Die Priester – Spiritu Dei

Die Priester – Spiritu Dei
KOCH / Universal (2011)
(11 Stücke, 37:10 Minuten Spielzeit)

Vor einigen Tagen ereichte mich eine etwas merkwürdige CD, bei der schon der Titel bzw. Projektname verrät, um was er hier zu gehen scheint. Um den Hintergrund ein wenig zu beleuchten hier erst einmal ein Auszug aus dem Pressetext: Kann Kirchenmusik den Pop-Himmel erklimmen? Kann Popmusik – von Priestern gesungen – Gottvertrauen vermitteln? Ungewöhnliche Themen, die am Anfang eines außergewöhnlichen Vorhabens standen. Themen, die Abtprimas Dr. Nokter Wolf in Rom und den Zisterzienser Mönch Karl Wallner vom Stift Heiligenkreuz bewegten, als es um die besten Kandidaten für ein einzigartiges Musikprojekt ging.


Aus vielen Gesprächen kristallisierten sich die richtigen Stimmen heraus: Pater Vianney Meister, Abt Rhabanus Petri und der Diözesanpriester aus Wien Andreas Schätzle. Drei Priester, deren Alltag von Gebet und kirchlicher Arbeit geprägt ist, und deren Herzen für Musik und Singen schlagen. Ihre Stimmen berühren. „Wir wollen mit unseren Liedern Hoffnung und Begeisterung auslösen, und auch helfen über Schmerzen im Leben hinweg zu kommen,“ ist das einhellige Credo von allen dreien. Die Musik der Priester geht direkt ins Herz, sie spendet Freude, wenn man die Lieder einfach nur hört, sie tröstet, wenn es einem schlecht geht. Und sie ist ungewöhnlich. Zum Kirchenlied „Tantum Ergo“ schwingt beispielsweise ein Bolero im Hintergrund. Das Lied „Oh Haupt voll Blut und Wunden“ singen die Priester voller Mitgefühl, mit Hip-Hop-Beats unterlegt erklingt es so, als ob es einem Film entnommen wäre. Und zu „Glorificamus Te“ begleitet den Gesang der Priester melodisch die Musik von Tschaikowskys Schwanensee. Kombinationen also, die für die Ohren etwas völlig Neues sind.

Nicht nur die großen alten Komponisten Händel, Bach, Tschaikowsky, Beethoven, Smetana findet man dabei auf der Debut-CD „Spiritus Dei“ in einer zeitgemäßen Umsetzung. Auch Popsongs singen die Priester auf der CD auf einzigartige Weise: „Hallelujah“ von Leonard Cohen oder „Dieser Weg“ von Xavier Naidoo. „Am Anfang sangen die drei die Poplieder ganz gradlinig, mehr in der Art von Kirchenliedern, aber nach einiger Zeit brachten sie einen unverwechselbaren Stil in die Songs,“ erinnert sich Produzent Thorsten Brötzmann an die Arbeit im Studio. Das Ergebnis ist eine Art von neuem „kirchlich gesungenem Gefühl.“: ungewöhnlich, überraschend und erquickend für die Seele.

Ich muss schon sagen, dass ich sehr irritiert war, als ich diese Scheibe im Briefkasten fand. Auch für mich als Christ ist es gewöhnungsbedürftig, wenn kirchliche Lieder in ein kommerzielles Gewand gepackt werden. Und das Musik der Seele gut tut, das hat nichts mit kirchlichem Gesang zu tun, sondern ist allein der musikalischen Neigung des Zuhörers geschuldet.

Meine Promo-Version beinhaltet elf Stücke (ohne das Stück „Dieser Weg“), deren Laufzeiten zwischen 2:34 und 4:34 Minuten liegen. Gestartet wird mit dem Titelstück, bei dem eine Kirchenorgel erklingt und die deutsche Synchronstimme von Jack Nicholson einen lateinischen Text spricht. Dann kommt der Chor der drei Priester ins Spiel und es klingt sehr orchestral und sakral zugleich. Und auch in diesem Stück liegt im Hintergrund ein Bolerohafter Rhythmus, ergänzt um eine spanische Akustikgitarre. Irgendwie kommt mir hier zu viel Pathos aus den Boxen, als das es auf mich wirkt.

Wie eine mittelalterliche Folknummer kommt zunächst „Oh Haupt voll Blut und Wunden“ daher. Aus meiner Sicht geht das eindeutig in Richtung sanfter Mittelalterrock. Hier muss ich sagen, dass dieser Song schon irgendetwas Mystisches besitzt. Auch wenn dann der Hip-Hop-Rhythmus einsetzt, verliert das Stück nicht an Intensität. „Glorificamus Te“ mit der Musik von Tschaikowskys Schwanensee ist schon recht gewöhnungsbedürftig. „Hallelujah“ von Leonard Cohen sticht dagegen aus dem Album raus, weil es mit herrlichem Satzgesang ehr wie eine nostalgische Popnummer wirkt. Die restlichen Lieder schwanken zwischen Klassik, christlicher Musik und mittelalterlichem Folk mit Popeinschlag.

Das Album „Spiritus Dei“ hinterlässt bei mit ein recht zwiespältiges Gefühl. Muss es tatsächlich sein, dass man kirchliche Musik in ein Popkorsett schnürt, um damit Geld zu machen? Ich kann dieser CD nicht wirklich viel abgewinnen, auch wenn das ein oder andere Stück schon seinen Reiz hat, aber das muss jeder für sich entscheiden. Antesten kann man es ja auf jeden Fall mal.

Stephan Schelle, Oktober 2011

   

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