Alex Conti – Retrospective 1974 - 2010

Alex Conti – Retrospective 1974 - 2010
mig / made in germany music (2011)
(42 Stücke, 207:37 Minuten Spielzeit)

Wer sich in der deutschen Blues- und Rockmusik auskennt, dem ist der Name des Musikers Alex Conti ein Begriff. Er war Mitglied in zahlreichen deutschen Bands und hat so Musikgeschichte geschrieben. Im Jahr 1952 in Berlin geboren, wurde ihm die Musik quasi mit der Muttermilch eingeflößt, denn die Eltern waren beide Opernsänger. Im Jahr 1969 bricht Conti die Schule ab und wird Mitglied der Berliner Blues-Formation Curly Curve. Damit beginnt eine bewegte und abwechslungsreiche Musikkarriere, die auf dem Album „Retrospective 1974 – 2010“ ansprechend gewürdigt wird.


Seine bewegte Geschichte wird mit den elementaren Stationen seiner Karriere auf einer atemberaubenden 3CD-Edition veröffentlicht, die nicht nur ein Spiegel der Karriere Alex Conti’s ist, sondern auch vier Jahrzehnte deutscher Rockmusik dokumentiert. So sind auf „Retrospective 1974 – 2010“ nicht nur die Highlights von Atlantis, Lake, Salt III, Elephant, Rosebud oder der Hamburg Blues Band versammelt, sondern auch bisher unveröffentlichte, nie gehörte Studio- und Liveaufnahmen. Mit 42 chronologisch geordneten Tracks geht es auf eine bewegende Zeitreise! Neben den zuvor genannten Bands finden sich auch noch Solostücke und Tracks mit den Bands Rudolf Rock & die Schocker, Rockship, Rorymania und Beatnik in dieser wunderbaren Edition.

Die CD erscheint, ähnlich der Klaus Schulze’s „La Vie Electronique“-Veröffentlichungen, in einem achtseitigen Digipack. Dieses enthält ein 28seitiges Booklet mit zahlreichen Fotos und ausführlichen Linernotes von Uli Twelker und Alan Tepper. Leider sind die Texte in englischer Sprache gedruckt, doch mig hat einen ganz besonderen Service, denn über die Internetseiten des Labels und des Musikers sind die Linernotes in deutscher Sprache per pdf-Datei zum Download hinterlegt.

Die CD startet mit Stücken der Band Atlantis. Den Anfang macht das recht funkige „Ooh Baby“, das Alex Songwriterqualität der frühen 70’er Jahre zeigt. Weitere Songs von Atlantis sind „Son Of Bitch’s Son“, „Godfather“ und „Rock Me Baby“ (die beiden letzten in Liveversionen). Die hohe Akzeptanz bei Musikern, Presse und Fans führt 1975 dazu, das Conti mit Atlantis im Vorprogramm von Aerosmith, die gerade mit „Walk This Way“ durchstarten, auftritt. Danach folgt noch eine Tour mit der amerikanischen Band Lynyrd Skynyrd. Es gehört zu den vielen Geschichten, die sich um Alex Conti drehen, dass der unvergessene Ronny van Zant Conti anbietet, den Platz des Gitarristen Ed King einzunehmen, der die Band aus gesundheitlichen Gründen verlassen musste.

Als nächstes zeigt sich Conti in einer anderen Stilart, nämlich mit dem Song „Teddybär“ von Rudolf Rock & die Schocker. Hier gibt es Hillbilly / Rock’n’Roll in deutscher Sprache. Eine weitere unvergessene Band ist Lake. Von ihr sind die Stücke „Down The Middle“, „Lost By The Wayside“, „Chasing Colors“ und „Red Lake“ in der Edition enthalten. Die ersten drei Stücke wurden während einer Radiosession in Atlanta 1977, der vierte bei einem Konzert in Deutschland in 1980 aufgenommen.

Drei Stücke aus dem Jahr 1981, die in Hannover bei einem Auftritt  mitgeschnitten wurden, präsentieren den Rock von Salt III. Unter anderem spielen sie mit „Fire“ einen Hendrix-Klassiker und mit „Talk To Me Baby“ einen bekannten Blues-Song. Dann ist es Zeit den Solomusiker Conti zu würdigen, der mit den restlichen vier Titeln der ersten CD und den ersten drei der zweiten CD präsentiert wird. Die Stücke stammen von den ersten beiden Sololaben „Conti“ und „Continued“. Ein wenig schmunzeln muss man heute über „You’re A Monster“, mit dem Conti wohl Anfang der 80’er auf die Charts schielte. Die restlichen Stücke sind aber klasse Rocksongs mit teils funkigem Einschlag.

Die Band Elephant wird mit vier Liveaufnahmen aus dem Hamburger Logo, die 1985/1986 mitgeschnitten wurden, dokumentiert. Dabei ist auch eine Interpretation von Robert Palmer’s „Addicted To Love“. Den Aufnahmen (wie auch denen von Salt III) ist zwar anzuhören, dass sie mit einem Kassettenrekorder aufgenommen wurden, doch sind die Interpretationen wirklich gut.

Mit vier Stücken von den ersten drei Alben der Band ist die Band Rosebud vertreten. Hier zeigt Alex Conti, dass er es auch eine Spur härter konnte, denn die Band spielte Hardrock mit Blueseinschlag. In „Keep Smiling“ ist ein wirklich abgefahrenes Gitarrensolo von Conti zu hören. Ganz anders geht es dann wieder auf seinem Album „Electric Ballroom“ zu, das mit drei Stücken bedacht wird.

Mit Inga Rumpf, bei der Conti ja schon bei Atlantis zusammenspielte, hatte er Ende der 90’er die Band Rockship. Drei Stücke belegen diese intensive Rockband. Man hört den Aufnahmen an, welche Power die Musiker zu diesem Zeitpunkt in der Lage waren, zu entfesseln. Auf diesen Powerrock folgen dann drei Aufnahmen aus dem Jahr 2005 mit der Hamburg Blues Band. Hier liegt der Stil natürlich im Bluesrock und zeigt Conti von einer anderen Seite. Höhepunkt dieser Tracks ist das 18minütige „Woza N Azu“.

Atmosphärischer Bluesrock kommt dann zusammen mit Frank Diez vom Album „Berlin Blues“ mit dem Stück „Till Your Loving Makes Me Blue“. Das ist faszinierender Downtempo-Blues. Rorymania (mit Henrik Freischlader) war eine Tribute-Produktion zu ehren des Sängers und Gitarristen Rory Gallagher. Diese wird mit dem Stück „Too Much Alcohol“ dokumentiert. Stilistisch in eine ganz andere Richtung geht es dann bei dem Schweizer Musikprojekt Beatnik, bei dem Alex die Gitarre auf der CD „Kaleidoscopia“ spielte. Drei Stücke von der 2008’er CD sind auf der Edition enthalten, die stilistisch zwischen Progressiverock, Funk und Jazzrock pendeln. Den Abschluss bildet dann ein Stück von Alex letzter CD „Shetar“, bei der er sich einige Stücke weiblicher Künstlerinnen, darunter Madonna, Sinead O’Connor und Alannah Myles, vorgenommen hat. Auf dieser Edition hat er sich für den jiddischen Standard „Bei mir bist Du schön“ entschieden.

Mit „Retrospective 1974 -2010“ wird ein sehr schönes Bild des Ausnahmemusikers Alex Conti gezeichnet. Die Edition von mig macht deutlich, wie facettenreich dieser Musiker war und ist. Seine wichtigsten Stationen sind mit einem oder mehreren Songs dokumentiert. Eine sehr lohnenswerte und liebevoll zusammengestellte Werkschau von Conti, die in keiner Sammlung fehlen sollte.

Stephan Schelle, Oktober 2011

   

CD-Kritiken-Menue