Chandelier – We Can Fly
Eigenproduktion (2023)

(7 Stücke, 51:22 Minuten Spielzeit)

Chandelier ist eine Band aus Neuss. In den 90’er Jahren veröffentlichten sie drei hervorragende Alben. Doch dann war erst einmal Pause. Als die drei Alben in 2018 und 2019 in von Eroc remasterten Wiederveröffentlichungen als DoppeCDs mit reichlich Bonusmaterial herauskamen, wuchs erneut das Interesse an der Band und sie bekam eine Einladung zum Night Of The Prog 2019, die sie zum Glück annahmen. Das eröffnete ihnen eine neue Klientel. Das NOTP-Konzert ist auf CD im Jahr 2020 unter dem Titel „Live At Loreley“ erschienen. Das neue Album trägt den Titel „We Can Fly“ (nach einer Textzeile aus dem Song „Spring“).


Es sollten noch weitere Konzerte folgen, die aber wegen der einsetzenden Corona-Epedemie ausfallen mussten. Am 13.11.2021 fand dann aber glücklicherweise ein Nachholkonzert in der Zeche Carl in Essen statt, bei dem die Band drei neue Songs vorstellte. An diesem Tag machte, Chandelier auch schon Hoffnung auf ein neues Album, das nun endlich am 20.10.2023 in Eigenregie veröffentlicht wird.

Zum Kern der Band gehören Martin Eden (Gesang), Udo Lang (Gitarren), Armin Riemer (Keyboards), Herry Rubarth (Schlagzeug) und Christoph Tiber (Bass). Darüber hinaus hat noch Toni Moff Mollo (ex-Grobschnitt), der auch schon einen Song auf dem 92’er Album „Facing Gravity“ gesungen hatte, bei vier Stücken Gesang beigesteuert. Und Rüdiger Blömer, der bei der deutschen Rockband Flying Circus Geige und Keyboards spielt, hat bei den Stücken „Space Controller“ und „In Between“ Streicher-Arrangements geschrieben und selbst alle Violin-, Viola- und Cello-Parts eingespielt.

Das Album erscheint in einem vierseitigen Papersleeve mit 16seitigem Booklet. Geziert wird das Cover von einer über einen Strand oder einer Wüste fliegenden Robbe. Das zeugt von dem Humor der Musiker.

Gestartet wird mit dem 7:40minütigen „Space Controller“, das schon alle Zutaten des Chandelier-Sounds aufweist. Der an Neo-Prog erinnernde Sound ist dabei sofort zu erkennen. Ein weiters Merkmal von Chandelier ist darüber hinaus der sehr markante Gesang von Martin Eden, der einen hohen Wiedererkennungswert besitzt. Der melodische Song ist von herrlichen Instrumentalpassagen durchzogen, die an einigen Stellen auch an den 70’er Jahre Rock andocken.

Im zweiten Song „Help Me“ tritt dann neben Martin Eden auch erstmals auf diesem Werk Toni Moff Mollo ans Mikro. Der eingängige Song begeisterte schon beim 2021’er Gig in Essen. Martin und Toni liefern sich in diesem Song ein sehr schönes Duett. Der Song ist sehr gut aufgebaut und besitzt neben dem rockigen auch einen ruhigen, atmosphärischen Part und bekommt in der zweiten Hälft durch das herrliche Gitarrenspiel auch ein bisschen Genesis-/Marillion-Flair.

Mit 10:09 Minuten Spielzeit ist „Spring“ der zweitlängste Track des Albums. Chandelier verstehen es zu Beginn eine atmosphärisch dichte Stimmung aufzubauen, die sich dann in einen sanften, proggigen Song entwickelt. Im Mittelteil lässt sich die Band dann Zeit für einen ausgiebigen Instrumentaltgeil der begeistert.

Symphonisch startet das 4:45minütige „In Between“, was vor allem an den herrlichen Streicherarrangements von Rüdiger Blömer liegt. Auch in diesem Song unterstützt Toni Moff Mollo am Mikro, was dem Song eine ganz besondere Note verleiht. Rockiger geht es dann im 4:52minütigen „Mixed Magnificent Arts“ weiter, der auch schon 2021 auf der Setlist stand. Hier geht jetzt die Post proggig ab. Ein Song der durch seine Melodie glänzt.

Das 2:24minütige „Light“ bei dem Martins Gesang von einer Sequenz aus dem Werk „On The Seven Colors Of Light“ des slowakischen Komponisten Peter Machajdík unterlegt ist, ist quasi eine Einleitung zum letzten Track, dem 15:04minütigen „Forever And A Day“, das ebenfalls bei dem Konzert in 2021 seine Premiere hatte. „Light“ wirkt durch den Orgelsound recht sakral. Das Gesangsthema aus diesem Song wird dann in „Forever And A Day“ übernommen. In beiden Stücken ist auch Toni Moff Mollo wieder als Sänger präsent. „Forever And A Day“ zeigt sich - wie die Band es mit einem Augenzwinkern selbst nennt - als Shanty-Prog. Das liegt vor allem daran, dass hier neben dem herrlichen Prog-Sound auch Folk und Passagen, die wie Seemannslieder wirken, eingebaut wurden. Hervorheben muss man auch die sehr schönen Keyboardpassagen, die unter die Haut gehen.

Das neue Album „We Can Fly“ der deutschen Rockband Chandelier erfüllt alle Erwartungen, die nach den grandiosen Konzerten aufkamen. Der Spirit und der Sound, den die Band bereits in den 90’er Jahren entwickelte, ist deutlich zu erkennen und wurde mit weiteren Elementen versehen. Ein klasse Album, das die Band endlich bekannter machen sollte. Im Winter 2023 und Frühjahr 2024 finden einige Konzerte zusammen mit der Band Flying Circus statt, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

Stephan Schelle, November 2023

   

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