Galahad - Following Ghosts

Galahad – Following Ghosts - Wiederveröffentlichung
Oskar Poland / www.empire-music.de  (2007)
(11 Stücke, 73:33 Minuten Spielzeit)

Galahad hab ich das erste Mal in Bünde beim zweiten pROCKfest erlebt und sie waren für mich wie eine Erleuchtung. Da ich sofort infiziert war, hab ich mir zwei Alben nach dem Auftritt gekauft. Neben dem aktuellen Werk „Empires Never Last“ (Rezension folgt in Kürze) war es das Album „Following Ghosts“ aus dem Jahr 1998. Die Scheibe musste ich mir wegen des darauf enthaltenen Stückes „Bug Eye“, das ebenfalls zum Liveset gehörte und zu dem ich später noch komme, kaufen.


Ich hab mir in der Folge auch noch weitere Alben der Band zugelegt, aber neben dem aktuellen Werk ist diese CD für mich die Beste ihrer bisherigen Discografie. Die CD liegt in remasterter Form vor und ist bei einem polnischen Label namens OSKAR in 2007 erschienen. Also nichts wie rein mit der Scheibe.

Gleich zu Beginn erklingt eine Frauenstimme, die sich bedankt, dass man das Galahad-Album gekauft hat und erklärt, dass man für das beste Klangerlebnis im Zentrum der Lautsprecher sitzen und die Anlage voll aufdrehen soll. Die letzten Worte werden natürlich laut geschrieen, wobei sich diejenigen ärgern werden, die ihrer Aufforderung gefolgt sind. Aber das ist halt typisch englischer Humor. Und dann brettert auch gleich die erste Gitarrenwand bei „Myopia“ aus den Boxen. Dieser erste Song ist schon mal richtig gut, denn er vereint knallige Gitarren mit hymnischem Prog.

Es folgt das balladeske sich aber weiter steigernde „Imago“, bei dem die Stimme von Stuart Nichols sehr gut zur Geltung kommt. Für den weiblichen Gesangspart sorgt bei diesem Stück Sarah Quilter. Beide Stimmen passe sehr gut zusammen. Nach dem etwas folkigen in Singer-/Songwriter-Manier vorgetragenen „A Short Reflection On Two Past Lives - Part One“ kommen bei „Karma For One“ zunächst ethnische Sounds ans Ohr des Hörers. Sobald Stuart anfängt zu singen, hat man das Gefühl einer Pendragon-Scheibe zu lauschen, so sehr ähnelt seine Stimme der von Nick Barrett. In diesem Track kommen dann erstmals die Kombinationen von Prog-Elementen und elektronischen Sequenzern, die man eher aus dem Elektronikbereich her kennt, zum Tragen.

Das folgende „Perfection Personified“ hat zunächst etwas beatleskes und geht dann in eine herrliche, radiotauglichen Melodie über, bei der man zwingend mitsingen und mitwippen will. Tolles Teil.

Der Oberknaller dieses Albums, für den sich meiner Meinung nach schon allein der Kauf der CD lohnt, ist aber das gut 14minütige „Bug Eye“. Rauschende Elektronikklänge, dazu einige Sprachfetzen und Flächen, die wie eine Mischung aus „Berliner Schule“ und Sounds á la Faithless anmuten, eröffnen dieses tolle Stück. Dann bohrt sich Stuart’s Stimme direkt ins Fleisch um den Weg für die folgenden Synthiesequenzen frei zu machen, die mich direkt am Nerv treffen. Das Stück steigert sich und entwickelt sich unter anderem durch die Kombination der elektronischen Klänge, die eindringliche Stimme und die teils sägenden Gitarrenriffs zum mitreißendsten Song, den ich bisher von Galahad kenne. Allein dieser Song durchzog schon unzählige Male meine Hirnwindungen, denn ich hab mich dabei erwischt, wie ich immer wieder die Repeat-Taste gedrückt hab. Was soll ich noch dazu schreiben? Das Stück macht sofort süchtig. Sowohl Progfans wie auch Elektronikfreunde werden dieses Stück lieben, da bin ich mir sicher.

„A Short Reflection On Two Past Lives - Part Two“ überbrückt mit seinen Mellotron-Sounds, die wieder etwas an die Fab Four erinnern die Pause zum nächsten Elektronikstück „Ocean Blue“. Auch dieses Unterwasserabenteuer kann durch tolle Synthiesounds und -sequenzen auf der ganzen Linie überzeugen, kommt aber nicht ganz an „Bug Eye“ heran. Irgendwie ist „Ocean Blue“ eine Mischung aus Prog und Pop-Musik, was vor allem an dem stampfenden Rhythmus liegt. Man kann sogar gut zu diesem Track tanzen.

Nach der klassischen Ballade „Easier Said And Done“, das durch ein schönes Streicherarrangement, Flöten und Akustikgitarre wieder sehr radiotauglich ist und einigen Popappeal hat, kommt mit dem 14minütigen „Shine“ ein weiterer Longtrack, der das Album abschließt. Dies Stück ist ein Track mit ausgedehnten Instrumentalpassagen, wie ihn Proggies lieben. Neoprog vom Feinsten.

„Following Ghosts“ ist ein tolles Album, das die Grenzen des NEO-Prog überschreitet und die Rocksounds mit elektronischen Elementen und Popmusik verbindet, ohne dass die Musik ins kitschige oder peinliche abdriftet, ganz im Gegenteil. Dieses Album kann ich bedenkenlos weiterempfehlen.

Zusätzlicher Hinweis:

Wer jetzt von meiner Rezension angetan ist und sich das Werk bestellen will, sei noch darauf hingewiesen, dass unter dem Titel „De-Constructing Ghosts“ eine CD mit ähnlichem Cover erschienen ist, auf der die Band einige Remixe ihrer Stücke präsentiert. Von dieser Scheibe sollte unbedingt Abstand gehalten werden, denn auf ihr werden Stücke wie z. B. „Bug Eye“ komplett verhunzt.

Stephan Schelle, Dezember 2007

   

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