst im 5:14minütigen Opener „One“ zu. Doch den Beginn dieses Stückes machen zunächst wunderbare, perlende Synth-Sounds, die nach gut einer halben Minuten von Gitarrenlicks abgelöst werden, die eher im Hardrock zu finden sind. Diese wechseln bzw. vermengen sich mit den Synthsounds. Ein klasse Track, der auch gut auf ein Blind Ego-Album gepasst hätte.

Es folgt dann das fast achtminütige „Two“, das mit einem recht rockigen Schlagzeugrhythmus und kraftvollen Gitarren beginnt. Marco Minnemann zeigt sich nicht nur hier als kongenialer Partner, der Kalle’s tolle Gitarrenarbeit und Melodien mit dem perfekten rhythmischen Unterbau versieht. Der Track geht zunächst richtig gut ab, und bietet im weiteren Verlauf wunderbar atmosphärische Passagen, die in Richtung Art-/Progressiverock weisen. Auch hier stellen sich beim Hören die Haare vor Freude gen Himmel.

Das 5:56minütige Stück „Three“ ist dann der einzige Song des Albums, der von Arno Menses eingesungen wurde. Nicht nur durch Arno’s Stimme tritt die Nähe zu Subsignal zu Tage. Stilistisch ist der Song recht nah an der befreundeten Band ausgerichtet.

Das sechsminütige „Four“ beginnt zunächst wieder mit recht elektronischen Soundscapes, die aber nach wenigen Momenten von Kalle’s kraftvoller Gitarre abgelöst werden. Auch dieser Track liegt wieder mehr in der Nähe von Blind Ego und hat im „Refrain“ eine tolle Hookline zu bieten. Nach gut drei Minuten geht es dann mit Akustikgitarre, Keys und einem reduzierterem Schlagzeugrhythmus wieder gänsehautmäßig und atmosphärisch weiter. Diese beiden Stile ergänzen sich ganz hervorragend.

Nach dem rhythmischen und von einer sehr schönen Gitarrenmelodie getragenen „Five“ geht es dann in den Endspurt. Das 9:30minütige „Six“ ist einer der Höhepunkte des Albums, das nur so vor grandiosen Stücken strotzt. Druckvolle Passagen wechseln sich mit herrlich atmosphärischen ab und werden von wunderbaren Soli durchzogen. Darüber hinaus sorgen Tanyc mit ihrer Stimme, die sie in diesem Stück als Instrument einsetzt, sowie Yogi Lang mit seiner Tastenarbeit für den besonderen Kick, die das Solo von Kalle auf eine neue Ebene heben.

Mit dem 11:14minütigen Longtrack „Seven.Out“, einem weiteren Höhepunkt des Albums, endet dann Kalle Wallner’s erstes Soloalbum sehr eindrucksvoll. Dieser Track beginnt sehr elektronisch und klingt zunächst nach einem Soundtrack. Dann setzen Kalle’s Gitarren ein, die hier übereinander gelegt sind. Das klingt sehr atmosphärisch und sorgt erneut für Gänsehaut. So ein bisschen erinnert das auch an den Stil von Maxess, der es auch versteht elektronische Musik mit tollen Gitarrensounds und -melodien zu vereinen.

Wow, was haut der RPWL-/Blind Ego-Gitarrist Kalle Wallner da schon zu Beginn des neuen Jahres (25.02.2022) für ein klasse Album raus. Auch wenn der Lockdown viel Unangenehmes hervorgebracht hat, so sind es doch Alben wie dieses, das einen Lichtblick daraus entstehen lassen.

Stephan Schelle, Januar 2022

   

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