Yaary & Scholl – Delta Evolution
 

Yaary & Scholl – Delta Evolution
MellowJet Records (2020)

(
10 Stücke, 62:07 Minuten Spielzeit)

Der aus Tel Aviv (Israel) stammende Elektronikmusiker Erez Yaary veröffentlichte im Juni 2019 sein Album „Delta“. Mit knapp 30 Minuten Spiellänge war es leider zu kurz für eine Album-Veröffentlichung auf MellowJet-Records und wurde daher in 2019 nicht dort herausgebracht. Anfang 2020 kam Bernd Scholl dann spontan die Idee zu einer Kooperation. Er wollte das Album „Delta“ mit weiteren Tracks passend ergänzen und so aus einer EP eine LP machen. 

 

 


Erez Yaary war damit sofort einverstanden. Nachdem Bernd sich in das nicht ganz einfache Thema des Albums, den „Simplizialkomplex“, eingearbeitet hatte, entstanden fünf neue Tracks, welche in das Vorhandene Material nahtlos integriert wurden. Der Originaltitel „Macroscopic Change“ diente Bernd als Vorlage für ein Reprise. Als Titel für das Album wählten die Beiden den sehr passenden Namen „Delta Evolution“. Und weil sich „Erez Yaary & moonbooter“ irgendwie seltsam anhörte, beschränkten sie sich auf ihre Nachnamen „Yaary & Scholl“.

Dass das Album nun eine gleichberechtigte Kooperation darstellt, ist daran zu erkennen, dass beide Musiker je fünf Stücke komponiert und eingespielt haben. Zudem sind die Stücke der Beiden in abwechselnder Reihenfolge hintereinander platziert. Obwohl die Stücke von Bernd gut ein Jahr später  eingespielt wurden, ist dennoch kein Bruch im Album zu spüren, ganz im Gegenteil. Die neuen Stücke fügen sich perfekt in das Gesamtkonzept ein.

Der 5:41minütige Opener „Automata“ stammt von Erez Yaary. Ein herrlicher Synthierhythmus eröffnet diesen Track. Dem folgt ein treibender Beat, durchzogen von ungewöhnlichen, neuen Klangmustern und einer sehr schönen, eingängigen Melodie. Das geht schnell ins Ohr. Erez verbindet hier tolle Sounds zu eine modernen Track. Dem folgt dann nahtlos Bernd’s erster Track mit dem Titel „Inside Vector Field“. Ein pulsierender Beat und schnelle Pianotöne starten in diesen Track. Da hört man zunächst nicht den Moonbooter-Stil heraus. Vielmehr passt sich Bernd der Stimmung des ersten Tracks an. Erst nach gut zwei Minuten kommt dann ein typischer Moonbooter-Beat hinzu und verleiht dem Track Drive. Das Stück nimmt im Verlauf an Fahrt zu und zeigt sich gar in einem hymnischen, Soundtrack artigen Stil.

Streicherklänge sind dann zu Beginn des Stückes „Macroscopic Change“ von Erez zu hören. Das wirkt zunächst recht melancholisch, mit einem Bezug zur Klassik. Ab Minute vier kommt aber ein unwiderstehlicher Rhythmus auf, der zunächst monton dahin fließt und dann in einen Part übergeht, in dem sich die Streicher erneut hinzugesellen. Jetzt kommt das Ganze wie ein sehr melodischer Hans Zimmer-Soundtrack rüber.

Diesen orchestralen Ansatz übernimmt Bernd Scholl dann zunächst in seinen Track „Singular Homology“. Dem spendiert er dann einen sanften Rhythmus und herrliche Melodien. Hier kommt der Moonbooter-Stil dann deutlicher zum Tragen, ohne aber den Fluss des Albums zu unterbrechen. Auch dieser Track wirkt sehr orchestral.

Danach ist Erez wieder an der Reihe. Von ihm stammt das 4:53minütige „Major Seventh“, bei dem zunächst neben einigen Flächen zunächst auch wieder Streicher den Fokus setzen. Teils bedrohlich wirkende Synthiefarben schweben im Hintergrund auf denen dann eine sanfte Melodielinie gelegt wird. Zur Mitte hin vermischen sich perlende Klangmotive mit Sequenzerrhythmen und Melodiebögen. Das 5:50minütige „Nabla“ schließt klanglich direkt an. Bernd spielt hier eine eingängige Harmoniefolge und variiert das später durch weitere Rhythmus- und Klangstrukturen. Auf mich wirkt das wie ein Science Fiction-Soundtrack. Gedanklich kommen bei mir Szenen aus dem Film „Tron“ hoch.

Das 5:56minütige „Simplicial Complex“ von Erez bietet betörende Klänge die sanft durch den Raum ziehen. Das ist Musik bei der man die Gedanken fliegen lassen kann. Nach etwa einer Minute wird es dann rhythmischer, ohne dass das schwebende Element verloren geht. In der Mitte des Tracks wechselt dann die Stimmung mit einem Break, der von einem basslastigen Rhythmus und einer sehr eingängigen Melodie getragen wird.

Bei „Macroscopic Change Reprise“ hat Bernd dann auf Erez` Stück „Macroscopic Change“ aufgebaut. Während Erez eher klassisch beginnt, spielt Bernd mit perlenden, hellen Klangfarben, was dem Stück ebenfalls sehr gut zu Gesicht steht. Im zweiten Teil geht es dann auch bei Bernd rhythmischer in einer hymnischen Art zu.

Erez Yaary’s letzter Track „Uncertainty“ wird von einem pumpenden Beat bestimmt, der unter anderem auch an Kraftwerk erinnert. Das Gleiche gilt für die flächigen Sounds, die ebenfalls in die Richtung der Düsseldorfer gehen. Das verziert er dann aber mit eigenen Klangstrukturen und einer schönen Melodie. Ein gelungener Track.

Das „letzte Wort“ hat dann Bernd Scholl mit seinem Stück „Sunset At Delta Town“. In diesem 4:23minütigen Stück erzeugt Bernd Stimmungen, in dem er mit Flächen, in die er einige Effekte einstreut, arbeitet. Dabei tun sich vor dem geistigen Auge des Hörers unendliche Weiten auf.

Die israelisch/deutsche Kooperation von Erez Yaary und Bernd „Moonbooter“ Scholl mit dem Titel „Delta Evolution“ hat ein klasse Album hervorgebracht. Wenn man es in dieser Form hört, dann ist man sich sicher, dass es nur so komplett ist. Respekt an Bernd Scholl, dass er sich mit seinem Stil so eingebracht hat, dass „Delta Evolution“ so homogen geworden ist.

Stephan Schelle, Dezember 2020

 
   

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