Flying Circus – Live im Roten Krokodil
Eigenproduktion / https://shop.flying-circus.com/live-im-roten-krokodil/ (2023)

(18 Stücke, 113:53 Minuten Spielzeit)

Die Grevenbroicher Band Flying Circus ist schon seit 1990 aktiv, flog jedoch bisher immer unter dem Radar, was wohl auch daran liegt, dass die Band bisher wenig Wert auf Marketing gelegt hat. Das sollte sich schleunigst ändern, denn die bisherigen zehn Alben können wirklich überzeugen.


Am 24. 11. und 25.11.2023 gaben sie zusammen mit der Band Chandelier zwei viel beachtete Doppeldecker-Konzerte in Rüsselsheim und Essen. Zu diesem Zeitpunkt sollte auch das neue Livealbum „Live im Roten Krokodil“, das am 19.01.2023 in Mönchengladbach-Wickrath mitgeschnitten wurde, erscheinen. Aufgrund technischer Probleme verzögerte sich aber der Veröffentlichungstermin, ist aber ab Anfang Dezember 2023 über die oben angegebene Internetadresse erhältlich. Die CD erscheint in einer durchnummerierten Auflage von 2.500 Exemplaren.

Das mittlerweile seit Jahren feste LineUp besteht aus Michael Dorp (Gesang, Perkussion), Michael Rick (Gitarre), Rüdiger Blömer (Keyboards, Geige), Roger Weitz (Bass) und Ande Roderigo (Schlagzeug, Gesang). Und dieses Quintett erzielt vor allem auf der Bühne seine kraftvolle Entfaltung. Das zeigt auch das neue Livealbum.

Bis auf drei Stücke ist die Setlist mit der vom 25.11.2023 in Essen identisch. Dafür befinden sich drei andere Songs im Programm. Bei der Liveaufnahme wurden auch die Ansagen von Michael Dorp berücksichtigt, was den Livecharakter nochmal steigert.

Die Band bietet auf dem Album einen Querschnitt ihres bisherigen Schaffens, wobei der Fokus klar auf dem Album „1968“ liegt, von dem allein fünf Stücke im Programm waren. Musikalisch bieten Flying Circus dabei straighten Rock mit teils proggigen und auch ethnischen Elementen und bezieht sich ein ums andere Mal auf Bands der 70’er Jahre. Michael Dorp wird oft mit Robert Plant verglichen. Auf der Bandseite ist dazu zu lesen: Wenn man ihm einen Gefallen tun möchte, vergleicht man ihn aber lieber mit Steve Marriott von den Small Faces/Humble Pie.

Die Band startet – wie schon in Essen - mit dem Song „The World Is Mine“ in ihr Set. Griechisch wirkende Gitarrenklänge sind zunächst zu hören, auf denen Michael seinen Gesang setzt. Das klingt zunächst wie eine Akustiknummer und explodiert dann nach einer Minute in einen treibenden Rocksong, der nahe an Led Zeppelin heranreicht und doch genug Eigenheiten der Band besitzt. Das ist ein klasse Song, der vieles von Flying Circus’ Merkmalen enthält.

Zum zweiten Song „Pride Of Creation“ erklärt Michael dann, dass vor allem der Basslauf auf youtube viral gegangen ist. Anfang 2023 hatte er 597.000 Abrufe gehabt. Und das ist auch kein Wunder, denn Roger Weitz legt da an den dicken Saiten einen klasse Part hin. Darüber hinaus ist der Song aber auch sehr eingängig und strotzt in der Liveversion nur so vor Kraft. Einige Parts klingen dabei recht proggig mit 70’er-Jahre-Bezug und gehen darüber hinaus stellenweise in Richtung Marillion & Co. Ein klasse Song.

Etwas vertrackter und verspielter wirkt da der Song „Living A Lie“. Dann folgte das wunderbare „Follow The Empress“ von dem Debütalbum „Seasons“. Die Band hat das Album 2022 in einer neu eingespielten Version erneut auf den Markt gebracht (das Album ist eine echte Empfehlung) und hat dann für dieses Stück den Sänger gewechselt. Neben Michael, der im Refrain mit ans Mikro kommt, ist es vor allem Schlagzeuger Ande Roderigo, der hier den Hauptgesangspart übernimmt. Und das macht er hervorragend. Zu Beginn untermalen Akustikgitarre und Bass den Gesang. Nach einigen Momenten steigen alle mit ihren Instrumenten in den Song ein und Ande und Michael kombinieren ihre Stimmen im Refrain. Das ist ein wunderschöner, atmosphärischer Song.

Das mit Akustikgitarre beginnende „Voices In The Rain“ versprüht dann ein wenig Uriah Heep-Feeling. Dann folgt ein Vier Songs umfassender Block aus dem Album „1968“, bei denen die Band sehr abwechslungsreich vorgeht. Das Stück „Seasons“ vom gleichnamigen Debütalbum ist ein Liveklassiker, den die Band jedes Mal anders spielt. Der Song verbreitet intensives Led Zeppelin-Flair. Besonderheiten dieses Songs liegen in einem treibenden perkussiven Part und in der Violineneinlage von Rüdiger Blömer.

„Live im Roten Krokodil” ist ein tolles Livedokument einer hervorragenden deutschen Rockband, die es verdient hat, endlich entdeckt zu werden. Zumindest fand der tolle Basslauf von Roger Weitz beim Stück „Pride Of Creation“ schon viel Beachtung. Die CD kann auf der obigen Internetseite bestellt werden. Das Besondere ist dabei, dass die Band das Album quasi verschenkt, jedoch die Käufer den Preis selbst bestimmen können, mindestens aber 2 Euro für das Porto bezahlen. Da es sich um eine aufwendige Produktion im vierseitigen Digipak mit zwölfseitigem Booklet handelt, sollte man der fairnishalber mindestens den Preis für eine reguläre CD bezahlen. Es lohnt sich in jedem Fall.

Stephan Schelle, Dezember 2023

   

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