22 Pistepirkko - Rally of Love

22-Pistepirkko - Rally of Love
Clearspot/EFA (2001)
(11 Stücke, 45:57 Minuten Spielzeit)

Helsinki bei Nacht. Es ist Winter und die Neonreklame der Clubs spiegelt sich auf den vereisten Straßen. Die Nacht ist ruhig und wird durch den Mond in ein diffuses Licht getaucht. Melancholie kommt auf und es packt einen das Fernweh. Wer schreibt den Soundtrack für diese Szene? 22-Pistepirkko, der Käfer 22 aus Finnland, vertreten durch P-K Keränen (Gitarre, Gesang), Asko Keränen (Bass, Keyboards) und Espe Haverinen (Drums, Gesang). Sie schufen mit „Rally of Love“ ein Klanggemälde aus weit ausholenden elektronischen Beats und, bisweilen schrägen, Gitarrenwänden.


Das oben beschriebene Bild tauchte vor meinen Augen auf, während ich die ersten drei Stücke von „Rally of Love“ hörte („Quicksand“, „This Time“ und „Car Wash“). Wenn ich den Gedanken weiter spinne, komme ich unweigerlich zum Bahnhof und warte dort voller Vorfreude auf das, was mich in der Ferne erwartet. „Waiting for the Train“, ein entspannter Track von atmosphärischer Leichtigkeit. Im Abteil schlafe ich durch das eintönige Rattern des Waggons ein, und es beginnt eine elektronische Traumphase im Nachtzug. Ruhig, fremd und nicht von dieser Welt. „D-Day“.

Das Album ist sehr abwechslungsreich gestaltet und so hören wir auch einen abgedrehten, schrägen, psychedelischen „Metro Blues“. Der Titelsong, „Rally of Love“ hat einen Rhythmus zum Mitwippen und ist allemal Diskotheken-tauglich, wären da nicht die dazwischen gehauenen Gitarren-Breitseiten. „Freeman“ und „Mowing A Lawn“ erinnern etwas an Blur, vor allem letzt genannter hat eine entfernte Verwandtschaft mit deren Second Song. Allerdings wird er nicht in Blur’s Retro-Sound dargeboten, sondern wird mit moderner Drum-Programmierung unterlegt, sodass er wirklich modern, eigentlich eher zeitlos, wirkt. Zu erwähnen sind noch „Bloodstopper“, das ruhigste Lied der Scheibe, und „I'm A Moon Around You“. Nur Gesang und Gitarre bzw. ein cooler Elektro-Rhythmus bestimmen die Szenen.

Wie der geneigte Leser sicher bemerkt hat, gefällt mir die Platte sehr. Ich halte sie für ein Meisterwerk. Ein verkanntes natürlich, denn sonst wären 22-Pistepirkko längst der Mega-Act auf allen Bühnen. So aber ist es  lediglich das mittlerweile neunte Album der Finnen, welche in der Regel von den Kritikern hoch gelobt werden, von der Masse der potenziellen Hörer aber unbeachtet bleiben. „Rally of Love“ zeigt auch nur ein Fragment ihres musikalischen Schaffens. Hört man in andere Käfer-Alben rein, so gibt es natürlich ein Wiedererkennungs-Moment (niemand sonst klingt schließlich so), aber mit dem vorliegenden Silberling sind sie eben nicht zu vergleichen. Also ohne hier dick Werbung machen zu wollen, aber wem „Rally of Love“ gefällt sollte sich auch mal ein anderes Werk (oder gar mehrere) von 22-Pistepirkko zu Gemüte führen. Es lohnt sich.

Holger Fischer, August 2007

   

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