Daymoon – Cruz Quebrada
Progressive Promotion Records (2016)

(8 Stücke, 71:07 Minuten Spielzeit)

Daymoon ist eine Band aus Portugal um ihren Leader Fred Lessing. „Cruz Quebrada“ heißt das mittlerweile dritte Album der Band, was soviel wie gebrochenes Kreuz bedeutet und gleichzeitig der Name eines Strandabschnittes eines Lissabonner Vorortes ist. Der Titel hat aber auch noch eine andere Bedeutung, denn Fred Lessing verarbeitet auf diesem Konzeptalbum den Tod seiner Frau Inês, die im Jahr 2012 an Darmkrebs verstorben ist. 


Lessing verarbeitet in den Songs die Zeit vor und nach dem Tod seiner Frau. Entsprechend düster fällt das Werk aus. Die ersten sieben Songs, mit „Out“ überschrieben, hat Lessing kurz vor sowie einige Monate nach ihrem Tod geschrieben. Der zweite, 25minütige Teil der CD ist mit „In“ überschrieben und enthält das in neun Songs unterteilte Werk „The River“. Diese Stücke sind zwischen 2014 und 2015 entstanden und bedeuten Fred’s Rückkehr ins Leben (2.0).

Neben Multiinstrumentalist Lessing (Gesang, Gitarren, Bass, Flöte Keyboards, Percussion, Baroque Recorder, African Xylophon, Anklung, Blues Harp, Field Recordings) gehören noch André Marques (Schlagzeug, Percussion, Keyboards, Gesang, Bass, Field Recordings), Bruno Evangelista (Gesang) und Adriano Pereira (Klarinette) zur Band. Daneben wirkten noch zahlreiche Gastmusiker mit.

Mit Geräuschen beginnt der Opener, das 2:28minütige „Cruz Quebrada“. Gesang und Atmosphäre erinnern zunächst an Pink Floyd / Roger Waters, doch abrupt bricht ein akustisches Gewitter über den Hörer ein, wenn Fred die Worte „Stop the world, the woman is dead“ spricht. Zum Ende hin wird das Stück ruhiger und leitet mit einer melancholischen Melodielinie aus. Das ist ein sehr bedrückender Beginn und macht die ganze Gewalt, mit der ein derartiges Ereignis in ein Leben brechen kann, deutlich. Diese zweieinhalb Minuten stellen schon die Essenz Lessing’s Erfahrung dar. Nach dem ersten Einlegen der CD war ich nicht sicher, ob ich das weiterhören wollte.

Es folgt „Fish Dissected“, das mit Spinett/Klavier artigen Klängen beginnt. Anfangs ist dieser Track noch recht harmonisch/melancholisch und geht in einen kurzen Teil über, der gar an Mike Oldfield erinnert. Doch sobald dann die Klarinette einsetzt wird es verschroben und leicht schräg. Man hat das Gefühl als würde hier Rockmusik mit traditioneller portugiesischer Folklore vermischt. Auch das Arrangement ist jetzt, obwohl sich der Song nach der Klarinetteneinlage wieder harmonischer zeigt, etwas konfus. Allerdings wird das genau die Stimmung von Lessing widerspiegeln. Streicher sind in „Where It Hurts Most“ zu hören. Wehmut sowie eine Spur Roger Waters machen sich zwischendurch breit. Weiter geht es mit „Shipwreck“, das einige floydige Momente mit druckvollem Progrock verbindet. Das anderthalbminütige „Over The Cliff“ ist eine Soundcollage aus teils sägenden Gitarrenklängen. Es wirkt verstörend. Lessing scheint hier am Scheideweg gewesen zu sein, an dem er sich entscheiden muss weiterzuleben und loszulassen. Mit dem nicht leicht verdaulichen, 15:24minütigen „Thyme“ endet der erste Teil des Album. Dieser Longtrack ist eine wahre Achterbahn der Gefühle und nicht leicht verdaulich. Herrliche Passagen, deren Gitarren an Genesis erinnern stehen im Kontrast zu Noiseartigen, folkloristischen Teilen.

Im zweiten Teil „The River“, dessen neun Stücke nahtlos ineinander übergehen, werden dann auch die Klangfarben heller und der Gesamteindruck optimistischer. Verschiedene Instrumente sorgen für unterschiedliche Stimmungen, die mal in Singer/Songwriter, Folk, Rock mit Pink Floyd und Roger Waters-Anleihen oder gar jazzige Passagen gehen. Sehr schön ist zum Beispiel „I, Abraham“. Unterlegt wird das alles mit zahlreichen Einspielungen, wie Stimmen oder Geräusche, die von Lessing und Marques aufgenommen wurden.

„Cruz Quebrada“ ist ein intensives Album. das man am Stück hören muss. Manchmal verstörend, dann wieder proggig und harmonisch, so wechseln sich die Parts in den Stücken ab. Das Album ist nicht leicht zu konsumieren und man muss sich darauf einlassen. Ich empfehle zunächst einmal Probe zu hören.

Stephan Schelle, Mai 2016

   

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