Flying Colors – Second Nature
Mascot Label Group / Rough Trade (2014)

(9 Stücke, 66:30 Minuten Spielzeit)

Gitarrist Steve Morse (Deep Purple, Dixie Dregs, Kansas), Schlagzeuger Mike Portnoy (Transatlantic, Winery Dogs, Dream Theater), Multiinstrumentalist Neal Morse (Transatlantic, Spock’s Beard), Bassist Dave LaRue (Dixie Dregs, Joe Satriani, Steve Vai) und der vergleichsweise junge Sänger Casey Mc Pherson haben als Flying Colors mit dem Debüt ihres gleichnamigen Albums im Jahr 2012 für Furore gesorgt. Ende September 2014 legen sie ihr zweites Werk mit dem Titel „Second Nature“ vor.


Auf „Second Nature“ machen sie da weiter, wo sie in 2012 auf ihrem Debüt aufgehört haben. Allerdings haben sie den Härtegrad des ersten Albums ein wenig zurückgeschraubt und wirken auf dem Zweitling wesentlich proggiger. Hier scheint vor allem Neal Morse die Hand im Spiel gehabt zu haben, denn die beiden Longtracks, jeweils um die zwölf Minuten, tragen deutlich die Handschrift von Bands der Marke Transatlantic & Co.

Der Pressetext hat einige sehr schöne Infos, die im Nachfolgenden (kursiv dargestellt) zu lesen sind: Trotz ihrer anderweitigen Verpflichtungen sahen sie Flying Colors nicht nur als Nebenprojekt, sondern stets als eine richtige Band und begannen kurz darauf mit den Arbeiten an einem neuen Studioalbum. Diesmal hatten sie wesentlich mehr Zeit zur Verfügung und so dauerte es von den ersten Ideen bis zur Abgabe des Masters fast eineinhalb Jahre. Dabei arbeiteten sie in vier Schritten: im Januar und Februar 2013 schickten sie sich Ideen via Skype zu, verbrachten anschließend einige Zeit bei Neal Morse in Nashville, reisten danach zu Mike Portnoy und schrieben dort fünf zusätzliche Songs. Die finalen Arrangements tauschen sie im Frühling 2014 wiederum online aus.

„Das erste Album war so etwas wie ein Blind Date.”, erklärt Mike Portnoy. „Obwohl wir mit Steve und Dave bereits das Team „Dixie Dregs“ und „Transatlantic“ mit Neal und mir hatten, war es das erste Mal, dass wir fünf – bzw. sieben, wenn man Bill Evans und Peter Collins (Produzent des ersten Albums) dazu zählt -  als eine Gruppe zusammengearbeitet hatten. Doch dieses Mal existierte eine gewissen Chemie zwischen uns, denn wir hatten nicht nur die Vorkenntnisse des Debütalbums, sondern auch die gemeinsame Tour 2012.“

„Die Band klingt progressiver als auf dem ersten Album, doch die Idee, diese Art Musik einem Mainstreampublikum zugänglich zu machen, ist geblieben.“, so Evans. „Die längeren Songs klingen genauso melodisch wie die kürzeren. Die Gitarrenfraktion ist live auf vier der Songs zu hören, auf zwei anderen ein Gospelchor. So bleibt es sehr abwechslungsreich.“

Portnoy betont, dass der progressive Pfad keineswegs bewusst eingeschlagen wurde. „Die musikalische Richtung wurde niemals auch nur annähernd diskutiert. Wir haben nur das gemacht, was wir tun wollten. Ich denke, dass die Songs ohne einen zusätzlichen Produzenten lebendiger geworden sind.“

Steve Morse fasst es am besten zusammen: „Das Album ist sehr vielschichtig. Je öfter man es hört, desto mehr kann man hören. Man kann einfach nicht damit aufhören.“

Die deutlichen Prog-Elemente treten schon in den ersten Minuten des Openers „Open Up Your Eyes“ zu Tage. Herrliche Keyboard- und Gitarrenpassagen, verbunden mit einem fetten Bass leiten in den Song ein. Hier klingt vieles nach Neal Morse und seinen Projekten sowie nach Bands wie den Flower Kings. Wer also mit diesen Bandnamen liebäugelt, der wird sich sofort  mit dieser CD wohl fühlen. Gleiches gilt für das abschließende „Cosmic Symphony“, den zweiten Longtrack, der wiederum mit Strukturwechseln und Melodielinien spielt. Das ist Prog vom Allerfeinsten.

Dazwischen haben die fünf Musiker sieben herrliche Songs gelegt, die nur so von Ideenreichtum überquellen. Da wird dann Hardrock mit Gitarrenrock und auch Pop gemischt. So etwa in dem Song „Mask Machine“, das ein wahrer Ohrwurm ist. In ihm sind gar Brian May-artige Gitarrenriffs zu hören und Mike Portnoy treibt die Band mit einem druckvollen und herrlichen Schlagzeugstakkato voran.

„Bombs Away“ ist dagegen ein etwas schwerer Rocksong, der durch sein dosiertes Tempo an Kraft gewinnt. Dem folgt dann mit „The Fury Of My Love“ eine wunderbare Ballade. Auch „A Place In Your World“ ist ein kraftvoller Progsong, der aus der Feder von Neal Morse zu stammen scheint, denn hier klingt einiges nach seinen Soloalben. Daneben wird der Song aber auch mit noch kraftvolleren Rhythmen gewürzt, was den anderen Musikern zu verdanken ist.

„Second Nature“ ist noch besser als sein Vorgänger geworden und strotzt nur so voll herrlicher und eingängiger Melodien. Der Prog-Anteil ist angestiegen und doch finden sich Hardrock- und AOR-Anleihen an vielen Stellen des Albums wieder, was es sehr abwechslungsreich macht. Vor allem aber die tollen Melodien sind es, die immer wieder dazu verleiten die CD erneut abzuspielen. Ein klasse Album.

Stephan Schelle, August 2014

   

CD-Kritiken-Menue