Grobschnitt – Die Grobschnitt Story 0 / Kapelle Elias Grobschnitt

Grobschnitt – Die Grobschnitt Story 0 / Kapelle Elias Grobschnitt
made in germany music (2010)
(12 Stücke, 104:42 Minuten Spielzeit)

Vier Jahre sind vergangen, seit der letzte, sechste Teil der Grobschnitt-Story vom ehemaligen Schlagzeuger der Band und Soundtüftler Eroc veröffentlicht wurde. Seither widmete sich Eroc der Restaurierung von altem Livematerial, das er im Rahmen seiner Silver Mint Records-Reihe veröffentlicht. Ganze 21 CD hat er seither in dieser Silver Mint Records-Reihe bereits herausgebracht.


Am 25. Juni 2010 kommt nun endlich wieder ein Teil der Grobschnitt-Story beim jungen deutschen Label mig heraus. Er trägt den ungewöhnlichen Titel „Die Grobschnitt Story 0“. Nun warum macht Eroc nicht mit der Nummerierung weiter und kommt damit zur Vol. 7? Die Antwort ist schlicht und einfach, dass Eroc mit dem Material an die Gründungsjahre der Band zurückgeht. Neben ersten Aufnahmen, die später in geschliffenerer Form auf dem Debütalbum landeten, bietet die DoppelCD aber auch noch Material von Wutpickel (der Vorgängerband von Grobschnitt) sowie bisher unveröffentlichte Aufnahmen.

Bereits auf Vol 6 fanden sich Stücke aus den Anfangstagen von Grobschnitt wie etwa „About My Town“, „Die Sinfonie“, „Die Maschine“ oder „Wonderful Music“, deren Titel ebenfalls auf der „Story 0“ zu finden sind. Und auch von „Suntrip“ gibt es bereits eine Version aus 1969, die auf der „History Of Solar Music Vol. 3“ zu finden ist. Wer nun glaubt, dass er dieses neue Werk nicht braucht, weil er ja schon die anderen Teile der Story besitzt, der irrt, denn die Versionen auf dieser neuen Veröffentlichung sind es mehr als Wert das Licht der Laser zu erblicken, denn sie sind in dieser Form bisher ungehört (was die Veröffentlichungen angeht).

Im sehr schön aufgemachten sechsseitigen Digipack befinden sich zwei CDs sowie ein 20seitiges Booklet mit ausführlichen Linernotes von Eroc sowie vielen bisher unveröffentlichten Fotos. Schon die Fotos, die die Musiker im Studio zeigen, haben Seltenheitswert. Als der Keyboarder Hermann Quetting in die Band kam, hatten Grobschnitt die Stücke, die später auf ihrem Debüt Einzug halten sollten, bereits mehrfach gespielt. Mit Quetting änderte sich das Klangbild ein wenig, was gut an den frühen Versionen, die Eroc damals aufgenommen und jetzt in hervorragender Qualität remastert hat, zu hören ist. Die frühen Einspielungen sind wesentlich rauer, als auf dem fertigen Album.

Los geht es mit einem etwas chaotischen und anarchischen, weil aus Soundschnipseln, bestehend aus Gegacker (hört sich wie „Psychochicken“ an) und Gelächter, etc. aufgebauten 46sekündigen Tondokument von Wutpickel, einer der beiden Bands, aus denen Grobschnitt entstand. Es folgt eine energiereiche Version von „Die Sinfonie“, bei der die beiden Schlagzeuger Joachim „Eroc“ Ehrig und Axel „Felix“ Harlos bereits für einen Rhythmus sorgen, der der Gruppe damals (sie heißen zunächst noch Kapelle Elias Grobschnitt – ein Name der an ein Bild einer Söldnerkapelle aus dem Jahr 1916 angelehnt ist) den Spitznamen „Westfälische Santana“ einbrachte. Und dieser Vergleich ist gar nicht so abwegig. Hört man sich heute die frühen Platten von Santana und die ersten Aufnahmen von Grobschnitt an, so sind einige Parallelen zu erkennen.

Nach „Der Sinfonie“ kommt dann „Das Reiselied“, das auf dem Debütalbum den Titel „Travelling“ trägt, hier aber wesentlich straighter und in einem Livecharakter rüberkommt. Das liegt vor allem daran dass die Stücke live in der THG-Aula von Hagen mitgeschnitten wurden. Vor allem die Perkussion stechen hier heraus. Psychedelisch, fast spacig wirkt der Beginn von „Wonderful Music“, das dadurch auch eine weitere musikalische Note bekommt. Dann kommt eine wirklich tolle Version von „Suntrip“, dem Vorgänger von „Solar Music“. Mit Gewitter und Regen starten die Groben in diesen Longtrack. Eroc sprach den Eingangstext bei „Der Ölberg“ auf Tonband, das dann langsamer abgespielt wurde (schön hier auch das schräge Pfeifen).

Die beiden Stücke „About My Town“ und „Fallstone“ wurden zur gleichen Zeit aufgenommen, kamen aufgrund des begrenzten Platzes einer Vinylscheibe nicht mehr mit auf’s Album. Besonders eindrucksvoll ist das Zusammenspiel von Eroc und Felix an den beiden Drums bei „About My Town“. Auch der bluesige Stil, der hier vorherrscht und der Satzgesang sind sehr schön anzuhören. Das klingt nicht steril und glatt poliert, sondern hat seinen ganz besonderen Reiz. Das anschließende „Fallstone“ ist wieder so eine Nummer, die an Santana erinnert.

Die zweite CD startet mit „Das D-Lied“, das sich streckenweise stilistisch nach Golden Earring anhört (vor allem Gitarre und Drums). Dann kommt mit „Das Teelied“ ein weiterer unbekannter Titel. Danach begeistert „Die Maschine“, die mich schon auf der „Story 6“ faszinierte. Allerdings ist es hier mit knapp unter acht Minuten wesentlich kürzer und Lupo’s irrer Gesang fehlt. Und doch bietet es einen Hasardeurritt der Extraklasse. Tolles rhythmisches Stück, das aber trotzdem nicht an die Version der „Story Vol. 6“ rankommt.

Den Abschluss bilden zwei Liveaufnahmen, die Eroc beim legendären 71’er Auftritt im Hagener Volkspark mitgeschnitten hat. Den Beginn macht die Liveversion von „Das D-Lied (live)“. Der letzte Track „Die Sinfonie (live)“ wurde bereits auf der remasterten Version des 1998 bei Repertoire Records erschienenen Debütalbums veröffentlich. Da das Album aber mittlerweile vergriffen ist, bekommt der Fan nun endlich die Möglichkeit dieses tolle Livedokument heute wieder in den Händen zu halten.

Das sich die CD klanglich auf höchstem Niveau bewegt, braucht kaum erwähnt zu werden. Es ist aber immer wieder erstaunlich, welchen Sound Eroc aus den alten Aufnahmen herausholt.

Eroc hat hier wieder ein tolles Zeitdokument zusammengestellt, dass Grobschnitt in ihrer Frühphase zeigt. Ungeschliffen und roh, so bieten sich dem Hörer die Stücke die später den Beginn der beliebtesten Liveband Deutschlands darstellen sollte. Für Fans der Band unverzichtbar und für Freunde guter Rockmusik ein wichtiges Album. Hohe Empfehlungsstufe.

Stephan Schelle, Juni 2010

   

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