1. Futurologischer Congress - Patchwork

1. Futurologischer Congress - Patchwork
Sireena Records (2013)
(14 Stücke, 53:21 Minuten Spielzeit)

Eine der vielen Bands, die in der Zeit der NDW ins Musikbusiness strömten, waren die in den frühen 80’ern gegründeten 1. Futurologischer Congress, kurz 1.FC. Diese experimentelle, elektronische, deutschsprachige Band hatte sich ihren ungewöhnlichen Bandnamen in Anlehnung an den Science Fiction-Roman „Der futurologische Kongreß“ des polnischen Schriftstellers Stanislaw Lem benannt. Nach lediglich zwei Platten verschwand die Formation, die aus einer Stammbesetzung und weiteren Gastmusikern ans Werk ging, wieder in der Versenkung.


Das Material, das Anfang März 2013 bei Sireena Records unter dem Titel „Patchwork“ (Untertitel „Studiotrakcs 1983-86“) herauskommt, enthält Stücke, die ursprünglich für das dritte Album der Formation gedacht ware, die aber nie erschien.

Da mir die Band bisher nicht bekannt war, hier einige Infos aus dem Pressetext: Gegründet wurde die Band 1981 in West-Berlin als Musikprojekt mit hauptsächlich elektronischer Ausrichtung. Nach drei Independent-Singles, von denen „Heimatlied“ als Folge eines gewonnenen Musikwettbewerbs des Berliner Senats produziert wurde, machte sich das Trio zum Jahresende 1981 an die Produktion des ersten Albums. Dieses sollte bei Teldec erscheinen. Das Konzept der 1. FC-Gründer beruhte auf einem harten Kern von Stammmusikern mit wechselnden Gastspielern. So waren an der ersten LP „Schützt die Verliebten“ unter anderem Miko, Rainer Konstantin (Prima Klima) und Hansi Behrendt (Ideal) beteiligt.

Im August 1982 spielte der 1. FC auf der Berliner Waldbühne ein Konzert, welches in den dritten Fernsehprogrammen übertragen wurde. Da die Band zum Teil in einer zwölfköpfigen Besetzung musizierte, prägten die Medien im Nachgang des Auftritts den Begriff „Deutsche Talking Heads“.

Schon 1983 erschien das zweite Album des 1. FC „Wer spricht“, an dem u. a. FM Einheit mitwirkte. Die elektronische Musik hatte die mittlerweile zum Quintett erweiterte Band um Soul- und Funkelemente erweitert. Der Musikexpress lobte die „Internationalität“ der LP und rückte sie in die Nähe anspruchsvoller Synthesizermusik á la Heaven 17. 1984 entstanden neue Stücke für eine dritte LP, die wegen bandinterner Meinungsverschiedenheiten aber nicht veröffentlicht wurde. Dieses quasi „Lost Album“ erschien bis dato nur als Download.

„Patchwork“ beinhaltet elf deutschsprachige und drei englischsprachige Songs, die zwischen 1983 und 1986 entstanden sind. Die Musik enthält zwar elektronische Elemente, die in die Richtung von New Wave, New Romantic bzw. Electronicpop-Acts der britischen Szene verweisen, aber vor allem der für die 80’er Jahre typische Rhythmus und auch der Gesang erinnern doch sehr stark an die Band Spliff. Neben zahlreichen Gastmusikern haben das Album eingespielt U.W.A. Heyder (Gesang, Tasteninstrumente, Gitarre, Rhythmusprogramm), Jens T. Tröndle (Moogbass, Gesang, Tasteninstrumente, Rhythmusprogramm), Marlon Klein (Schlagzeug, Tasteninstrumente, Percussion, Chor, Sequenzer), Nikko Weidemann (Gesang, Bassgitarre, Tasteninstrumente, Sequenzer) und Hanno Rinne (Gitarre, Tasteninstrumente, Percussion, Chor, Rhythmusprogramm).

Gestartet wird mit dem Song „Dezember [... Sex]“ der zunächst durch seinen industriellen Rhythmus in die Richtung Kraftwerk schielt, dann aber schnell durch funkige Gitarren und NDW-Sound schon ein bisschen nach Spliff klingt. Und auch die weiteren Songs gehen vornehmlich in diese Richtung.

Eine lustige Nummer ist „Klondike“, die auch Elemente von Tauchen & Prokopetz beinhaltet („Codo“ lässt durch den naiven Elektroniksound und die Spracheinlagen grüßen). In diesem Stück kommt auch der bekannte Comidian Hans Werner Olm zum Einsatz. Neben Spliff klingen 1. FC auch nach Michael Cretu oder Hubert Kah wie zum Beispiel in „Art von Mann“ oder in „Alles viel zu spät“.

Aber auch Weltmusik band die Gruppe in ihre Songs ein, was sich beispielsweise in „Bungalow“ zeigt. Aber nicht nur in deutscher Sprache machte das Projekt eine gute Figur, was die drei englischsprachigen Bonustracks zeigen. „Paradise“ ist bester Electronicpop.

Sireena Records hat hier einen keinen Schatz der NDW-Zeit gehoben. In den Stücken der 1. FC herrschen melodische Elemente vor, die mit typischen, aber doch sehr schönen 80’er-Jahre Rhythmen versehen sind. Auch heute klingen diese Stücke noch recht gut. Die CD kommt im Jewelcase, das ein zwölfseitiges Booklet enthält, in denen die deutschen Texte sowie einige Fotos und Bandinfos abgedruckt sind. Für Freunde der NDW ist diese Veröffentlichung sehr zu empfehlen.

Stephan Schelle, Februar 2013

   

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