Spyra - Tau Der Elektronikmusiker Wolfram Spyra, der unter seinem Namen (auch DER Spyra oder einfach Spyra) seine Musik veröffentlicht, begann im Jahr 2014 den Start einer Trilogie mit dem Album „Staub“. Dem folgte in 2018 das Album „Dunst“. Noch rechtzeitig zu seinem Konzert, das er am 30.12.2024 im Planetarium Bochum gibt und damit traditionsgemäß der Schallwende Verein das neue Jahr begrüßt, erscheint mit „Tau“ das dritte und abschließende Album dieser Trilogie. |
|
|||
Spyra
ist bekannt dafür, dass er seine eigene, unverwechselbare Herangehensweise
an die klassische elektronische Musik immer weiter verfeinert und
kultiviert. Seine Philosophie des Musikmachens lässt sich am besten in der
folgenden Aussage zusammenfassen: Fünf Stücke, die
Wolfram allein im Studio eingespielt hat, ein Stück, das zusammen mit
Roksana Vikaluk im Studio entstanden ist sowie eine Livaufnahme die bei
einem Konzert beim RadarVision Festival 2022 mitgeschnitten wurde, finden
sich auf dem prallvollen Album. Die ersten fünf Tracks
gehen nahtlos ineinander über, so dass ein kompletter, kompakter Longtrack
entstanden ist, der den Kern darstellt. Es beginnt mit dem 9:42minütigen
„Logischer Garten“. Da rauscht es zunächst, wird aber nach wenigen
Momenten schon von einer herrlichen, perlenden Harmoniefolge, auf die sich
dann eine sanfte Mellotronartige Melodie legt, fortgesetzt. Das fesselt
schon von der ersten Sekunde an. Man wähnt sich bei dieser Musik in seinem
musikalischen Garten mit plätscherndem Wasser und Sonnendurchfluteten Gewächsen,
was zum Entspannen und Träumen einlädt. Etwa in der Mitte startet Wolfram
dann ein für ihn typisches Rhythmusmuster und es kommen gar Gitarrenklänge
auf, die nun sogar einen leicht mediterranen Touch besitzen. Danach steigert
sich das Stück aber immer weiter. Das ist Spyra at its best. Im zweiten, fast 14minütigen
Track „TPAU“ klingt nun Klaus Schulzes Stil etwas durch. Da sind es zu
Beginn auch wieder diese herrlich perlenden Klänge, die zunächst sanft
durch den Raum ziehen. Langsam steigert sich die Dynamik und Wolfram baut
weitere Klänge ein, so dass sich nach etwa zwei Minuten das Klangbild
erweitert. Nun werden weite Klangräume erschaffen, auf die nach etwa fünf
Minuten eine Melodielinie gelegt wird, die sich sanft ins Ohr
einschmeichelt. Das wirkt stellenweise auch spacig. Im Mittelteil kombiniert
Spyra das dann mit einigen düster klingenden Sounds. Danach kommen aber
erneut herrlich melodische Passagen auf, in die man sich fallen lassen kann. Dem schließt sich dann
das gut sechsminütige „Rhodes Intermezzo“ an. Das ist ein
sehnsuchtsvolles, sanftes, melodisches Stück, das vor allem in der zweiten
Hälfte durch seine Melodie glänzt. Das mehr als 14minütige Titelstück
ist dann wieder auf Grundlage von Sounds, die nach Klaus Schulze klingen,
aufgebaut. Hier kommen sofort Assoziationen zu Schulzes „Crystal Lake“
auf. Nach gut drei Minuten erweitert Spyra dies dann mit flächigen Sounds,
die später auch noch durch eine Melodielinie und einem druckvollen Rhythmus
ergänzt werden. Wolfram Spyra streift im Verlauf des Stückes immer mehr
die Haut von Schulze ab - lediglich die perlenden Klänge bleiben - und lässt
so etwas Neues entstehen, bis am Ende nur noch sein eigener Stil zu hören
ist. Es wirkt wie der Morgentau, der die Grundlage darstellt und sich
langsam durch die Wärme der Sonne in etwas anderes transformiert. Mit dem gut
neuneinhalbminütigen „Most“ endet dann der Hauptteil des Albums. Hier
hat Wolfram erneut perlende Klänge genutzt, die nach einer Harfe klingen.
Nach gut der Hälfte wird es immer dynamischer und Melodiebögen werden
hinzugefügt. Als Hörer wird man so in einen hypnotischen Mahlstrom gezogen
aus dem man erst nach mehr als sechs Minuten erwacht, wenn ein pumpender
Beat einen aus dieser Umklammerung löst. Ab jetzt sorgen tanzbare Beats für
einen coolen Groove. Das 7:44minütige
„Neumann Etude“ hat Wolfram zusammen mit seiner Frau Roksana
eingespielt. Während Wolfram hier herrliche Flächen und rhythmische
Elemente miteinander verbindet, auf die sich dann eine Melodie aus dem
Leadsynthesizer legt, sorgt Roksana mit einem lautmalerischen Gesang für
besondere Akzente. Gerade ihre Stimme ist es, die einen ethnischen Touch
einbringt und teilweise für Gänsehaut sorgt. Den Abschluss bildet
dann das 12:20minütige „Radar Live“, das sich stilistisch und auch
klanglich sehr gut ins Gesamtbild des Albums einfügt. Es wurde 2022 beim
RadarVision Festival mitgeschnitten. Ein sehr abwechslungsreiches Stück,
das sanft und verträumt beginnt und im Verlauf rhythmischer wird. Dabei
wandelt Spyra auch wieder auf den Pfaden der „Berliner Schule“, die er
sich zu Eigen macht. Auch wenn Wolfram Spyra
einige Sounds, die so von Klaus Schulze bekannt sind, in seine Stücke
einbaut, so ist doch Wolframs eigener Stil deutlich zu erkennen. Er nimmt
auf dem neuen Album „Tau“ quasi den Spirit und den Flow der 70’er
Jahre auf und transformiert ihn ins Hier und Jetzt mit modernen Klängen und
unwiderstehlichen Rhythmen. Das ist einzigartige und faszinierend. Stephan Schelle, Dezember 2024 |
||||