Goetz Steeger – Nutzlose Zeugen
Plattenbau / Off Ya Tree Records (2016)

(12 Stücke, 58:22 Minuten Spielzeit)

Hier kommt ein Liedermacher, dessen Musik nun wirklich nicht nach typischem Liedermacher klingt. Goetz Steeger heißt er, spielt zahlreiche Instrumente und hat bereits in unterschiedlichsten Bands wie zum Beispiel dem Hamburger Fusion/Avant-Garde Quartett Thyll oder Chillam Ballam, einem argentinisch/deutschen Latin- Jazz Kollektiv mitgewirkt. Und auch als Produzent und Musiker unter anderem auf Franz Josef Degenhardt’s letzten zwei Alben war er tätig. 


Aber auch diese Referenzen führen in die Irre, denn auf dem zweiten Album unter eigenem Namen, das den Titel „Nutzlose Zeugen“ trägt, präsentiert er melodiösen Pop, Art-/Progrock mit Singer/Songwriter-Einschlag.

Neben Steeger, der die meisten Instrumente spielt und die Songs singt, wirkten noch Olve Strelow (Schlagzeug) und Lisa Rebecca Wulf mit. Die beiden waren auch schon auf seinem ersten Album „User“ mit von der Partie. Daneben sorgt Tobias Unterberg (u. a. Inchtaboktables, New Model Army) mit seinem Cello für besondere Momente.

Mit dem anderthalbminütigen „Cirque de Navacelles“ beginnt das Album recht ungewöhnlich, denn dieser Opener wird im ersten Drittel von einem französisch gesprochenen Text bestimmt, auf den leicht jazzige, ambiente Klänge folgen. Dann geht es aber mit dem ersten Song „Mit grossen Flügeln“ los. Akustikgitarre und Keyboards unterstützen zunächst Steegers Gesang, dessen Gesangsstil schon eine gewisse Liedermacher-Art an den Tag legt. Und doch entwickelt sich die Musik ganz anders, denn Instrumentierung und Melodie gehen eher in Richtung von Peter Gabriel & Co. Hier verbindet Steeger Pop, Artrock, Folk, Elektronik und Singer/Songwriter. Sofort nimmt einen dieses Album gefangen. Das ist wirklich großartig gemacht.

Das Titelstück ist ein Electro-Folk-Song mit Artrockelementen, in dem Steeger die abgeklärte Bezugslosigkeit in urbanen Netzwerken beschreibt. Auch dieser Song ist auf höchstem musikalischem Niveau gehalten. „In der Zwischenzeit“ ist eine melancholische Akustiknummer, in der Steeger deutlich macht, dass der Mensch „mit Nichts auf die Welt kommt und mit Nichts wieder geht“. In diesem melancholischen Song schildert er ein Menschenleben. Steeger schafft es seine Schilderungen sehr Wortgewandt zu verpacken.

Im Stück „Das Bankett“ verarbeitet er dann das politisch/finanzielle Gerangel zwischen Europa, und vor allem Deutschland gegenüber Griechenland. Musikalisch wandelt der Song zwischen Jazz, Prog und Theatermusik. Wenn es sich am Ende zuzuspitzen droht, kann man die Proteste der wütenden Griechen förmlich spüren.

Eine apokalyptische Kurzgeschichte über die Silicon Valley-Vision von Unsterblichkeit bietet Steeger dann in „Wann ist es soweit?“, in dem er seine Geschichte erzählt (kein Gesang), nur von elektronischen, pulsierenden Sounds unterlegt wird. Im letzten Drittel geht die Post dann aber richtig ab, denn E-Gitarre und Schlagzeug vollführen einen ekstatischen Rockpart.

Industrial Rock mit englischen Texten bietet er dann in „The Captain“. Das abschließende „Cirque de Navacelles (Reprise)“ wirkt wie ein Outro und hat dann noch einen Hidden Track zu bieten. In diesem hat er eine merkwürdige, spaßige Dancenummer eingebaut, die klingt, als würden Kinder einen Soulsong singen. Das passt so gar nicht ins Gesamtbild, ist aber witzig gemacht.

Mit „Nutzlose Zeugen“ ist dem norddeutschen Musiker Goetz Steeger ein wirklich tolles Album gelungen, das verschiedene musikalische Stile in sich vereint. Neben Singer/Songwriter sind dies vor allem Art-, Prog-, Industrialrock und Electro. Mit dieser Mixtur ist er weit weg von den „verstaubten“ Liedermachern. Ein klasse Album.

Stephan Schelle, Februar 2016

   

CD-Kritiken-Menue