Schiller - Morgenstund
 

Schiller - Morgenstund
Sony Music / Schillöermusik(2019)

(
16 Stücke, 80:31 Minuten Spielzeit)

Der Klangästhet Christopher von Deylen aka Schiller beglückt mittlerweile schon seit 20 Jahren die Musikfreunde mit außergewöhnlichen Klanglandschaften. Sein Album „Weltreise“ ist bezeichnend, denn Christopher zieht es regelmäßig in alle Regionen unseres Erdballs um nach neuen Klängen zu suchen und Künstler aus aller Welt für sein Musikprojekt zu finden. Dabei schafft er es, dass seine Musik einen hohen Wiedererkennungswert besitzt. So einen eigenen Stil – bei all seiner Klangvielfalt – haben nur wenige Künstler.

 

 


Das neuste Werk von Schiller trägt den Namen „Morgenstund“ und erscheint am 22.03.2019 in den Formaten Ultra Deluxe Edition (3 CDs + 3 Blu-rays + handsignierte Leinwand) – limitiert, Super Deluxe Edition (2 CDs + 2 Blu-rays + 1 Hardcoverbuch im Schuber) – limitiert, Deluxe Edition (1 CD + 1 Blu-ray im Digipack), Doppel-Vinyl (auf gelbem Vinyl), Digital und erstmal auch als Streaming-Album. Mir lag zur Besprechung die Deluxe Edition vor.

Gut drei Jahre sind seit dem letzten, eher durchwachsenen Studioalbum „Future“ vergangen. Eine Zeit, die Christopher von Deylen nicht nur mit seinen „Klangwelten“-Konzerten genutzt hat, sondern auch zur alten Stärke zurückgefunden hat. Für „Morgenstund“ hat er neue Klänge mit seinem typischen Sound verwoben und damit ein herausragendes Album produzierte. Damit schließt „Morgenstund“ nahtlos an seine großen Werke an.

16 neue Stücke im atemberaubenden, einzigartigen Schiller-Sound, entstanden auf langen Reisen und an außergewöhnlichen Orten. In Metropolen wie London, Toronto, Berlin und Tehran, aber auch in den Alpen und einem kleinen Tal in Südtirol, der kasachischen Steppe oder im legendären Genesis-Studio „The Farm“ in Südengland.

„Für das neue Album war ich sicher länger auf Reisen als für jedes andere Album zuvor. Es sind oft ferne Landschaften und Städte, die mich faszinieren und deren Klang ich aufspüre. Als Reisender nehme ich meine Stücke von Ort zu Ort mit. Sie wachsen und werden in ihrer Struktur immer komplexer. Mal ist es eine außergewöhnliche Stimme, die mich inspiriert, mal das Instrumentenspiel im musikalischen Austausch mit anderen Künstlern, sei das nun die sanfte, persische Dotar von Yalda Abbasi, die prägnante Gitarre von Mike Rutherford oder die lässige Stimme von Nena. Jedes Stück ist immer ein Neuanfang, ein Aufbruch“, so Christopher von Deylen über die Entstehung von „Morgenstund“.

Von Deylen ist bekannt dafür, dass er immer wieder namhafte Künstler für seine Alben verpflichtet. Beim Durchsehen der Musikerliste fallen sofort einige bekannte Namen auf. So hat er dieses Mal - wie schon vor ihm die Band Daft Punk - mit Giorgio Moroder, dem Erfinder des Munich-Discosound (wer erinnert sich nicht an Donna Summer’s „I Feel Love“) und oscarprämierten Soundtrack-Komponisten ein Stück komponiert. Es heißt „Lichtjahre“ und vereinigt die Handschriften der beiden Künstler.

Mit Nena ist der Titelsong des Albums entstanden. Nie hat man die aus Hagen stammende Musikerin so relaxt und unter die Haut gehend singen gehört. Thorsten Quaeschning, der nach Edgar Froeses Tod die Elektronikinstitution Tangerine Dream weiterführt, war dann beim Stück „Morgenstern“, von dem auf dem Album eine Auszug enthalten ist, beteiligt. Auch hier fließen die beiden Stile perfekt zusammen. Und im Stück „Harmonia“ hat kein geringerer als Mike Rutherford (Genesis, Mike And The Mechanics) einen Gitarrenpart beigesteuert.

Neben dem so beliebten und unverzichtbaren Willkommenstext von Franziska Pigulla, der deutschen Stimme von Schauspielering Gillian Anderson Scully aus Akte X) gibt es auch wieder weitere Wortbeiträge. Diesmal werden sie gesprochen von zwei Charakteren des Hörspiel-Klassiker „Die drei ???“ – Oliver Rohrbeck alias Justus Jonas (Rezitation auf „Dreamcatcher, „Avalanche“ und „Morgenstern“) und Andreas Fröhlich alias Bob Andrews (Rezitation auf „Morgenstund“).

„Willkommen“, mit dem das Album beginnt und das den Hörer sofort in den Schillerschen Klangkosmos aufnimmt, wird nahtlos in das darauffolgende Instrumental „Harmonia“ angedockt, bei dem sich die sanften Klänge mit rhythmischen Motiven von Schlagzeuger Gary Wallis (ein Bekannter von einigen Schiller- und Pink Floyd-Touren) und Mike Rutherford’s atmosphärisch gespieltem Gitarrenpart verbindet. Dem folgt mit dem Gesang von Tricia McTeague der erste Popsong „Universe“. Dieses Stück steht ganz in der Tradition von Schiller’s poporientierten Gesangsnummern.

Wie in der Doku auf der BluRay zu erfahren ist, wollte Christopher ursprünglich nur dass Scott McKeon Rhythmusgitarre auf dem Album bei den Stücken „Universe“, „Avalanche“ und „Love“ einspielt. Nachdem die Aufnahmen aber im Kasten waren, spielte Scott ein mitreißendes Gitarrensolo, dass Christopher so gut gefiel, dass er es aufnehmen ließ. Damit ist „Morgenstund“ das erste Studioalbum von Schiller, auf dem ein Gitarrensolo zu hören ist.

„Dreamcatcher“ besticht dann mit einem tollen Rhythmusmuster und einem fetten Beat. Der von Jhyve gesungene Track versprüht ein unglaubliches Esprit und hat Hitpotenzial. „Baum des Lebens“ bietet danach atmosphärische Sounds, die nur Schiller so hinbekommt. Sanft beginnt „Avalanche“ (mit Schwarz) um dann im Refrain einen treibenden Beat in den Vordergrund zu stellen. Wieder so eine eingängiger Popsong, der vor allem im Refrain mitreißt.

In den Stücken „Das goldene Tor / Berlin Teheran“ baut Christopher dann ethnische Klänge ein. Der Santur-Meister Pouya Sarai lud Deutschlands Elektronik-Künstler Nr. 1 in sein Tehraner Studio ein, weitere Musiker kamen dazu. Das Ergebnis: „Das Goldene Tor“ und „Berlin Tehran“, in denen sich die Klänge klassischer persischer Musik wie selbstverständlich ins Elektronische verweben. Gesungen wird „Das goldene Tor“ von der Sängerin Yalda Abbasi. In diesen beiden Stücken verbinden sich kulturelle Element aus Europa und nahem Osten auf sehr einfühlsame Weise.

Mit Jan Blomqvist entstand ein sehr schöner Clubsong mit dem Titel „In Between“. Und wie schon oben erwähnt bietet Nena im Titelstück eine sehr relaxte Performance, die gut zu dem Song passt. Ruhig und sanft zieht dann „Shangri La“ durch den Raum, bei dem von Deylen bekannte Flächensounds mit schönen Rhythmusmustern versieht. „Lichtjahre“ mit Georgio Moroder ist ein treibendes Instrumental, das einfach Spaß macht. Die Melodie ist hierbei typisch für Moroder. Der zweite Song mit Schwarz, „New Day“ zeigt sich dann als atmosphärischer Popsong.

Nach dem wunderbaren Song „Over You“ und dem mit Thorsten Quaeschning (Tangerine Dream) eingespielten Instrumental „Morgenstern“ endet das Album dann mit dem von Rebecca Ferguson eingesungenen „Love“, in das Christopher wieder ethnische (durch den Santur-Spieler Pouya Sarai) und auch rockige Elemente eingebaut hat. Mit Rebecca Ferguson hat er wieder eine Sängerin mit einer außergewöhnlichen, ausdrucksstarken Stimme an Bord geholt.

Die BluRay hat zahlreiches Material zu bieten. Sie beinhaltet neben dem Audioalbum in den Formaten Stereo, Dolby Atmos und 5.1 Surround Videoclips zu fünf Stücken des Albums, eine siebenteilige Dokumentation zur Entstehung des Albums sowie eine halbstündige Aufnahme des Kopfhörerkonzertes mit dem Titel „Voyage: Panta Rhei“.

Als zusätzliche Extras enthält sie noch eine fast neunminütige Dokumentation zu den „Klangwelten“-Konzerten mit dem Titel „Klangwelten: Behind The Scenes“, bei dem Christopher einiges zu den Tourvorbereitungen erzählt und Bilder von den Vorbereitungen gezeigt werden. Daneben gibt es noch zwei Fotoalben und eine 6:34minütigen Doku mit dem Titel „Reise, Reise“, in der in Bildern die Reise nach Teheran gezeigt wird, wo Schiller ein Konzert vor über 30.000 Fans spielte.

Mit „Morgenstund“ ist Christopher von Deylen aka Schiller wieder ein herausragendes Album im Elektronik- / Popbereich gelungen, das sowohl klanglich als auch kompositorisch voll überzeugt. Die beiden Ton- bzw. Bildträger der Deluxe-Edition, die ich all denen empfehlen kann, die nicht gleich zu den limitierten Versionen greifen wollen, sind randvoll mit Material. Mehr geht nicht.

Stephan Schelle, März 2019

 
   

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