Flaming Bess – Wrinkle Of Time
Eigenvertrieb / www.flaming-bess.de (2023)
(12 Stücke, 79:17 Minuten Spielzeit)

Im Jahr 1979 machte die Düsseldorfer Band Flaming Bess mit ihrem Debütalbum „Tanz der Götter“ Furore. Mit ihrer musikalischen Reise in eine Fantasiewelt um die Hauptfigur Flaming Bess mit ihren kobaltblauen Mandelaugen und ihrem Gatten Arkana schufen sie ein eigenes Genre, das im Sommer 2023 mit Album Nummer 8 (das dritte Album wurde unter dem Pseudonym Key veröffentlicht) mit dem Titel „Wrinkle Of Time“ zu Ende geführt wird.


54 Jahre nach ihrer Gründung, 44 Jahre nach dem Debütalbum und zehn Jahr nach dem letzten grandiosen Werk „Der gefallene Stern“ erscheint im Juni 2023 „Wrinkle Of Time“, das über die Bandeigene Seite bestellt werden kann. Mir lag die CD zur Besprechung vor, die in einem sechsseitigen Digipak mit 24seitigem Booklet herausgekommen ist.

Als Gründungsmitglied sind Hans Wende (Bass, Gitarre) und Peter Figge (Tasteninstrumente) noch dabei. Achim Wierschem (Gitarre, Programmierung, Produktion) gehört seit den frühen 80’er Jahren zu Flaming Bess. Hans Schweiß (Schlagzeug), der Anfang der 80’er schon zur Band gehörte, dann eine längere Pause einlegte, ist 2013 wieder zur Formation gestoßen und seither dabei. Diese Formation, unterstützt von den Sängern Mike Hartmann, Kevin Symonds, der Sängerin Aurora Ferrer, dem Gitarristen Andrés Rexach sowie den Tastenmännern Martin Kuna, Markus Roth und Peter Allion, haben ein Dutzend neuer Stücke eingespielt, die den Silberling mit 79 Minuten Spielzeit komplett ausnutzen. Darüber hinaus spricht den Text in den Stücken „Scriptum Praeterita I“ und „Scriptum Praeterita II“ Dr. Markus Wierschem (Sohn von Achim Wierschem).

Waren die Cover in der letzten Zeit immer von sehr ansprechenden Fantasybildern bestimmt, so ziert das aktuelle Album das Gesicht von Flaming Bess, das sich auch schon auf dem Debütalbum aus 1979 befand. So schließt sich dann auch grafisch der Kreis. Die Rückseite des Digipaks zeigt dann aber doch noch eine Grafik, die zum Albumtitel passt. Das Booklet ist sehr schön gestaltet und beinhaltet eine Menge an Informationen wie etwa die Bandgeschichte sowie Statements der Bandmitglieder über den Entstehungsprozess des Albums und die jahrzehntelange tiefe Freundschaft und Zusammenarbeit als Flaming Bess. Auch eine Timeline, die die Zugehörigkeit der einzelnen Musiker darstellt, ist im Booklet enthalten.

In den Texten hat die Band auch einiges zu ihrer Bandgeschichte einfließen lassen. Im Titelsong „Wrinkle of Time” wird zwischen den Zeilen unsere Bandgeschichte auf metaphorische Weise erzählt: ,,Now here we are again at the end of an age … ” So ist auch das für Flaming Bess typisch lyrische und musikalische Konzept dieses Mal eine Retrospektive auf all das, was schon geschehen ist. In dieses Projekt haben wir unser Herzblut gesteckt: ,, We gave everything until our souls were dry … ” und das ist unüberhörbar.

Musikalisch hat die Band eine eigene Handschrift entwickelt, die zwar im Art-/Progrock verankert, aber immer wieder von verschiedenen stilistischen Elementen durchzogen ist. So ist das auch auf dem aktuellen Werk „Wrinkel Of Time“. Vor allem in den Longtracks und Instrumentals blühen die Musiker aber so richtig auf.

Gestartet wird mit dem 6:58minütigen „Shadows Of Dawn“ das von Mike Hartmann gesungen wird. Recht funkige Gitarren mischen sich in diesen proggigen Track. Gastgitarrist Andrés Rexach verziert dieses Stück mit einem sehr schönen Gitarrensolo.

Bei Flaming Bess gehört es dazu, dass die Alben durch einen gesprochenen Text in ihre Fantasywelt eingeführt werden. Während die Songs auf Englisch eingesungen wurden, ist der gesprochen Text auf Deutsch. Der erste Teil wird im 2:28minütigen „Scriptum Praeterita I“ von Dr. Markus Wierschem gesprochen. Sein Text ist von atmosphärischen elektronischen Sounds (Flächen, Harmonien) unterlegt.

Dann folgt mit dem 14:15minütigen Titelstück das erste Highlight des Albums. Proggige Keyboards und eine sanfte Pianomelodie eröffnen das Stück, das wieder von Mike Hartman gesungen wurde und anfangs eine leichte Prise Alan Parsons beinhaltet (was die Melodieführung betrifft). Ab Minute Zwei steigen die anderen Musiker mit ein und es entwickelt sich ein sanfter proggiger Song. Der Song ist von herrlichen Gitarrenmotiven bzw. -Soli durchzogen. Nach gut viereinhalb Minuten kommt ein Synthmotiv auf, das von Martin Kuna eingespielt wurde. Das ist einfach grandios gemacht.

Atmosphärisch zeigt sich dann das 4:40minütige Instrumental „On The Edge“, bei dem erneut André Rexach ein Gitarrensolo beisteuerte. Darauf folgt aber mit dem 9:40minütigen „Distance“ gleich ein weiterer Longtrack. Sanfte Keyboardflächen, auf die sich eine Pianomelodie legt, starten in dieses Stück, das von Kevin Symonds gesungen wird. Die ersten vier Minuten sind aber instrumental. Achim zaubert dabei auf seiner Gitarre mit unglaublichem Gefühl ein wunderbares Solo. In der zweiten Hälfte zeigt sich „Distance“ als sehr intimes Stück, was vor allem auch an Kevins Gesang liegt.

„Cold Comes The Night“ ist ein Stück, dass das musikalische Markenzeichen von Flaming Bess gut widerspiegelt. Die Band zaubert in dem 6:21 Minuten langen Instrumentalstück eine sanfte Atmosphäre, durchzogen von einer sehr schönen Melodie, die für Gänsehaut sorgt. Rockiger wird es dann zunächst im 6:43minütigen „Time Flies“. Das Stück wechselt aber mehrfach Struktur, Melodie und Rhythmus. Das ist hochgradig spannend. Sehr gut gefällt hier auch das von Hans Wende markante Bassspiel.

Aurora Ferrer übernimmt dann im 5:57minütigen „Dreamfall“ den Gesang. Herrliche Gitarren und Keyboardflächen haben etwas von Genesis und vermischen sich mit einer Melodie, die wie für einen James Bond Film gemacht ist.

Es folgen noch das über weite Strecken sanfte „Wind Of Hope“, das aber auch leichtes Popfeeling verströmt, das balladeske „Now I Regret“, das auch aktuelle Popeinflüsse beinhaltet sowie das wieder mit deutschem Text versehene „Scriptum Praeterita II“.

Das Album wird dann mit einem weiteren Highlight, dem 10:54minütigen „Universal Mind“ abgeschlossen. Hier trifft Art-/Progrock auf Melodic Rock. Die Band spielt in diesem Song auch mit der Dynamik. Ein hochgradig spannender Song, der über die volle Länge fesselt.

Auch wenn die Musiker nicht mehr zu den Jüngsten gehören, so zeigen sie sich doch von ihrer spielfreudigen Seite und man mag kaum glauben, das dies schon der Abgesang auf Flaming Bess sein soll. „Wrinkle Of Time“ ist ein klasse Art-/Progrock-Album geworden, das ich jedem Fan dieses Genres nur wärmstens ans Herz legen kann.

Stephan Schelle, Juni 2023

   

CD-Kritiken-Menue