Brian May – Another World
EMI/Universal Music (1998 / 2022)

(28 Stücke, 101:37 Minuten Spielzeit)

Sechs Jahre nach seinem Solodebüt „Back To The Light“ legte der Queen-Gitarrist Brian May im Jahr 1998 sein zweites Soloalbum nach. Am 22.04.2022 wird dieses Album in verschiedenen Versionen im Rahmen der „Brian May Gold Series“ wiederveröffentlicht. „Wir haben es überarbeitet und neu gemastert, aber mit den exakten Originalmixen. Ursprünglich erschienen vor 24 Jahren, erfährt ‚Another World’ jetzt eine Wiedergeburt – in seiner ursprünglichen Form.” – Brian May. 2022


Gleich nachdem Brian May seine Tournee zu seinem ersten Soloalbum „Back to the Light“ beendet hatte, begann er, sich für neue Möglichkeiten und Ideen zu öffnen. „Ich bekam viele kleine Anfragen, Aufträge, Impulse und Inspirationen von außen“, berichtete Brian, der diese „Impulse“ aufnahm und sie nach seinen eigenen Vorstellungen zu einem damals neuen Soloalbum formte. „Another World“ ist die zweite Veröffentlichung in Brians Gold Series-Reihe und ein eindrucksvolles, raues Werk. Die Neuauflage erscheint am 22. April in mehreren Formaten als 2CD+LP-Boxset, 2CD-Set, CD, Vinyl, Cassette und in digitalen Formaten. Parallel dazu erscheint mit „On My Way Up“ auch die Originalsingle aus dem Album.

Mir lag zur Besprechung die 2CD Expanded Version vor, die auf CD 1 das remasterte Originalalbum beinhaltet und eine weitere CD mit 15 Bonustracks enthält. Die CD erscheint in einem sechsseitigen Digipack und 24seitigem Booklet. Musikalisch ist es eine Steigerung zu seinem Solodebüt.

Unterstützt wurde May (Gesang, Gitarren, Bass, Keyboards, Programmierung) von zahlreichen Musikern, darunter Schlagzeuger Cozy Powell, der noch vor der Albumveröffentlichung auf tragische Weise ums Leben kam, Neil Murray (Bass), Foo Fighters-Schlagzeuger Taylor Hawkins und Jeff Beck (Gitarre). Neben zehn Eigenkompositionen finden sich auch drei Coverversionen auf dem Album („One Rainy Wish“ von Jimi Hendrix, „Slow Down“ von Larry Williams und „All The Way From Memphis“ von Ian Hunter, bei dem Hunter auch als Special Guest mitwirkte).

Bei seiner ursprünglichen Veröffentlichung im Jahr 1998 wurde das Album von der Presse gefeiert und brachte vier elektrisierende Singles hervor: „The Business (Rock on Cozy Mix)“, ‚“On My Way Up“, „Another World“ und „Why Don’t We Try Again“. Außerdem führte das Album Brian May und seine Band auf eine äußerst erfolgreiche 42-tägige Tournee rund um den Globus mit ausverkauften Konzerten in prestigeträchtigen Veranstaltungsorten wie der Londoner Royal Albert Hall.

Das 0:48minütige „Space“, mit dem das Album beginnt, ist die Ouvertüre des Albums und beschäftigt sich mit der Idee, Räume zu öffnen, in denen man sicher atmen und kreativ tätig sein kann. Dem schließt sich nahtlos „Business“ an, eine kraftvolle Hymne und dem unverwechselbaren Brüllen der Red Special-Gitarre – ursprünglich 1993 von Brian in Auftrag gegeben für die britische TV-Show „Frank Stubbs Promotes“. Dieser Song klingt deutlich nach Queen.

Brian machte sich diese Geschichte von „einem ewigen Optimisten“ zu Eigen und setzte Cozy Powells Beitrag dazu an die erste Stelle. „Man hört sofort diesen gewaltigen Drum-Track hereinkommen und das ist Cozy, wie wir ihn kannten. Es soll so groß klingen wie nur möglich – ich möchte, dass Cozys Leben so fett wie möglich unterstrichen wird“, sagte Brian damals. „Es geht nicht darum, dass jemand auf etwas draufhaut, es geht um die innere Energie und Stärke und den Optimismus dieses Typen. Er ist ein entscheidender Teil dieses Albums und ich weiß nicht, was zum Teufel ich ohne ihn machen werde.“ Ein weiterer Kracher ist das druckvolle „China Belle“ mit Satzgesang im typischen Queen-Stil.

Weiter geht es mit der nachdenklichen Ballade „Why Don’t We Try Again“. Auf dem Song, der Jahre zuvor entstand, aber für Queen als zu persönlich erachtet wurde, klingt Brian in seinem Stimmumfang überragend sicher. Der nächste Song „On My Way Up“ ist ein nicht wegzudenkender Bestandteil von Brians Solokonzerten und ein herrlich mitreißender, wilder Song, der für die zweite Staffel von „Frank Stubbs“ in Auftrag gegeben wurde, während gleichzeitig die Arbeit an Queens Album „Made in Heaven“ weiterging. Die Backgroundsängerinnen Cathy Porter und Shelley Preston verhelfen der Melodie zu einem Höhepunkt, der im Einklang steht mit Stubbs als Hauptfigur der Serie. „Die zentrale Figur dieses Songs ist jemand, der im Grunde genommen ein Verlierer ist, aber totale Zuversicht und eine Art wahnsinnigen Optimismus hat. Und er geht seinen Weg und darum geht es in dem Song. Und wieder spielten verschiedene Dinge hinein, sobald ich mit der Arbeit anfing, aber im Grunde ist es ein witziger Song. Witzig, optimistisch und laut.“

„Cyborg“ ist ein für May recht ungewöhnlicher Song, der recht düster wirkt. Die Inspirationsquelle für „Cyborg“ ist eher im Sci-Fi-Bereich zu suchen - in Brians Mitarbeit an den Videospielen „Rise Of The Robots“ und „Rise 2: Resurrection“. Der Song nimmt die Perspektive eines Roboters ein, der sich danach sehnt, seiner Hülle zu entkommen (eine Metapher für die Sehnsucht der Menschheit nach einer anderen Welt?). Geprägt wird der Titel von donnerndem Trommeln, diesmal von Taylor Hawkins. Es war die Anfangszeit der Foo Fighters und Brian war voll des Lobes für seinen Gast: „Er hatte noch nie wirklich eine Studiosession für jemand anderen gemacht, also war er total unter Strom, wie man sich vorstellen kann. Und er rief: „Wie geil ist das denn!“ Ich meine, von diesem Typen ging eine Energie aus, unglaublich! Ich denke, er kommt in diesem Song gut zur Geltung – es ist Wahnsinn, wie viel Energie da drauf ist.“

Auf „The Guv’nor“ tritt ein weiterer Mitwirkender in Erscheinung. Ursprünglich war der Song für einen Film über einen Bare-Knuckle Boxer gedacht, der aber nicht umgesetzt wurde. Jetzt verkörpert er Brians Verehrung für den Gastgitarristen Jeff Beck. „In unserer Welt ist Jeff das Oberhaupt – der Standard, an dem man sich messen muss“, sagte Brian, der aus seiner unverhohlenen Bewunderung für den legendären Yardbirds-Gitarristen diesen lässigen und kraftvollen Bluesrock-Song gezimmert hat.

Danach folgt mit „Wilderness“ eine sanfte Ballade – einer der letzten Songs, die dem Album hinzugefügt wurden. Hier zeigt Brian May eine sehr gute Gesangsleistung. Wieder erinnert das an Queen.

Als nächstes befinden sich auf dem Album einige Tributes an Brians wichtigste musikalischen Einflüsse. „Slow Down“ ist ein typischer 12-Takt-Blues-Klassiker von Larry Williams, live aufgenommen mit Cozy, dem Bassisten Neil Murray, dem Queen-Keyboarder Spike Edney und dem Gitarristen Jamie Moses. Danach folgt eine einzigartige Hommage an Brians größtem Helden überhaupt, Jimi Hendrix. Angetrieben von fließenden Gitarren ist „One Rainy Wish“ eine verträumte Version des Hendrix-Klassikers, die perfekt zu den entrückten Gedanken von „Another World“ passt. „Dieser Song war die Beschreibung von Jimis Traum, seine exakte Umsetzung in Wort und Musik“, sagt Brian. „Ich wollte schon immer versuchen, es auf meine Art zu interpretieren.“

Die finale Coverversion ist für Brian von großer, persönlicher Bedeutung. „All the Way from Memphis“ war 1973 ein Hit für Mott the Hoople, die Queen in ihren frühen Tagen als Vorgruppe auf Tournee einluden – prägende transatlantische Ausflüge, die Brians gewaltigen Queen-Rocksong „Now I’m Here“ inspirierten. Brian beschreibt dieses Tourerlebnis als „blendend“ und fügt hinzu: „Ich sah jeden Abend zu, wenn sie ‚All the Way from Memphis’ spielten, und der Veranstaltungsort wackelte wie bei einem Erdbeben. Sie waren eine fantastische Liveband.“ Hoople-Frontmann Ian Hunter erscheint auf diesem adrenalingeladenen Cover von Brian als „Special Guest Raconteur“.

Die Bonus-CD enthält 15 weitere Songs, darunter vier Coverversionen. Der Silberling beginnt mit „Brain Talks“, ein Tribut an Cozy Powell, dem Brian in 1:15 Minuten einige persönliche Worte widmet, gefolgt von „The Business“, einen „Rock On Cozy Mix“ des Stückes „Business“. „Hot Patootie“, „Maybe Baby“ und „It’s Only Make Believe“ sind Coverversionen im Stil von Rock’n’Roll-Nummern. In „On My Way Up (Guitar Version)“ kommt Brians Fingerfertigkeit so richtig zur Geltung. Besonders gelungen sind die beiden Liveversionen von „On My Way Up“ und „Hammer To Fall“, die May bei einem Konzert im Juni 1998 in Paris mitgeschnitten hat und die er um einige Minuten verlängerte.

„Another World“ ist ein klasse Soloalbum von Brian May, bei dem er - wie auch bei Queen - eine hohe Stilvielfalt präsentiert. Musikalisch ist das Album eine Steigerung zu seinem Debüt „Back To The Light“. Die Wiederveröffentlichung glänzt durch einen sehr transparenten Sound. Eine sehr wertige Veröffentlichung.

Stephan Schelle, April 2022

   

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