Schulze - Wiederveröffentlichungen 4
 

Klaus Schulze - Wiederveröffentlichungen von „Moondawn“, „Angst“, „Das Wagner Desaster Live“ und „Vanity Of Sounds“
3 / 73:59, 6 / 71:55, 7 / 154:32, 4 / 78:33 revisited records (2005)

Kurz vor Weihnachten gehen die Klaus Schulze-Wiederveröffentlichungen in die vierte Runde. Auch mit diesem Teil hat revisited records wieder ganze Arbeit geleistet. Herrliche, sechseitige Digipacks mit umfangreichen Booklets und einigen Bonusstücken sind mittlerweile Standard bei diesen Veröffentlichungen, die wieder in alle Dekaden des Elektronikers reichen.

Erste CD im Bunde ist „Moondawn“, die erstmals 1976 veröffentlicht wurde und zu seinen frühen Meisterwerken zählt. Klaus setzte erstmals den „Big Moog“ ein. Zusammen mit dem Schlagzeuger Harald Großkopf spielte Klaus die zwei Stücke „Floating“ und „Mindphaser“ in nur einer Nacht ein. „Floating“ ist dem Titel entsprechend ein erst langsam, dann stetig dahin fließender Track, der eine hypnotische Sogwirkung hat. Elektronisches Wellenrauschen leitet den Track „Mindphaser“ ein, der genau wie der erste Track mehr als 25 Minuten Spielzeit aufweist. Dann erklingt eine melancholisch wirkende Melodiesequenz, zu der sich Donnergrollen mischt. Auch dieser faszinierende Track entwickelt sich langsam und stetig, bis er in einen rockigen Mittelteil (klingt wirklich als sei eine Band am Werk) übergeht und in ein ekstatisches Ende mündet. Die erste CD-Veröffentlichung von „Moondawn“ hatte Klaus bearbeitet, um einen Knackser, der auf den Originalbändern zu hören war, herauszunehmen. Da die Fans das nicht gut fanden, hat er bei dieser Aufnahme das Originalband unverändert übernommen. Als Bonus enthält die CD das 21:11minütige Stück „Floating Sequence“, das aus der 76’er „Moondawn“-Session stammt und gut zu den beiden vorangegangenen Stücken passt. Der Track steigert sich vor allem durch die Dynamik, die bis zum Ende hin immer mehr zunimmt.

Die zweite CD „Angst“ ist ein Soundtrack zum gleichnamigen Film des österreichischen Filmmachers Gerald Kargl, der erstmals im Jahr 1984 auf Vinyl herauskam. Die Besonderheit ist, dass es sich um einen Film ohne die üblichen Dialoge handelte und der Film zur fertigen Musik von Schulze geschnitten wurde. Das ist auch der Grund, warum auf dem Album nur fünf Tracks mit Laufzeiten von 4:51 bis 10:18 Minuten Spielzeit enthalten sind. Klaus konnte komplette Songs komponieren, ohne sich an Bildsequenzen orientieren zu müssen. Das ist auch der Grund, warum die Musik ohne dazugehörige Bilder funktioniert. Gleich der erste Track „Freeze“ wartet mit einer schönen Melodielinie und Xylophonsounds auf, während das folgende „Pain“ einen rhythmischen, fast popartigen Stil aufweist. Diesem Silberling spendierte Klaus den 31:40 Minuten langen Bonustrack „Silent Survivor“. Dieser herrliche Sequenzer-Track stammt aus der Mitte der 80’er, hat aber mit dem Soundtrack nichts zu tun.

Im Mai 1994 hat Klaus Konzerte in Paris und Rom gespielt. Auf der noch im gleichen Jahr erschienen DoppelCD „Das Wagner Desaster - Live -“ brachte Klaus Aufnahmen dieser beiden Konzerte heraus. Das besondere daran ist, das er zwei Konzerte mit gleichem Repertoire spielte, allerdings in unterschiedlichen Remixen. Aus diesem Grund tragen die sechs Titel auch den Zusatz Wild Mix bzw. Soft Mix. Den einen Remix machte Klaus selbst und den anderen André Zenou, der damalige PR-Chef von Renault. Klaus gibt eigene Stücke ja nicht gern aus der Hand und mischt lieber selber, so stellt diese Veröffentlichung schon eine Ausnahme dar. Beim 96’er Album „Are You Sequenced“ hat er allerdings noch einmal einige Stücke von unterschiedlichen Künstlern remixen lassen. Der erste Track beginnt mit den für Klaus zu diesem Zeitraum so typischen Stimmsamples (klingt etwas nach arienhaftem Gesang), die vielleicht den ein oder anderen abschrecken könnten, doch das wäre zu schade, denn nach etwas über vier Minuten verklingen diese Sounds und Klaus beginnt mit seinem Synthiespiel, das sofort gefangen nimmt. Und auch die folgenden Tracks halten diese Stimmung aufrecht, indem sie über die Gesamtlänge einen dichten Spannungsbogen halten. Da die Spielzeit der OriginalCDs nicht vollständig ausgereizt war, wurde diesem Re-essue der 19:17minütige Titel „Encore Sevilla“, der bei einem Konzert in Spanien im Jahr 1991 aufgenommen wurde, hinzugefügt.

Zu guter letzt wäre da noch die CD „Vanity Of Sounds“, mit der wir im Jahr 2000 angelangt wären. Sie trägt die Nummer 84 in dieser Reihe, ein Hinweis auf die Anzahl, die da noch kommen wird. Die CD war bisher nicht als EinzelCD erhältlich, sondern Bestandteil der 10-CD-Box „Contemporary Works Vol. 1“. Klaus wollte mit der erneuten Veröffentlichung erreichen, dass die Fans sich die CDs aus den Boxen, die sie mögen, auch einzeln kaufen können, ohne gleich das ganze Paket zu ordern, das ohnehin vergriffen ist und nicht wieder aufgelegt wird. Während auf den anderen CDs der Box Klaus mit anderen Musikern zusammengearbeitet hat, stammen die vier Tracks des Silberlings allein von ihm, die er auch im Alleingang eingespielte. Die vier sehr trancigen Tracks gehen direkt ineinander über und stellen so eine einzige Komposition dar. Auf dieser CD klingt Klaus sehr modern und trotzdem sehr vertraut. Durch die fließenden, dahinschwebenden Klänge sind die Stücke sehr trancig und chillig. Ein geiles Teil, das sich jeder Schulze-Fan, der die Box damals links liegen ließ, unbedingt zulegen sollte.

Die einzelnen Booklets und Digipacks weisen wieder eine Menge sehr schöner Fotos aus den damaligen Zeiten auf. Für Fans und Elektronikfreunde sind diese Neuveröffentlichungen wegen der tollen Aufmachung und des wiederum umfangreichen Bonusmaterials unverzichtbar. Das perfekte Weihnachtsgeschenk.

Stephan Schelle, Dezember 2005

 
   

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