Schiller – Sehnsucht live
 

Schiller – Sehnsucht live
Universal (2008)
(25 Stücke, 153:04 Minuten Spielzeit)

Der Sommer der Sehnsucht ist vorbei und Schiller, das ist Christopher von Deylen und Band, haben eine Tour quer durch Deutschland, bei der sie auf 28 ausverkaufte Konzerte zurückblicken können, hinter sich. Ich selbst konnte mich bei zwei Konzerten von der Magie der Livemusik überzeugen (Berichte findet ihr in der Rubrik Konzerte). Wie schon bei den vorangegangenen Tourneen hat Christopher auch diese Tour auf CD und DVD dokumentiert. Dabei überrascht er dieses Mal die Fans mit zwei Produktionen. An dieser Stelle geht es um das Livealbum „Sehnsucht live“, das als umfangreiche DoppelCD Mitte November 2008 erscheint. (Die DVD-Besprechung findet ihr in der DVD-Rubrik).

 


Im sehr schön gemachten achtseitigen Digipack mit 32seitigem Booklet erscheint dieses Album, das auf CD 1 Livematerial der Tour und auf der zweiten CD eine ganze Reihe Extras bietet. Mit über 150 Minuten Spielzeit ist der Platz der beiden CDs nahezu ausgereizt.

Während die DVD beim Auftritt in Köln mitgeschnitten wurde, hat Christopher für die CD 16 Stücke von Konzerten aus zehn verschiedenen Städten zusammengestellt. Aufgrund der unterschiedlichen Aufzeichnungsorte finden sich zwischen den Stücken kurze Pausen, was aber das Gesamtbild in keinster Weise trübt. Vom Kölner Auftritt finden sich dabei nur die Stücke „Vor der Zeit“ und „Nacht“ wieder, da diese von Ben Becker gesprochen wurden, der nur beim Kölner Konzert dabei war. Als besonderes Schmankerl befinden sich unter den 16 Titeln mit „Olsberg eins“, „Rostock eins“ und „Rostock zwei“ drei Instrumentaltracks auf dem Album, die als Zwischenspiele dienten und so auf keinem anderen Album erhältlich sind. Christopher hat sich im Übrigen bei diesen drei sehr sphärischen Stücken von Klaus Schulze’s Musik inspirieren lassen. Die Liveaufnahmen auf der CD beschränken sich auf die Stücke des Albums „Sehnsucht“. Ältere Titel, wie zum Beispiel „Ruhe“ oder „Das Glockenspiel“, findet man allerdings nicht, was ich sehr schade finde, da die Band diese sehr druckvoll gespielt hat.

Als Opener diente bei den Konzerten das Stück „Sehnsucht“, das in Ermangelung der Anwesenheit von Xavier Naidoo immer instrumental gespielt wurde. Hier kommt die Version, die in Stuttgart mitgeschnitten wurde, aber besonders gut rüber. Da bekommt man beim Hören gleich die erste Gänsehaut. Sehr gut gefällt mir hier neben der Perkussion vor allem Mickey Meinerts Gitarrenarbeit. „Black“ wirkt dagegen etwas reduzierter, als auf dem Studioalbum.

Eine Pianolinie eröffnet den von Kim Sanders vorgetragenen Song „Forever“. Kim’s glasklare Stimme, die sich in den räumlichen Klang aus Keyboards und Perkussion einfügt, geht sofort unter die Haut und spinnt eine noch dichtere Stimmung als es die Albumversion schon tat. Das Kim eine unbeschreibliche Bühnenpräsenz ausstrahlt, wird auch auf CD schon bei diesem ersten Stück deutlich, wird aber später bei „Let Me Love You“ noch intensiver. Nach dem melancholischen „Denn wer liebt“ stimmt Ben Becker mit einer Texteinlage bei „Vor der Zeit“ mit ein. Anders als auf der „Sehnsucht“-CD klingt diese Passage durch den Hall live etwas unheimlicher und mystischer. Bei „Herzschlag“ legt Mickey an der E-Gitarre eine sehr rockige, straighte Einlage hin, was dem Stück gut zu Gesicht steht und Jael’s Gesang bohrt sich beim folgenden „Tired“ unaufhörlich in die Gehörgänge.

Knackig kommt „Breathe“, von September gesungen, rüber. Der Song hat absolutes Hitpotenzial. Leider war September nicht bei allen Konzerten dabei, so dass nicht alle Besucher der Tour in den Genuss kamen, sie live zu sehen. Auf der DVD kann man sie aber bewundern. Und hat man gerade September’s Stimme aus dem Kopf, dann schmeichelt sich Jette von Roth mit ihrer zerbrechlich zarten Stimme beim Stück „In The Dark“ durch die Hintertür rein. Nach dieser zarten Einlage geht es am Anfang von „Sommernacht“, das zu Beginn wie der Soundtrack vom „Herrn der Ringe“ klingt, wieder rhythmisch mit Anleihen an Alan Parsons Project weiter.

Das folgende „Rostock zwei“ ist eine kontrollierte, rhythmische Ekstase. Ein tolles Zwischenspiel. Nachdem dann Ben Becker bei „Nacht“ ein zweites Mal zum Mikro greifen darf, beendet Kim Sanders mit der Singleauskopplung „Let Me Love You“ das Konzert. Ähnlich wie schon bei „Live erleben“, bei der mir Kim’s Interpretation von „I’ve Seen It All“ schon die Tränen in die Augen trieb, geht es mir bei diesem Stück. Wenn sie versucht die Massen zum Mitsingen zu bewegen, kann man sich nicht mehr halten. Was für eine Atmosphäre!

CD Nummer 2 bietet einige tolle Extras, die nichts mit den Liveauftritten zu tun haben, aber als Bonusmaterial unschlagbar sind. Neben dem Stück „You“, das in gleicher Form auf der Single erhältlich ist und den Stücken „Time For Dreams“ (mit Lang Lang) und „Moonflowers“, die beide auf der Single „Time For Dreams“ zu finden sind, hat Christopher unter anderem noch die bisher unveröffentlichten Instrumenatlversionen von „Ile Aye“ und „Everything“ sowie das ungekürzte, mehr als 32minütige Stück „Zenit“, das er mit Klaus Schulze eingespielt hat und das in dieser Version nur auf der DVD der Super Deluxe Edition des Albums „Sehnsucht“ zu finden war, auf die CD gepackt.

Damit aber noch nicht genug, gibt es mit „Heaven“ ein brandneues Stück, das Christopher zusammen mit dem Sänger Jens Eufinger von der Band Bernstein gemacht hat. Jens weist stilistisch vom Gesang Ähnlichkeiten zu Peter Heppner auf. Im ersten Moment dachte ich sogar, es wäre eine neue Produktion mit Peter. Die beiden Schiller-Remixe der Stücke „Paradies“ (von Bernstein) und „Liquid Coincidence Part 2“ (von Klaus Schulze & Lisa Gerrard) zeigen die Remixqualität von Christopher und runden diese Bonus-CD ab. Vor allem der Titel von Schulze & Gerrard ist kaum mehr wieder zu erkennen. Lisa’s Stimme ist im Remix zwar erkennbar, aber soundmäßig ist Christopher in den Vorder- und Klaus Schulze in den Hintergrund getreten.

„Sehnsucht live“ ist ein tolles Album, das neben der Livedokumentation tolle Extras bietet. Klanglich ist die CD ebenfalls herausragend produziert. Der Livesound ist sehr transparent und die Stimmung der Besucher wurde gut eingefangen, so dass man das Gefühl hat, man sei direkt im Publikum bzw. auf der Bühne. Die Liveversionen unterscheiden sich darüber hinaus streckenweise recht deutlich von den Albumversionen, was die Anschaffung der CD für Besitzer des Studioalbums, die nicht zum Fankreis gehören, auch interessant macht. Diese CD stellt für mich einen Pflichtkauf dar. Meine Empfehlung: Unbedingt kaufen!

Stephan Schelle, November 2008

 
   

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