Adversus – Der Zeit abhanden

Adversus – Der Zeit abhanden
Sonorium / TS-Musix (2011)
(13 Stücke, 77:48 Minuten Spielzeit + Buch)

Bereits im Jahr 1999 gründeten sich die Schwarzromantiker Adversus, die aus Frankfurt a. M. stammen. Mit ihrem neuesten Output, dem Album „Der Zeit abhanden“, kam Anfang Dezember 2010 ihr mittlerweile viertes Album heraus. Die CD erscheint als Bundle mit einem 160seitigen Buch, in dem zu jedem Song eine Geschichte verfasst wurde und in dem die Songtexte eingebunden wurden. Das ist außergewöhnlich und aufwändig gemacht. Mir liegt zur Besprechung aber nur eine Promo vor, die neben der reinen CD das Buch in Dateiform beinhaltet.

Zur Band gehören Torsten „Rosendorn“ Schneyer (Gesang, Komposition, Arrangements und Lyrik), Aysel (Gesang), Carsten „Bassmeister“ Hundt (Kontrabass), Sebastian Kuhn (Gitarre), Johanna Dietz (Gesang), und Thomas Eifert (Schlagzeug) sowie Lestaria und Pia „La Musica“.


Im Pressetext heißt es: Adversus präsentieren sich mit dem fast 78 Minuten langen neuen Werk sowohl zugänglicher als auch deutlich härter und druckvoller als auf den früheren Alben, auch weil mit Thomas Eifert nun erstmals ein leibhaftiger Drummer zum Einsatz kommt. War die 2007er CD „Laya“ eher eine Erholungspause mit akustisch-ruhigen Songs, geht Adversus mit „Der Zeit abhanden“ wieder voll zur Sache und setzt musikalisch die auf den beiden Alben „Winter, so unsagbar Winter …“ (2003) und „Einer Nacht Gewesenes“ (2005) bereits eindrucksvoll gezeigte Bandbreite fort. Ob das so ist, kann ich nicht beurteilen, da ich die Vorgängeralben nicht kenne.

Das neue Album „Der Zeit abhanden“ trägt den Untertitel „Elf Märchen für Entflohene“ und zeigt auf seinem Cover ein verfallenes Eisentor – so wie auf einem Friedhof, bei dem im Hintergrund etwas zu brennen scheint. Das wirkt recht unheimlich und so wie sich das Cover gibt, so entfalten sich auch die 13 brachial-romantischen Stücke auf dem Silberling.

Die Titel der einzelnen Songs sprechen eigentlich für sich, da finden sich „Gespinste“, „Einer Nacht Gewesenes“, „Ein Ding im Spiegel“, „Das Mädchen mit den Grablichtern“, „Feuerbrunst im Jammertal“, „Kellerkind“ oder „In des Hades Tiefen“.

Anspruchsvolle, bombastische Orchesterpassagen wechseln sich mit düsteren Brachialmetal-Attacken ab. Der Growlartige Gesang von Torsten, der zartbesaitete Hörer verschrecken kann, trifft dabei auf Aysels Opernstimme, die hierbei einen gewissen Kontrast bietet.

Mutet der Opener „Prolog“, mit dem man in die Welt von Adversus eintritt, noch recht klassisch (mit Streichern und Piano) und harmonisch (wie ein Soundtrack) an, so zeigt sich das folgende Stück „Gespinste“ von einer ganz anderen Seite, denn hier kommt der symphonische Gothic-Metal stark zur Geltung. Zwar wird das fünfeinhalbminütige Stück noch recht orchestral eingeleitet und mit einigen Synthiesounds verziert, doch nach 40 Sekunden ist „Schluss mit Lustig“ und Torsten’s Stimme kommt recht finster aus den Boxen.

Die Gitarrenriffs und der dunkle Gesang stehen im Gegensatz zu Streichern, Flötenklängen, Synthiesounds, symphonischen und folkloristisch angereicherten Passagen. Und in diesem Stil sind auch die anderen Songs gehalten. Als Nichtkenner dieser Musikrichtung wird man sich zunächst an den aggressiven und finsteren Gesang gewöhnen müssen. Wenn man sich aber erst einmal intensiver mit der Musik beschäftigt, entfalten die Stücke ihre ganze Kraft und zeigen ein vielfältiges Bild.

Ein besonderer Reiz liegt sicherlich in der Aufmachung dieser Veröffentlichung, denn der Käufer bekommt neben der CD nicht einfach ein schnödes Booklet mit den Texten, vielmehr hat Torsten „Rosendorn“ Schneyer ein 160seitiges, im Taschenbuchformat gehaltenes Buch erstellt, in dem sich zu allen Songs eine Geschichte und jeweils eine schwarz/weiß Zeichnung befindet. CD und Buch zusammen sind ein schwarzromantisches Konzeptwerk, wie man es selten gesehen hat: Elf Geschichten, die den elf Haupt-Songs auf der CD entsprechen, geschrieben von Band-Geherin Rosendorn, bilden auf über 160 Seiten einen spannenden, bedrohlichen, berührenden Reigen aus erzählender Literatur, die mal schauerlich-unterhaltsam, mal surreal-schräg, mal nachdenklich-sperrig daher kommt. Rosendorn entführt seine Leser in eine seltsame Zwischenwelt zwischen dem Hier und dem Sonst wo, bewohnt nicht nur von Normalos wie du und ich, sondern auch von lebenden Häusern, Kellerkindern, Grablichtmädchen, unsterblichen Kriegern und Dingen, die des Nachts aus Spiegeln kommen.

„Der Zeit abhanden“ ist symphonischer Gothic-Metal, der manchmal verstört und sich – für ungeübte Ohren - nicht sofort erschließt. Es braucht eine gewisse Zeit, sich diesem düsteren Werk zu öffnen. Wenn man es aber geschafft hat, dann tun sich doch erstaunliche musikalische Welten auf.

Stephan Schelle, Januar 2011

   

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