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Goetz Steeger
– Nutzlose Zeugen Hier kommt ein Liedermacher, dessen Musik nun wirklich nicht nach typischem Liedermacher klingt. Goetz Steeger heißt er, spielt zahlreiche Instrumente und hat bereits in unterschiedlichsten Bands wie zum Beispiel dem Hamburger Fusion/Avant-Garde Quartett Thyll oder Chillam Ballam, einem argentinisch/deutschen Latin- Jazz Kollektiv mitgewirkt. Und auch als Produzent und Musiker unter anderem auf Franz Josef Degenhardt’s letzten zwei Alben war er tätig. |
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Neben Steeger, der die meisten Instrumente spielt und die Songs singt,
wirkten noch Olve Strelow (Schlagzeug) und Lisa Rebecca Wulf mit. Die beiden
waren auch schon auf seinem ersten Album „User“ mit von der Partie.
Daneben sorgt Tobias Unterberg (u. a. Inchtaboktables, New Model Army) mit
seinem Cello für besondere Momente. Mit
dem anderthalbminütigen „Cirque de Navacelles“ beginnt das Album
recht ungewöhnlich, denn dieser Opener wird im ersten Drittel von einem
französisch gesprochenen Text bestimmt, auf den leicht jazzige, ambiente
Klänge folgen. Dann geht es aber mit dem ersten Song „Mit grossen Flügeln“
los. Akustikgitarre und Keyboards unterstützen zunächst Steegers Gesang,
dessen Gesangsstil schon eine gewisse Liedermacher-Art an den Tag legt.
Und doch entwickelt sich die Musik ganz anders, denn Instrumentierung und
Melodie gehen eher in Richtung von Peter Gabriel & Co. Hier verbindet
Steeger Pop, Artrock, Folk, Elektronik und Singer/Songwriter. Sofort nimmt
einen dieses Album gefangen. Das ist wirklich großartig gemacht. Das
Titelstück ist ein Electro-Folk-Song mit Artrockelementen, in dem Steeger
die abgeklärte Bezugslosigkeit in
urbanen Netzwerken beschreibt. Auch dieser Song ist auf höchstem
musikalischem Niveau gehalten. „In der Zwischenzeit“ ist eine
melancholische Akustiknummer, in der Steeger deutlich macht, dass der
Mensch „mit Nichts auf die Welt kommt und mit Nichts wieder geht“. In
diesem melancholischen Song schildert er ein Menschenleben. Steeger
schafft es seine Schilderungen sehr Wortgewandt zu verpacken. Im
Stück „Das Bankett“ verarbeitet er dann das politisch/finanzielle
Gerangel zwischen Europa, und vor allem Deutschland gegenüber
Griechenland. Musikalisch wandelt der Song zwischen Jazz, Prog und
Theatermusik. Wenn es sich am Ende zuzuspitzen droht, kann man die
Proteste der wütenden Griechen förmlich spüren. Eine
apokalyptische Kurzgeschichte über die
Silicon Valley-Vision von Unsterblichkeit bietet Steeger dann in
„Wann ist es soweit?“, in dem er seine Geschichte erzählt (kein
Gesang), nur von elektronischen, pulsierenden Sounds unterlegt wird. Im
letzten Drittel geht die Post dann aber richtig ab, denn E-Gitarre und
Schlagzeug vollführen einen ekstatischen Rockpart. Industrial
Rock mit englischen Texten bietet er dann in „The Captain“. Das
abschließende „Cirque de Navacelles (Reprise)“ wirkt wie ein Outro
und hat dann noch einen Hidden Track zu bieten. In diesem hat er eine
merkwürdige, spaßige Dancenummer eingebaut, die klingt, als würden
Kinder einen Soulsong singen. Das passt so gar nicht ins Gesamtbild, ist
aber witzig gemacht. Mit
„Nutzlose Zeugen“ ist dem norddeutschen Musiker Goetz Steeger ein
wirklich tolles Album gelungen, das verschiedene musikalische Stile in
sich vereint. Neben Singer/Songwriter sind dies vor allem Art-, Prog-,
Industrialrock und Electro. Mit dieser Mixtur ist er weit weg von den
„verstaubten“ Liedermachern. Ein klasse Album. Stephan Schelle, Februar 2016 |
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