AMAROK - Hope
OSKAR Records (2024)

(10 Stücke, 57:55 Minuten Spielzeit)

Nach ihrem grandiosen Album „Hero“ aus dem Jahr 2021 und dem Soloalbum von Mastermind Michał Wojtas „Lore“ aus dem letzten Jahr, veröffentlicht die polnische Band „AMAROK“ Anfang April 2024 ihr neuestes, siebtes Werk unter dem Titel „Hope“. Und Hoffnung ist etwas, das wir alle in diesen Zeiten brauchen. Das Album der 1999 gegründeten Band erscheint sowohl auf CD als auch auf Vinyl. Während die CD-Ausgabe zehn Stücke enthält, ist auf der Vinylausgabe noch die Instrumentalversion des Stückes „Insomnia“ als Bonus enthalten.


Was als erstes auffällt ist die wiederum wunderbare Covergestaltung, die an Hypgnosis und hier an die Fotografien von Pink Floyds Album „Wish You Were Here“ erinnert. Die Polen haben aber ihren ganz eigenen musikalischen Stil entwickelt, der sich zwar an dem Progressive Rock der 70’er Jahre orientiert, aber durch die Instrumentierung eine ganz besondere, faszinierende Handschrift besitzt. Bei ihren ersten Erfolgen waren starke Inspirationen durch die Werke von Mike Oldfield (der Name der Band wurde vom Titel eines seiner Alben übernommen) und Pink Floyd deutlich hörbar; später begann sich der Sound in Richtung Ambient mit Folk-Elementen zu entwickeln - und es war in dieser Zeit, dass der eigentliche, einzigartige Charakter der Band Gestalt annahm. Vor allem das Harmonium sorgt für den ganz eigenen Sound der Band.

Die Band besteht seit ca. 2020 aus Michał Wojtas (Gesang, Gitarre, Theremin, Harmonium, Keyboard), Marta Wojtas (Gesang, Wavedrum, Gong, Djembe, Percussion), Konrad Zieliński (Schlagzeug) und Kornel Popławski (Bass und Geige).

Mit dem 4:44minütigen „Hope Is“ startet die polnische Band in das neue Album. Fette Gitarren und ein treibendes Schlagzeug leiten in diesen Track. Die Keyboards sorgen dann für einen sehr proggigen Part, der sofort gefangen nimmt. Dann spricht Marta einen Text, ähnlich dem Sprechgesang von Laurie Anderson. Sobald dann Michał mit seinem Gesangspart beginnt ist Gänsehaut angesagt. Nach drei Minuten setzt Michał dann zu einem hinreißenden Gitarrensolo an. Ein toller Opener, der die ganze Klasse dieser Band auf den Punkt bringt.

Weiter geht es mit dem zunächst atmosphärischen, 5:52minütigen „Stay Human“, der im Gesang ein wenig an Radiohead erinnert, aber die eigene Handschrift der Band trägt. Nach etwas mehr als einer Minute zieht die Band dann den Rhythmus an und jetzt ist man im typischen AMAROK-Modus, der nach 1:45 Minuten einen unwiderstehlichen Groove bekommt.

In dem 6:05minütigen „Insomnia“ nehmen AMAROK ein wenig den Speed heraus. Die Gitarre von Michał klingt hier zunächst wie eine Mischung aus Pink Floyd und Dire Straits. Das Stück bekommt nach einer Minute, sobald Michał mit dem Gesang einsetzt, eine sehr warme und atmosphärische Stimmung, in die man bedenkenlos eintauchen kann, auch wenn es sich hier um das Thema Schlaflosigkeit handelt. Ein sehr schöner Track mit einigen symphonischen Elementen.

Das siebenminütige „Trail“ beginnt mit einem grandiosen elektronischen Groove, bei dem man kaum ruhig vor den Boxen sitzen bleiben kann. Dann kommen ethnische Perkussion auf, die an Peter Gabriel-Produktionen erinnern. In diesem Song verbindet die Band trancehafte Sounds mit rhythmischen Elementen in Perfektion. Und das Gitarrensolo im Mittelteil ist einfach traumhaft. In der zweiten Hälfte schraubt die Band dann den Druck etwas in die Höhe und erinnert damit an Bands wie Porcupine Tree.

„Welcome“ ist ein Stück, das aus der Feder Konrad Zielińskis stammt. Mit mystischen Klangmustern und Didgeridoo-ähnlichen Sounds startet dieses Stück, um dann nach einer halben Minute in einen rockigen, zunächst von Schlagzeug und Keyboards dominierten Part mit kratzigem Bass überzugehen. Konrad Zieliński hat hier auch den Leadgesang übernommen, was dem Song eine andere Note verleiht und doch in den AMAROK-Kosmos passt. Auch der nächste Song „Queen“ ist nicht aus Michałs Feder, sondern stammt vom Bassisten Kornel Popławski. Dieser Song ist der wohl ungewöhnlichste im AMAROK-Kosmos. Mit trippigen Elektroniksounds startet das Stück. Kornel Popławski bietet hier einen außergewöhnlichen Gesang, der mal zurückhaltend, dann wieder druckvoll und kehlig wirkt. Diese beiden Songs beweisen, dass das Quartett mittlerweile zu einer richtigen Band mutiert ist, in der sich jeder entfalten kann.

Elektronischer mit einer Mischung aus druckvollem Progrock á la Porcupine Tree und elektronischen Sounds, die an Künstler wie Jean-Michel Jarre erinnern, geht es dann im 5:49minütigen Instrumental „Perfect Run“ weiter. Das bringt ein weiteres Stilmittel in den Sound von AMAROK.

Mit „Don’t Surrender“ kommt dann ein balladeskes Stück mit einer sehr eingängigen, verträumten Melodie, in dem Michał und Marta Wojtas ein Duett eingehen, das ein wenig an Paul und Linda McCartney erinnert.

Sanfte Klänge und ein Pferdegewieher leiten in den Track „Simple Pleasures“ ein, dem ruhigsten und atmosphärischsten Song des Albums. Der Track wirkt sehr entschleunigt und glänzt durch herrlich floydige und wieder an Dire Straits erinnernde Gitarrensoli mit leicht bluesiger Note. Einige Soundeffekte erinnern auch an Peter Gabriel. Ein Song, der direkt unter die Haut geht.

Den Abschluss der CD-Version stellt dann das dreiminütige „Dolina“ dar. Das Stück beginnt mit den für AMAROK so bezeichnenden Harmonie-Klängen. Es ist das einzige Stück des Albums, das Michał in polnischer Sprache singt. Dieser Abschlusstrack ist ein sehr sensibles, besinnliches Stück, das sehnsuchtsvoll erstrahlt und somit einen sehr schönen Abschluss dieses herrlichen Albums darstellt.

Mit „Hope“ hält die polnische Band AMAROK den qualitativ hohen Standard ihres Vorgängerwerkes „Hero“ gehalten und beweist, dass sie zu Recht beim diesjährigen und leider letzten Night Of The Prog-Festival einen Slot bekommen hat. Freunde melodischen Progs können sich auf einen hervorragenden Gig freuen. Das neue Album zeugt auf jeden Fall von hoher Qualität und damit ist die Band einer der Hoffnungsträger der Szene.

Stephan Schelle, April 2024

   

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