Blanko
(9 Stücke, 38:03 Minuten Spielzeit)

Nach den beiden Alben „The MagiX Box“ und „Loopings“ erschien am 31.03.2017 das dritte Album von Cinema, dem Musikprojekt des ehemaligen Tibet-Gitarristen Jürgen „Pöngse“ Krutzsch. Es trägt den Titel „The Discovering Of Time“ und enthält Stücke, die in der Zeit zwischen 2011 und 2015 entstanden sind. Krutzsch bildet seit mehreren Jahren zusammen mit Brigitte Grafe (ex-Absaits) ein kreatives Duo. Grafe dabei für Programmierung und den Mix verantwortlich.


Jürgen Krutzsch, der ansonsten alle elektronischen Instrumente spielt, ist aber nicht allein ans Werk gegangen, sondern hat sich Hilfe von renomierten Musikern geholt. Mit AXXIS-Schlagzeuger Dirk Brand hat er einen der besten Schlagzeuger Deutschlands ins Boot geholt. Außerdem sind dabei die Gitarristen Jörg Dudys (Jule Neigel Band, Nena, Xavier Nadoo und Wolfgang Niedecken), Christian Schwarzbach und Benjamin Peiser. Und genau diese Gastmusiker, die bei einigen Stücken ihre Beiträge liefern, sind das Salz in der Suppe von Cinema. Sie geben der elektronischen Musik eine weitere Komponente. Für das richtige Mastering sorgte erneut Eroc (Grobschnitt).

Auf dem neuen Album mischt Krutzsch Ambient, traditionelle elektronische Musik der Marke Tangerine Dream & Co. mit rockigen Elementen und erschafft so einen neuen Soundkosmos. Die zehn Instrumentaltracks des Albums bewegen sich zwischen 4:05 und 7:44 Minuten Länge.

Der fünfminütige Opener „Riding The Iron Horse“ ist ein echter Knaller, bei dem herrliche Harmonien und ein knackiger Beat von Krutzsch ab der Hälfte des Stückes auf die mitreißenden Gitarrenläufe von Benjamin Peiser treffen. Für mich ist dieses Stück schon eines der Highlights des Albums. „Lost In Space“ zeigt sich dagegen von einer sehr spacigen Seite. Sanft, fast sakral wirken die ersten elektronischen Klangformationen. Dann setzt ein dezenter Rhythmus (wie eine tickende Uhr) ein, der dann in weitere Flächen überleitet. Der Track schwebt quasi durch unseren Orbit und wird durch die sphärische Gitarrenarbeit von Jörg Dudys und einem pulsierenden Rhythmus noch verstärkt. Hier klingt eine Spur Tangerine Dream & Co. durch.

„Frozen Time“ bietet atmosphärische Sounds mit herrlichen, sanften Gitarrenparts von Christian Schwarzbach. In diesem Stück kann man förmlich die Eisblumen am Fenster wachsen sehen. Ein traumhaftes Stück, in das man sich fallen lassen kann. „Springtime“ mit seinen anfänglich perlenden Klangfarben wechselt im weiteren Verlauf in einen Track, der ein wenig an Michael Rother erinnert, was durch Jörg Dudy’s Saitenbearbeitung hervorgerufen wird. Auch Strukturen, die an Harald Nies oder F.D. Project erinnern, kommen in diesem Track auf.

Sehr perkussiv zeigt sich dann „Big City Night“ das mit loungigen Elementen - inkl. Trompetensounds - versehen ist. Dabei kann man sich gut eine Skyline bei Nacht vorstellen. Leichtes Ashra-Flair kommt dann zu Beginn in „Melting Ice“ auf. Diesen atmosphärischen Track mit seiner herrlichen Pianomelodie verziert Christian Schwarzbach durch wunderbare Gitarrenlicks. Ein traumhaftes Stück, das nach dem Beginn eine rockige Note bekommt. Ein weiteres Highlight des Albums, bei dem der Hörer von den Gitarrensaiten gefangen genommen wird.

AXXIS-Schlagzeuger Dirk Brand zeigt im Track „Diving Into The Devil’s Hole“ das er nicht nur in der Lage ist eine Hardrockband nach vorn zu treiben, sondern das er auch einem Track der elektronischen Musik den richtigen Drive verleihen kann, ohne dominant zu wirken.

Im Track „The Children Of Syria“ widmet sich Krutzsch der dramatischen Lage in dem Kriegsumkämpften Land. Sehr gefühlvoll geht er in diesem Track zu Werke. Dem schließt sich dann das recht loungige „Down To The Caves Of No Return“ an. Mit sanften Flächen, denen rhythmische Sequenzen und Gitarreneinschübe von Christian Schwarzbach hinzugefügt werden (die teils einen floydigen Ansatz haben), verabschiedet uns Krutzsch dann mit dem Titelstück aus dem Album.

„The Discovering Of Time“ ist ein wirklich klasse Album, bei dem Jürgen Krutzsch und seine musikalischen Gäste die Grenzen zwischen Elektronikmusik und atmosphärischem Rock aufheben. Herrliche Melodien und Harmonien treffen auf atmosphärische Gitarren und druckvolle Rhythmen.

Stephan Schelle, April 2017

   

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