John Martyn Band – The Smiling Stranger in Bremen
MIG / made in germany music (2023)
(18 Stücke, 102:24 Minuten Spielzeit)

John Martyn (geboren am 11. September 1948 als Iain David McGeachy in New Malden, Surrey, gestorben am 29. Januar 2009 in Thomastown, County Kilkenny, Irland) war ein Ausnahmegitarrist und versierter Singer/Songwriter. Er vereinigte in seiner Musik verschiedene Stilarten zu einem neuen Ganzen Er war, wie The Times 2009 in einem Nachruf schrieb, „ein elektrisierender Gitarrist und Sänger, dessen Musik die Grenzen zwischen Folk, Jazz, Rock und Blues verschwimmen ließ.“


Nick Drake, der melancholische Songwriter, geboren in Birma, dem heutigen Myanmar, war ein guter Freund von John und Mitbewohner in seiner WG, und galt ebenfalls wie John Martyn jahrelang als Geheimtipp der Singer/Songwriter-Szene. Als Drake 1974 starb, hatte John Martyn gerade seine Karriere so richtig in Schwung gebracht, einen Plattendeal bei Island Records unterschrieben und mit seinem Album „Solid Air“ von 1973, dessen Titelsong dem depressiven Drake gewidmet war, erste Charterfolge gefeiert. 1977 kam mit dem Album „One World“ der endgültige Durchbruch für John Martyn. Ein Album mit Musik irgendwo zwischen Folk und Jazz, aufgenommen unter der Regie von Chris Blackwell mit Musikern wie Stevie Winwood und den Jamaikanern Rico und Lee Perry. Auf diesem Album hatte Martyn bereits seine erstaunlich virtuose Picking-Technik auf der Gitarre zur Vollendung gebracht, zudem kreierte er auch einen einzigartigen Sound indem er seine Akustikgitarre oft durch Fuzzbox, Phase-Shifter und vor allem Echoplex sowie weitere Effektgeräte laufen ließ. Tracks aus „One Wolrd“ wie „Couldn’t Love You More“, „Smiling Stranger“ oder auch der Titelsong schrieben Rockgeschichte und waren fortan aus dem Live-Repertoire nicht mehr wegzudenken.

Am 10.06.1983 trat John Martyn (Gesang, akustische und elektronische Gitarre) zusammen mit seiner Band, bestehend aus Jeff Allen (Schlagzeug), der unter anderem auch bei Snowy White und Van Morrison gespielt hat sowie Alan Thompson (Bass, Keyboards), der bei Robert Palmer, Chris Rea und Eric Clapton mitwirkte, in der Schauburg in Bremen auf. Einen Mitschnitt von diesem Konzert veröffentlicht mig records am 27.01.2023 als DoppelCD, das im Jewelcase mit achtseitigem Booklet erscheint.

17 Stücke mit Eigenkompositionen sowie zwei Coverversionen hatte John Martyn an diesem Abend im Programm. Zum einen hatte John den traditionellen US Folk Song „Cocain“ (nicht zu verwechseln mit dem Rocksong von J.J. Cale) in einer bearbeiteten Version im Programm, zum anderen spielte er an diesem Abend einen Coversong der jamaikanischen Band The Slickers mit dem Titel „Johnny Too Bad“. Das Stück wurde schon von zahlreichen anderen Musikern interpretiert, hier macht John Martyn es zu seinem eigenen Song, der zwar einen leichten Reggaerhythmus aufweist, aber viel rauer als im Original ist und mehr wie ein Blues gesungen wird.

Mit atmosphärischen Gitarrenklängen beginnt der Opener des Konzertes „Some People Are Crazy“. Schnell kommt aber ein markanter Basslauf und Schlagwerk hinzu und John setzt mit seiner markanten Stimme ein. Es zeigt einen endrucksvollen Singer/Songwriter mit Rockappeal. Und dies führt er auch auf den weiteren Songs fort. Richtig rockig wird es dann in „Amsterdam“. „Solid Air“, das er Nick Drake widmete, ist ein Song mit leicht düsterem Einschlag.

John Martyn hatte seinen ganz eigenen Stil, was sich in Songs wie „Sunday’s Child“ zeigte. Ähnlichkeiten finden sich in Künstlern wie Roy Harper oder The Incridible String Band. „Couldn’t Love You More“ überzeugt auch heute noch. Bei „Sweet Little Mystery“ wird John’s Gesang nur von Gitarre und Bass begleitet. „Dealer“ und „Outside In“ präsentiert Martyn dann in einem fast zwölfminütigen Medley (inkl. Applaus). Das hypnotische Gitarrensolo im Mittelteil ist berauschend.

Sehr bluesig wird es dann zu Beginn der zweiten CD, die mit „The Easy Blues“ beginnt. „Cocain“ bot dann Folk, bei dem John sich an der Gitarre begleitete. Damit startete er eine Folge von drei Songs die recht folkig klingen und minimalistisch instrumentiert sind (nur von Gitarre begleitet). Rockiger wird es dann wieder in „Could’ve Been Me“, bei dem die Band wieder einstieg. Und auch „Root Love“ geht ordentlich ab. Dem schließt sich dann das recht atmosphärische „One World“ an.

Den Abschluss des Konzertes bildet dann das Stück „Smiling Strangers“, das einen recht funkigen Groove hat und wie eine Fahrt mit der Dampflok anmutet. Das ist faszinierend und fesselnd zugleich. Der Lohn, ein nicht enden wollender Applaus des Publikums.

„The Smiling Stranger in Bremen“ ist ein klasse Livemitschnitt, der die Schaffensperiode von John Martyn bis 1983 aufzeigt. Die Liveatmosphäre wurde sehr gut eingefangen, da der Sound recht trocken rüberkommt und man das Gefühl hat mitten vor der Bühne zu stehen. Das Album fesselt darüber hinaus durch seine Intensität. Für Fans des Musikers ein Genuss und für Musikliebhaber, die diesen tollen Musiker kennen lernen möchten, der perfekte Einstieg.

Stephan Schelle, Januar 2023

   

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