Dennis Rea – Giant Steppes
MoonJune Records (2021)

(4 Stücke, 49:30 Minuten Spielzeit)

Der seit Mitte der 1970er Jahre aktive Gitarrist, Komponist und Arrangeur Dennis Rea hat innovative Gruppen wie Moraine, Iron Kim Style, Zhongyu, LAND, Savant und Earthstar geleitet oder maßgeblich mitgestaltet und mit so prominenten kreativen Musikern wie Hector Zazou, Stuart Dempster, Cui Jian, Albert Kuvezin, Klaus Schulze, Han Bennink, den Hawkwind-Mitgliedern Nik Turner und Michael Moorcock und Mitgliedern von King Crimson, R.E.M., Pearl Jam, Soundgarden, Santana, Ministry, und dem Sun Ra Arkestra gearbeitet. Er hat zahlreiche Auftritte in den USA und in China, Russland, Deutschland, Großbritannien, Taiwan und Mexiko absolviert.


Bis heute ist er auf etwa 40 Aufnahmen für MoonJune Records und andere Labels zu hören. Er ist auch der Autor von „Live at the Forbidden City: Musical Encounters in China and Taiwan“, eine Chronik seiner Abenteuer als einer der ersten progressiven westlichen Musiker, die in China auftraten, und „Tuva and Busted“, ein Bericht über seine weiteren musikalischen Wanderungen in Zentralasien. Reas Arbeit hat sich zunehmend darauf konzentriert, musikalische Traditionen aus der ganzen Welt auf persönliche Weise zu verbinden, wie auf seinen wegweisenden Alben „Views From Chicheng Precipice“ und „Giant Steppes“ zu hören ist.

„Giant Steppes“ wurde über mehrere Jahre in Seattle und Sibirien aufgenommen und ist das bisher ehrgeizigste Album des unberechenbaren Gitarristen/Komponisten/Arrangeurs, der Wüstenklänge der Seidenstraße, russische Chorgesänge, tuwinischen Kehlkopfgesang und mutierten tibetischen Pop mit einer fröhlichen, aber respektvollen Missachtung der Reinheit des Genres miteinander verbindet.

Dennis Rea sagt über das Album: „Genau wie meine 2010 bei MoonJune Records erschienene Veröffentlichung „Views from Chicheng Precipice“ ein unorthodoxer klanglicher Liebesbrief an die traditionelle Musik Ostasiens war, wirft „Giant Steppes“ einen ähnlich kapriziösen Blick auf die traditionelle und moderne Musik Zentralasiens - in diesem Fall die uigurische Heimat Xinjiang, die Altai- und Tuva-Regionen Russlands und Tibet - durch die Linse meiner persönlichen Erfahrungen an diesen Orten und meiner eigenen gemischten musikalischen Interessen. Es ist kein Versuch der Authentizität, sondern eine ernsthafte Untersuchung der verlockenden Möglichkeiten, die die musikalischen und geografischen Quellen nahelegen. Ich bin voller Demut über die Großzügigkeit meiner Mitarbeiter und widme diese Musik mit Liebe und Respekt den Landschaften, Menschen und der Tierwelt im Herzen Asiens.“

Dennuis Rea hat auf „Giant Steppes“ für westliche Ohren außergewöhnliche Klänge eingefangen und sie mit rockigen, jazzigen Elementen versehen. Das zeigt sich bereits auf dem ersten der vier Tracks auf dem Album, dem 16:39minütigen „Live At Gaochang“. Dabei handelt es sich im Ursprung um ein traditionelles uigurisches Lied, das Dennis Rea neu arrangierte. Neben Dennis Rea, der Gitarren spielt, sind noch Dick Valentine (Saxophon), Greg Kelly (Trompete) Stuart Dempster (Didgeridoo), Greg Campbell (Frech Horn) und Don Berman (Schlagzeug, Perkussion) mit im Team. Das Stück klingt zunächst sehr traditionell. Nach drei Minuten unterbricht der Klang des Didgeridoo’s die Stimmung und es klingt für gut anderthalb Minuten recht bedrohlich. Dann geht das Ganze aber wieder in einen gemächlichen Part über, der wiederum sehr traditionell klingt aber schon einige westliche Töne mit einbringt. Jetzt entwickelt sich der Track zu einem moderneren Sound, der aber den Ursprung nicht verleugnet. Das klingt ungewöhnlich, ist aber auf eine gewisse Weise doch sehr spannend.

Beim 8:45minütigen „Altai By And By“ handelt es sich um eine russische Volksweise aus Zentralasiens. Hier hat Dennis Rea alle Instrumente selbst eingespielt während der traditionelle Gesang von Juliana & PAVA beigesteuert wurde. Das Ganze ergänzt Dennis dann noch um einige Gitarrenparts/-soli, die einen leicht rockig/jazzigen Anstrich haben. Am Besten gefällt der Instrumentalteil. Auf den traditionellen Gesang muss man sich aber einlassen können. Für westliche Ohren schon etwas gewöhnungsbedürftig.

Der 9:56minütige Song „Wind Of The World’S Nest“, dessen Grundlage in Tuvan liegt, bietet dann Obertongesang (von Albert Kuvezin) zu recht rockig/jazziger Musik. Das klingt teils auch recht proggig und geht gut ins Ohr. Das letzte Stück, das 14:07minütige „The Fellowship Of Tsering“, bietet dann zunächst recht rockige Klänge. Eine schöne Orgelpassage eröffnet dieses Stück, das schnell an Fahrt gewinnt. Erst nach mehr als vier Minuten kommen düstere Klänge auf, die für einen Break sorgen. Diese düstere, etwas experimentell wirkende Stimmung löst sich dann erst nach fast zwölf Minuten auf um den Track wieder recht rockig zu beenden.

„Giant Steppes“ von Dennis Rea ist ein außergewöhnliches Album, bei dem vor allem die rockigen Passagen überzeugen. Für westliche Ohren ist sicherlich das Stück „Altai By And By“ aufgrund des Gesangs etwas schwierig. Die restlichen Stücke können aber voll überzeugen. Wer sich auf asiatisch angehauchte Musik mit rockigen und jazzigen Passagen einlassen kann, bekommt ein außergewöhnliches Album.

Stephan Schelle, Juli 2021

   

CD-Kritiken-Menue