Sankt Otten – Sequencer Liebe
 

Sankt Otten – Sequencer Liebe
Denovali Records (2012)
(8 Stücke, 39:43 Minuten Spielzeit)

Sankt Otten, was für ein merkwürdiger Name für ein Elektronikprojekt. Hinter diesem Namen verbergen sich die beiden aus Osnabrück stammenden Musiker Stephan Otten (Synthesizer, Schlagzeug, Programmierung) und Oliver Klemm (Gitarren, Bass, Synthesizer). Bisher war Sankt Otten ein Geheimtipp in der Szene, doch sollte sich dies mit ihrem Auftritt beim diesjährigen Electronic Circus-Festival in Gütersloh wohl endgültig geändert haben. Zu wünschen wäre es den beiden sympathischen Musikern jedenfalls.

 


Hatten die beiden zunächst ihre Musik über Download-Portale angeboten, so haben sie seit einiger Zeit in Denovali Records ein Label gefunden, dass ihre Musik endlich in Form von außergewöhnlichen Produktionen anbietet. Neben dem tollen, aber auch außergewöhnlichen Artwork kommen die Alben in Spezialversionen (Verpackungen) heraus, die zu wahren Sammlerstücken avancieren.

Sankt Otten bieten Instrumentalmusik, die oftmals mit der Musik der Düsseldorfer Musiklegende Kraftwerk in Verbindung gebracht wird. Dieser Vergleich wird der Musik von Sankt Otten aber nur stellenweise gerecht. Vielmehr haben die beiden Musiker einen fesselnden Mix aus Elektronik, Elektro, Wave und Rock zusammengebraut. Das Ergebnis kann sich wahrlich hören lassen. Verpackt haben die beiden die Stücke in sehr kreative und humorvolle Titel wie zum Beispiel „Gestern fand ich alte Tränen“ oder „Mir bricht die Stimme weg“.

Den Einstieg, der in der Tat ein wenig an Kraftwerk erinnert, macht das Duo mit dem Titelstück der CD. Und doch hat es so wenig mit Kraftwerk gemein, wie ein Sandsturm mit der Arktis. In diesem ersten Stück wird die faszinierende Kombination von rhythmischen Sequenzern und atmosphärischen Gitarrenklängen deutlich, die ein ums andere Mal die Stücke von Sankt Otten durchziehen. Hypnotisch wickeln die beiden den Hörer mit diesen unglaublichen Sounds ein.

Analoge Sounds, wie aus einer Orgel, leiten in den nächsten Titel „Gestern fand ich alte Tränen“ ein. Doch spätestens, wenn Stephan Otten mit seinem Schlagzeugspiel beginnt, kommen schnell Erinnerungen an die 80’er Jahre und den Elektropop und Wave auf. Vielleicht hatten die beiden ja auch ihre musikalische Drangphase zu dieser Zeit, dass der Titel darauf hinweist, dass sie mit einem weinenden Auge an diese Zeit zurückdenken. Musikalisch ist dieses Stück jedenfalls - trotz seiner Sounds - im Hier und Jetzt verankert.

Wie eine Dampflok marschiert der nächste Track „Hungrig kann man nicht tanzen“ voran. Im darauf folgenden „Mir bricht die Stimme weg“ verzichten die beiden dann wieder auf den Rhythmus und atmopshärische, spacige Gitarrenflächen schweben durch den Raum und vermitteln eine wohlig-melancholische Stimmung. Synthiepop kommt dann mit dem Stück „Kann denn Liebe Synthie sein?“ auf. Etwas unterkühlt und technologisch kommt dann „Die Stadt riecht nach dir“ rüber. Das scheinen keine guten Erinnerungen zu sein, denn ein Stück mit einem derartigen Namen hätte ich mir voller Leidenschaft und Energie vorgestellt. So wirkt es aber recht trist und wehmütig.

Wie eine Mischung aus Kraftwerk und Rheingold wirkt „Der heilige Schmerz“, das recht rhythmisch und mit einer eingängigen Harmoniefolge gespickt ist. Treffend geht es dann mit „Ende Gelände“ aus dem Album heraus. Irgendwie habe ich bei diesem doch recht monoton wirkenden Stück New Wave der Marke Ultravox bzw. Midge Ure im Kopf, was wohl an dem abgehackten Rhythmus liegt.

Mit „Sequencer Liebe“ erscheint im Jahr 2012 das mittlerweile zehnte Werk des Duos. Qualitativ bewegen sich Otten und Klemm auf sehr hohem Niveau. Mit der aktuellen Scheibe sollte ihnen der Durchbruch in der Szene - und darüber hinaus - gelingen. Ein tolles Album, das man gehört haben sollte.

Stephan Schelle, September 2012

 
   

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