Tilo Voigthaus – One Earth – One Mankind
 

Tilo Voigthaus – One Earth – One Mankind
Eigenvertrieb / Bandcamp (2023)

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8 Stück, 50:14 Minuten Spielzeit)

Tilo Voigthaus (ex-Coral Cave) hatte im Sommer dieses Jahres einen beachtenswerten Auftritt beim Electronic Circus Summer Edition-Festival. Am 01.10.2023 ist sein neues Studioalbum erschienen, das über Bandcamp zu bekommen ist. Es trägt den Titel „One Earth - One Mankind“ und ist, wenn man sich die heutige Weltlage ansieht, ein frommer Wunsch und leider nicht die Realität.

 

 


Tilo schreibt auf seiner Bandcamp-Seite über die Entstehung des Albums: Die politische Lage auf der Erde hat sich im letzten Jahr dramatisch verschlechtert. Statt sich als eine Menschheit auf einer Erde zu fühlen, gibt es Kämpfe um Land und Territorien und sogar Kriege, in denen ein Menschenleben nicht viel wert zu sein scheint. Wir sind eine Menschheit, ganz gleich, wo wir auf der Erde leben! Wir sollten uns zusammenraufen und in Frieden leben, um die Probleme der Menschheit für unsere nächste Generation zu lösen. Diese Gedanken haben mich nicht in Ruhe gelassen, und deshalb habe ich dieses Album gemacht.

Tilo bewegt sich musikalisch im Umfeld der Berliner Elektroniklegende Tangerine Dream, was sich auf diesem Album aber nicht zeigt, denn hier geht er seinen eigenen Weg und mischt dies mit Sounds der Düsseldorfer Legende. Das Album hält acht Stücke mit Laufzeiten von 4:27 bis 10:14 Minuten Länge bereit.

Mit dem Stück „Numbers Of Mankind“ startet Tilo zunächst sehr rhythmisch in das Album. Zu Beginn des Stückes ist Stimmgewirr zu hören und eine Stimme ruft laut „Hey“, als die Stimmen immer lauter und durcheinander rufen. Das kann auch der Weckruf für die Menschheit bedeuten, die endlich mal den Kern der Probleme erkennen und nicht nur die eigenen Interessen in den Vordergrund stellen sollte. Denn unsere Welt und unsere Zukunft kann nur von allen gemeinsam gerettet bzw. sichergestellt werden. Dann setzt ein stampfender Beat ein, auf den sich eine Melodielinie setzt. Hier hinein platziert Tilo - wie bei Kraftwerk’s „Nummern“ - Zahlen, die hier aber von unterschiedlichen Stimmen (weiblich und auch männlich) und in unterschiedlichen Sprachen gesprochen werden. So zieht der Track über fünf Minuten stoisch dahin, bis sich dann die Melodie/Harmonie langsam in den Vordergrund schiebt.

„Cosmopolity“ ist 4:36 Minuten lang und spielt mit Synthchören und flirrenden sowie aus der Beatbox stammenden Rhythmen. Tilo schafft hier mit der Aufeinanderschichtung von Rhythmen und Klängen ein umfangreiches Klanggebilde, das schnell ins Ohr geht. Könnten so heute Kraftwerk klingen?

Eine Stimme aus dem Kontrollraum der NASA zählt zu Beginn des 8:46minütigen „One Giant Leap For Mankind“ herunter, um dann in einen rhythmisch, melodischen Part überzugehen. Diese Stimmsamples werden immer mal wieder in den Track eingebaut (sie wirken durch ihr Rauschen fast wie ein Fremdkörper in den glasklaren Sounds) und vermitteln einen spacigen Track, denn man fühlt sich wie bei einem Weltraumtrip. Zum Ende hin bekommt der Track noch eine Spur Pop mit auf den Weg.

Asiatisches Flair kommt dann im 4:27minütigen „Morning Mood“ auf. Hier sorgen aber auch die eingängige Melodie und gesangliche Einschübe für eine wohlige Atmosphäre. Mit 10:14 Minuten Spielzeit folgt dann das längste Stück des Albums, „Sadness Of A Planet“. Wie muss sich wohl unser Planet fühlen, wenn er ständig ausgebeutet und beschädigt wird? Futuristisch mit mystischen Klangmotiven beginnt der Track und zeigt schon in den ersten Momenten eine gewisse Traurigkeit. Nach etwa einer Minute kommen dann sakrale Gesänge auf, aus denen sich dann Harmonien und ein Schlagzeugrhythmus herausschälen. Jetzt bekommt das Stück einen sehnsuchtsvollen Charakter.

Fast schon Kraftwerkartig geht es dann im 5:05minütigen „Fragile Earth“ weiter. Das Stück beginnt mit Sprachsamples, die rhythmisch aneinandergestellt wurden und Ähnlichkeiten zu Kraftwerks „Boing Boom Tschak“ aufweist und doch ganz eigen klingt. Nach gut 40 Sekunden wechselt Tilo dann in einen sanften, Song orientierten Part. Ein sehr melodisches Stück, das immer mal wieder von den Stimmsamples durchbrochen wird, die einen Kontrapunkt zu der lieblichen Melodie setzen.

Das rhythmische, von Ethnosounds durchzogene „Skindeep“ und das sanft/melodische, wieder von asiatischen Klängen durchzogene „One Earth - One Mankind“ beenden dann das Album.

Tilo Voigthaus hat sich auf seinem neuen Album „One Earth - One Mankind“ dem wichtigsten Thema unserer heutigen Zeit gewidmet. Herausgekommen ist trotz des ernsten Themas aber ein sehr melodisches, schönes Werk, das gut ins Ohr geht.

Stephan Schelle, Oktober 2023

 
   

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