Crayon Phase – Two Hundred Pages
Progressive Promotion Records (2019)

(9 Stücke, 75:08 Minuten Spielzeit)

Crayon Phase nennt sich eine deutsche Progressive Rock Band aus dem Ruhrgebiet, die sich bereits im Jahr 2008 zusammengefunden hat. Von der Gründungsformation sind noch Frank Wendel (Keyboards), Wolfgang Bähr (Gitarren) und Arne Gröschel (Schlagzeug) an Bord. Im Jahr 2012 erschien dann ihr Debütalbum mit dem Titel „Within My Recollection“, das mir aber nicht bekannt ist. Am 10.10.2019 folgt nun der Nachfolger, der den Titel „Two Hundred Pages“ trägt. Neben den oben erwähnten Musikern gehören anno 2019 noch Raphael Gazal (Gesang) und Peter Damm (Bass) zur Formation. 


In den Rezensionen des Debütalbums wurde häufig der Gesang von Frank Wendel kritisiert. Darauf haben die Ruhrpöttler reagiert, denn sie haben mit dem aus Brasilien stammenden Sänger Raphael Gazal einen richtig Guten ans Mikro bekommen. Seine Stimme ist variantenreich und verleiht den Songs – je nach Stimmungslage – das nötige Esprit.

Crayon Phase legen mit „Two Hundered Pages“ ein Konzeptalbum vor, dessen Story auch für einen guten Thriller geeignet ist. Und so ganz unbekannt ist die Grundidee nicht, denn es geht um einen Protagonisten, der unter einer Form der anterograden Amnesie leidet. Er wacht jeden Morgen auf und kann sich nicht mehr an die Ereignisse des Vortages erinnern. Dazu kommt, dass er immer und immer wieder in die kriminellen Machenschaften einer Verbrecherorganisation hineingezogen wird. Durch die Aufzeichnungen in seinem Tagebuch kommt er dann allmählich der Ursache auf die Spur und kann so einen Ausweg finden. Das Ganze verpacken Crayon Phase dann in ein NeoProg-Gewand mit leichten Metal-Anklängen. Aber wie sie dies machen, ist äußert gelungen, denn zu keiner Zeit wird der 75minütige musikalische Trip langweilig.

Gestartet wird mit einem 3:14minütigen instrumentalen Prolog („Prologue“), in dem ein Erzähler in die Story einleitet. Den einzelnen Songs hat die Band Uhrzeiten zugewiesen. Und so beginnt der Prolog um 23 Uhr des Vortages mit dem Erzähler und Sprachschnipseln aus Nachrichtensendungen. Dabei werden sowohl symphonische, proggige wie auch Metalmäßige Passagen zu einer Ouvertüre verpackt, die einen Spannungsbogen aufbaut und die Neugier steigen lässt.

Nahtlos geht es dann in den Titeltrack über. Es ist 9:00 Uhr am Morgen danach (nach dem „Prologue“) und der Hörer wird zu Beginn dieses 11:39minütigen Tracks von einer sehr schönen Pianomelodie empfangen um die sich Raphael‘s Stimme sanft und eindringlich legt. Nach wenigen Momenten zieht die Band den Rhythmus an und bewegt sich nun im Neo-Prog. Raphael‘s Stimme passt sich sofort der Stimmung an und man merkt, dass er in jeder Phase (ruhige und sanfte sowie kraftvolle und metallische Passagen) eine gute Figur macht. In diesem ersten Track wechseln sich – wie bei einem guten Longtrack auch zu erwarten ist – Strukturen, Melodielinien und Rhythmen ab, ohne an Spannung zu verlieren. Dieses Stück steht für die sechs weiteren Longtracks (der Abschlusstitel „201“ ist mit 1:07 Minuten der kürzeste des Albums), die von herrlichen Soli, rockigen und symphonischen Phasen durchzogen sind. Damit erfinden sie das Rad zwar nicht neu, bieten aber sehr gute Unterhaltung.

Die CD erscheint in einem vierseitigen Digipack, dem ein 20seitiges Booklet mit allen Texten und einigen düsteren Bildern (die zum Thema passen) beigelegt wurde.

„Two Hundred Pages“ ist für mich das erste Zusammentreffen mit der Musik der aus dem Ruhrgebiet stammenden Band Crayon Phase. Und die Jungs haben mich sofort auf ganzer Linie mit ihrem Neo-Prog, der zeitweise durch Metalelemente verziert wurde, überzeugt. Vor allem der neue Sänger macht eine ausgesprochen gute Figur.

Stephan Schelle, November 2019

   

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