Jimi Hendrix Experience – Hollywood Bowl / August 18. 1967
Experience Hendrix L.L.C./Legacy Recordings/Sony Music (2023)

(10 Stücke, 42:58 Minuten Spielzeit)

Am 10.11.2023 erscheint ein Livemitschnitt eines historischen Jimi Hendrix Konzertes, das am 18.08.1967 in der Hollywood Bowl von Los Angeles stattfand. Zu diesem Zeitpunkt hatte Hendrix noch nicht seinen internationalen Durchbruch erreicht. Die Jimi Hendrix Experience war neben dem Hauptact The Mamas And The Papas auf der Bühne. Das Konzert wurde seinerzeit von KHJ Radio mitgeschnitten und erscheint nun erstmals auf CD, LP und digital. Mir lag die CD-Version von „Hollywood Bowl / August 18. 1967“ vor.


Jimi Hendrix (Gitarre, Gesang), Mitch Mitchel (Schlagzeug) und Noel Redding (Bass, Backgroundsang) hatten neben vier Eigenkompositionen auch fünf Coverversionen im Programm, deren Interpretation schon die ganze Urgewalt dieser drei Musiker zeigt.

Dieser Live-Mitschnitt entstand fünf Tage vor dem US-Release des Debütalbums „Are You Experienced“ und ist einer der letzten Gigs, den die Musiker spielten, als sie dem großen Publikum noch relativ unbekannt waren. Die Experience war zu diesem Zeitpunkt zehn Monate durch die UK und Kontinentaleuropa getourt und hatte sich dort einen Namen gemacht. Doch in Los Angeles waren die meisten der knapp 17.000 Konzertbesucher gekommen, um The Mamas and The Papas zu sehen, die bei dem Event als Headliner auftraten. Diese Fans traf Jimis mitreißende Performance und seine Bühnenpräsenz völlig unvorbereitet.

Nachdem Jimi Hendrix im September 1966 nach London gezogen war, gründete er mit den britischen Musikern Mitch Mitchell (Drums) und Noel Redding (Bass) die Band Experience. Das neu formierte Trio feierte sehr bald erste Erfolge in UK mit drei Top-Ten-Singles. Vor allem begeisterten aber auch ihre Shows und brachten ihnen höchstes Lob von Musikerkollegen wie Paul McCartney, Eric Clapton oder Jeff Beck ein. Die hymnischen Kritiken las auch Mo Ostin, der Chef des Reprise-Labels. Im März 1967 unterzeichnete Hendrix dort seinen Plattenvertrag. Zwei Monate später debütierte die Jimi Hendrix Experience auf Empfehlung von Paul McCartney in den USA beim Monterey International Pop Festival und eroberte dort die Zuschauer im Sturm.

Bei ihrem Versuch, in den USA an die Erfolge in Europa anzuknüpfen, spielte das Trio fünfmal im Fillmore in San Francisco und supportete The Monkees auf ihrer US-Tour. Jimi brach das Monkees-Experiment allerdings nach neun Konzerten ab, weil das Teenie-Publikum sich ausschließlich für die Headliner interessierte. Nach diesem Debakel lud John Phillips von The Mamas and The Papas, einer der Co-Produzenten des Monterey Pop Festivals, die Experience ein, die Show zu eröffnen, die am 18. August in der Hollywood Bowl stattfinden sollte.

Nach den eröffnenden Worten des Veranstalters geht es mit einer nur 1:54minütigen Coverversion des Beatles-Klassikers „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band” los. Das Trio haute hier eine recht raue Version dieses Songs auf die Bretter. Hier zeigt sich deutlich der Stil von Hendrix Gitarrenspiel sowie das kraftvolle Schlagzeugspiel von Mitch Mitchell. Danach machen sich Hendrix & Co. den Howlin’ Wolf-Song „Killing Floor“ zu eigen. Vor allem Hendrix fegt hier wie ein Derwisch über die Saiten seines Instruments während Mitch Mitchell wie um sein Leben trommelt und Noel Redding den Song mit druckvollem Bassspiel vorantreibt.

„The Wind Cries Mary“ nimmt dann etwas den Speed aus dem Konzert. Dem folgt dann der damals bis dato unveröffentlichte Song „Foxey Lady“, der den Spirit von Hendrix voll widerspiegelt. Die Coverversion von Muddy Waters’ „Catfish Blues“ präsentierte das Powertrio mit ausufernden Soli in einer gut achtminütigen Version. „Fire“ war der zweite bis dato unveröffentlichte Song im Programm. Er wurde in einer recht rauen Version geboten, was auch in den gemeinsamen Gesangsparts zu hören ist.

Dylan’s „Like A Rolling Stone“, eine grandiose Version von „Purple Haze“ und die Version des The Troggs-Hits „Wild Thing“ vervollständigen das Set.

Gitarrist Brian Ray, der u.a. mit Paul McCartney und Etta James zusammenarbeitete, war damals unter den Zuschauern und erinnert sich: „Die Fans waren wegen The Mamas and The Papas gekommen. Von Jimi Hendrix hatten sie noch nie gehört und mir ging es genauso. Die beiden Acts hätten gegenteiliger nicht sein können – hier kommt dieser Typ, er hat nur zwei Musiker dabei, alle haben Afros und tragen diese ausgefallenen bunten Theater-Klamotten. Dann wird es trotz brachialer Lautstärke musikalisch und vor allem sehr physisch. Jimi spielt die Gitarre unter seinem Bein, dann hinter dem Rücken und dann scheint er das Instrument zu vögeln – es war völlig irre. Als wären auf der Bühne alle Spielarten des Menschseins zu sehen – Schönheit und Anmut, Sexualität, Gewalt und Zärtlichkeit versammelten sich in dieser Band und strömten aus diesem Gitarristen. Ich würde nicht behaupten, dass das Publikum meine Empfindungen teilte. Während meine Schwester und ich komplett durchdrehten, gab es ringsherum eher leisen Applaus, als müssten die Leute erst einordnen, was sie da erlebten.“

Die CD kommt in einem vierseitigen Digipak mit 24seitigem Booklet daher. In ihm befinden sich Linernotes von Jeff Slate und zahlreiche unveröffentlichte Fotos von Ed Caraeff, Henry Diltz und Allen Daviau, die beim Gig in der Hollywood Bowl entstanden sind. Darunter Bilder von der Show sowie Backstage-Aufnahmen, die die Experience-Mitglieder gemeinsam mit The Mamas and The Papas, dem Szenenbildner Rodney Bingenheimer und Manager Chas Chandler zeigen.

„Hollywood Bowl / August 18. 1967“ der Jimi Hendrix Experience ist ein beeindruckendes Zeitdokument, dass bisher unveröffentlicht war und auch nicht als Bootleg erschienen ist. Es spiegelt die rohe Kraft des Trios perfekt wieder.

Stephan Schelle, November 2023

   

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