Ron Boots – See Beyond Times, Look Beyond Words
 

Ron Boots – See Beyond Times, Look Beyond Words
Groove Unlimited (2008)
(7 Stücke, 70:26 Minuten Spielzeit)

Zwei Jahre ist es mittlerweile her, dass der niederländische Elektroniker Ron Boots sein letztes Album veröffentlichte. Im Jahr 2006 befasste er sich auf „Acoustic Shadows“ mit dem ernsten Thema der Weltkriege. Auf dem aktuellen Album „See Beyond Times, Look Beyond Words“ geht es wieder um seine andere Leidenschaft, die er neben der Elektronikmusik hat, dem Lesen. Schon Ende der 80’er wie bei der Kassettenproduktion „Bookworks“ hatte er bereits seinen Hang zum Lesen in seine Musik eingeflochten. Und Ron verschlingt sehr viel, ob nun Science Fiction, Fantasy, Geschichte oder Thriller, er liebt es einfach alles zu lesen.

 


Sieben Stücke serviert er uns, die es auf Laufzeiten zwischen 2:27 und 15:52 Minuten bringen. Ron ist bis auf zwei Tracks, bei denen er allein agiert, mit anderen Musikern eine Kollaboration eingegangen. Dass er gern auch mit anderen Künstlern zusammenarbeitet, wissen wir bereits, denn er wirkte in zahlreichen Projekten mit, aber auf einem Boots-Album war das bisher in der Form nicht der Fall.

Die CD startet mit dem längsten Stück „Hour Of The Wolf“, bei dem Gert Emmens ein Solo beisteuert. Doch als ich die ersten Töne hörte, dachte ich bei mir, „Ron hat seinen Stil total geändert“, denn das klingt nicht nach ihm. Hier werden monoton wiederholende Tonfolgen gespielt, was sich nach dem Stil des frühen Klaus Schulze anhört. Eine gewisse Enttäuschung machte sich breit, denn das ist ja nicht der Ron, den ich so mag. Doch dieses ungute Gefühl verflog schnell, weil es sich bei dieser ersten Passage nur um die Einführung in dieses lange Stück handelt. Nach etwas mehr als sechs Minuten rauschen dann die Synthies, das ist das Startzeichen für Rons gewohnte Attacke auf den Elektronikfreund. Bei dieser Melodielinie und dem typischen Boots-Rhythmus geht mir gleich das Herz auf. Ein tolles, treibendes Stück, so wie man es von Ron kennt, entwickelt sich und entfaltet über die volle Länge einen ungeheuren Spannungsbogen. Wo nun allerdings Gert Emmens sein Solo untergebracht hat, konnte ich nicht ausmachen. Wer einen Eindruck vom neuen Album haben möchte, der sollte beim Probehören nicht gerade die ersten sechs Minuten des Eröffnungsstückes wählen, denn die sind nicht repräsentativ für den Rest der CD.

Gewitterwolken ziehen im Stück „A Walk In The Rain“ auf. Es tröpfelt und das Gewitter ist in einiger Entfernung auszumachen. Diesen Beginn verziert Ron mit Synthieklängen, die wie Walgesänge aus den Boxen kommen. Diesen Part würzt er mit einem Pianoklang und nach wenigen Momenten kommt eine Gitarre dazu. Ron’s Solowerk mit Gitarre? Geht denn das? Ja, es klingt sehr gut, wie Henri Peeters in die Saiten greift. Außerdem ist auch noch Ron’s langjähriger Freund Harold van der Heijden zu hören, der das Schlagzeug bedient. Durch den Einsatz dieser Instrumente wirkt das Stück wie von einer Band gespielt. Das bringt frischen Wind in Ron’s Musik. Mir gefällt das sehr gut. Das Stück, das zunächst sehr sanft und ruhig beginnt, wird im Verlauf immer treibender. Für mich blickt Ron damit über den Tellerrand in Richtung Progrock.

Das folgende zwölfminütige „Boellistian“ hat Ron dem amerikanischen Elektronikmusiker Paul Ellis gewidmet, der auch bei diesem Stück zum Einsatz kommt. Man spürt bei diesem Stück, dass hier Ron nicht allein am Werk ist, denn dieser Track ist nur ansatzweise im typischen Boots-Stil gehalten, er bewegt sich eher im musikalischen Umfeld von Paul Ellis.

Bei „Storms Over IO“, hat sich Ron von der Science Fiction-Reihe „Demon Princes“ des Schriftstellers Jack Vance (ich muss zugeben, dass ich von ihm noch nichts gelesen hab) inspirieren lassen. Dieser Meister des Sci Fi, wie Ron ihn bezeichnet, hat ihn am meisten beeindruckt. Zusammen mit Harold van der Heijden entwickelt sich der Sturm zu einem typischen Boots-Stück mit tollen Melodien und Rhythmussequenzen, die auch an Tangerine Dream erinnern. Der Track steigert sich immer weiter, bis er am Ende in einem atemberaubenden Rhythmuspart ausklingt. Einfach klasse gemacht.

„Harbours“ ist einer von zwei Tracks, bei denen Ron allein hinter seinen Instrumenten agiert. Wellenrauschen und mystisch klingende Synthies lassen mich durch diesen Hafen schweben. Es entwickelt sich eine eigentümliche Atmosphäre, die experimentell, wie eine Klanginstallation klingt. Nach etwas mehr als 2 Minuten ist der Track dann schon beendet und mündet direkt in „Radar“, das mit einem Piano und einer Art Möwengeschrei ohne Unterbrechung weiter macht. Bei diesem Stück ist gleich eine ganze Mannschaft beteiligt und so klingt dieses Stück auch wieder eher nach einem Bandprojekt. Martijn Ruissen, Harold van der Heijden, Henri Peeters und Frank Bogaert unterstützen Ron bei diesem Stück, das auch wieder Progrock-Anleihen aufweist. Ein sehr schönes mehr als achtminütiges Stück.

Den Abschluss der CD bildet der zweite Solotrack „We Are Off“. Ron schreibt dazu im Booklet: „Der Held besteigt sein Pferd, der Reisende startet seinen Marsch, der Magier startet sein Abenteuer und ich beende mein Album um auf eine neue musikalische Reise zu gehen. Mal sehen, wo sie mich dieses Mal hinführt.“ Das Stück ist mit seinem sehr eingängigen Beat schon fast tanzbar. Das kennen wir auch schon von dem ein oder anderen Album, bei dem Ron ebenfalls eine Danceartige Nummer untergebracht hat. Wenn Ron seinen musikalischen Weg so weitergeht wie bisher, dann folge ich ihm gerne.

Auch die 17. CD von Ron Boots ist ein Qualitätsprodukt in der traditionellen Elektronik. Wer Ron’s Stil mag, der kann hier blind zuschlagen. Ron hat sich weiterentwickelt, denn neben seinem typischen Stil lässt er in den Stücken genug Raum für weitere Elemente, die aus der CD mehr machen, als nur eine Elektronikplatte. Die Anleihen zum Progrock sind unverkennbar, was ich toll finde, denn die Stile liegen ja gar nicht so weit auseinander. Kauftipp!!

Stephan Schelle, Mai 2008

 
   

CD-Kritiken-Menue