Blind Ego - Liquid
Gentle Art Of Music / Soulfood (2016)

(9 Stücke, 54:02 Minuten Spielzeit)

Ganze sieben Jahre sind ins Land gegangen, bis der RPWL-Gitarrist Kalle Wallner den Nachfolger seines Blind Ego-Projektes „Numb“ an den Start bringt. Am 21.10.2016 ist es endlich soweit, dann erscheint mit „Liquid“ das dritte Album von Blind Ego. Auch wenn es recht lange bis zum neuen Album gedauert hat, so können sich die Freunde der rockigeren Variante des Artrock doch glücklich schätzen das Kalle seine Kreativität – deren Ausfluss nicht unbedingt auf ein RPWL-Album passt -, weiter auslebt. Ich kann es hier schon mal vorwegnehmen, denn „Liquid“ ist ein klasse Album geworden.


Kalle Wallner hat sich wieder zahlreiche musikalische Gäste an die Seite gestellt, daneben mit Arno Menses (Subsignal, Ex-Sieges Even), Erik Ez Blomkvist und Aaron Brooks (Simeon Soul Charger) gleich drei Sänger. Aber auch der Rest kann sich sehen und hören lassen. So sind am Bass bei zwei Stücken Sebastian Harnack (Sylvan), bei fünf Stücken Ralf Schwager (Subsignal, Ex-Dreamscape) und bei einem weiteren Song Heiko Jung (Panzerballett) zu hören. Außerdem sitzt der Ex-Dreamscape-Schlagzeuger Michael Schwager hinter der Schießbude und für den Mix war Kalle’s Freund und RPWL-Gefährte Yogi Lang verantwortlich.

Keyboardsounds eröffnen den ersten Song „A Place In The Sun“, dann kommt Kalle’s Gitarre ins Spiel, die einen leichten Westerntouch hat. Nach wenigen Momenten gesellt sich ein kraftvolles Schlagzeug hinzu und es wird rockig. Sobald dann Erik Ez Blomkvist mit seinem Gesangspart anfängt (er variiert dabei seine Stimme) und die Gitarren atmosphärisch werden, entwickelt sich das Stück in Richtung Neo-Prog der Marke Arena & Co. Doch damit lässt es Kalle nicht bewähren, denn er baut eine große Portion Hardrock mit ein, so dass etwas gänzlich Neues entsteht. Auch sind einige folkig anmutende Klangtupfer in diesem ersten Song enthalten.

Nach diesem erstklassigen Beginn geht es in „Blackened“ zunächst mit Akustikgitarre weiter, zu der Arno Menses mit seiner markanten und sehr klaren Stimme den richtigen Beitrag liefert. Im Refrain geht es dann aber druckvoller zu und erinnert durch Arno auch stilistisch an Subsignal. Ein toller Song, der mit der Dynamik spielt und eine wunderbare Melodielinie besitzt.

Mit „What If“ haben Kalle & Co. dann ein streckenweise härteres Brett auf dem Album, das mit tollen Soli – vor allem von Kalle an der E-Gitarre – durchzogen ist. Das Kalle nicht so ganz seine RPWL-Herkunft verstecken kann, wird dann im Song „Not Going Away“ deutlich, bei dem Arno wieder am Mikro steht. Allerdings werden stilistische Merkmale, die auf RPWL hinweisen, durch einen druckvolleren Sound ergänzt.

Eines der Highlights, wenn man überhaupt einen Song hervorheben kann, ist der 8:20minütige Epos „Never Escape The Storm“, der mit einer unter die Haut gehenden Akustikgitarrenpassage beginnt und dann in monumentalem Rock mit härteren Bandagen übergeht. Hier werden Hard-, Art- und Progressiverock perfekt miteinander verbunden. Und auch die restlichen Stücke wissen zu überzeugen.

Die neuen Songs kommen an einigen Stellen mit einer unglaublichen Wucht rüber, um dann wieder in sanfte Gefilde gelenkt zu werden. Da hat Kalle Wallner wirklich ganze Arbeit geleistet denn die Songs überzeugen auf ganzer Linie. Das macht richtig Spaß.

Auch das dritte Album von RPWL-Gitarrist Kalle Wallner, der unter dem Namen Blind Ego ein weiteres musikalisches Ego auslebt, hält den qualitativen Standard der vorangegangenen Alben. „Liquid“ ist ein tolles Album, das ich wärmstens empfehlen kann.

Stephan Schelle, September 2016

   

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