Jan Vorwärts und seine Kapelle – Bei Dükermann

Jan Vorwärts und seine Kapelle – Bei Dükermann
Sireena Records / Broken Silence (2011)
(23 Stücke, 59:53 Minuten Spielzeit)

Jan Vorwärts und seine Kappelle, was für ein Name und was für ein Cover der DebütCD. Es ziert ein Backsteingebäude und davor einen mit einem Seemann tätowierten Oberarm. Das erste, was mir in den Sinn kam, jetzt muss ich auch noch eine Shanty-CD besprechen. Doch so schlimm ist es nicht, ganz im Gegenteil. Hinter Jan Vorwärts verbirgt sich kein geringerer als Reiner Hänsch.


Hm, werden einige denken, den Namen hab ich schon gehört, aber wer soll das sein? Reiner Hänsch ist oder war Kopf der Band Zoff, die mit Hits wie „Kein Geld, kein Money“ oder „Sauerland“ bekannt wurden. Reiner stammt aus Letmathe (auch ein Song von Zoff) und ist vor einiger Zeit an die Nordsee gezogen. Auch dort konnte er nicht von der Musik lassen und gründete kurzerhand Jan Vorwärts und seine Kapelle. Wer allerdings hinter der Kapelle steckt, kann man aus dem 16seitigen Booklet, das dem Digipack beigelegt ist, nicht entnehmen. Auch die Internetseite lässt den neugierigen Besucher darüber im Unklaren.

Musikalisch hat sich wenig zu seinem Projekt Zoff verändert, denn man findet auch Rock mit Popeinflüssen und Reggaerhythmen auf dem neuen Werk. Nur die Texte haben sich geändert. Während früher das „Sauerland“ oder das „Mädchen aus Winterberg“ besungen wurden, hat sich Reiner bei dem neuen Projekt ganz auf die Nordsee spezialisiert. So hat er beispielsweise eine neue Hymne für den hohen Norden mit dem Titel „Friesland“ eingespielt, die auch schon einige Beachtung fand.

Hieß es früher bei „Sauerland“ im Text „… wo die Mädchen noch wilder als die Kühe sind“, da singt er heute im Song „Friesland“ die Zeile „… wo die Jungs noch blauer als die Nordsee sind …“. Ansonsten haben beide Lieder aber – bis auf eine eingängige Melodie – nichts gemeinsam.

Habe ich oben angegeben, dass die CD aus 23 Stücken besteht, dann stimmt das nicht ganz, denn Songs weist das Album insgesamt nur 13 auf. Die restlichen zehn Tracks bestehen aus Einspielungen (mit „Bei Dükermann 1“ bis „Bei Dükermann 10“ betitelt), die dem Hörer den Eindruck vermitteln, als wäre man in einer Kneipe bei einer Liveveranstaltung. So beginnt dann die CD mit dem knapp einminütigen „Bei Dükermann 1“, bei dem man eine Unterhaltung hört, in der die Band auf die Bühne beordert wird und Herr Dükermann einen Rockabend ankündigt.

Der erste Song folgt mit „Nütscha Nix“ einer typischen Reggae-Nummer, so wie man sie auch von Zoff kennt. „Wat’n Schiet“ ist eine Rocknummer, die gut abgeht. Ein bisschen hat Reiner durch das Akkordeon einen friesischen Touch in den Song eingebracht. Durch die funkigen Gitarren macht der Song aber unglaublich Spaß. Dann folgt die neue Norddeutsche Hymne „Friesland“. Zunächst beginnt das Stück wie eine NDW-Nummer, die sich in einen Rocksong wandelt, der irgendwie das „Sauerland“-Feeling hat. Ein Song der auf Feten prima kommt und bei dem man im Refrain gut mitgröhlen kann. Nur wenn Reiner „Gülle, Gülle, Gülle“ singt, dann klingt das doch verdächtig nach Wolle Petry’s „Hölle, Hölle, Hölle“. Trotzdem aber ein echter Ohrwurm.

Reggae und Ska verbindet Reiner dann im Song „Jou Wa“. „Hart am Wind“ klingt mit seiner Mundharmonika ein bisschen wie eine Mixtur aus Udo Lindenberg und Klaus Lage. Recht rockig mit Folkeinschlag präsentiert sich „Schwere See“. In „Erntefest bei Dükermann“ verbindet Reiner gar Akkordeon, fette Gitarren mit technoartigen bpm’s. Die Songs auf dem Album glänzen durch eingängige Melodien, die Reiner in einer Mischung aus Rock, Reggae und Norseefolklore kombiniert hat. Und das funktioniert sehr gut.

Die CD ist fett abgemischt und klingt unglaublich druckvoll und voluminös. Wenn nicht ein anderer Name auf der CD stehen würde oder ich den Silberling blind gehört hätte, wäre für mich klar gewesen, dass es sich um eine neue Zoff-Platte handelt. Auch wenn Reiner jetzt im hohen Norden zu Hause ist, so hat sich sein typischer Musikstil doch nicht verändert, was auch gut ist. „Bei Dükermann“ ist eine Deutschrock-CD, die Spaß macht. Allerdings klingt Reiners neues Projekt irgendwie wieder frischer, die Seeluft scheint ihm gut getan zu haben.

Stephan Schelle, Mai 2011

   

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