Ron Boots – Alone On Stage
Groove Unlimited (2023)

(5 Stück, 59:03 Minuten Spielzeit)

Das neueste Album des niederländischen Elektronikmusikers Ron Boots, der wie kein anderer die niederländische Elektronikszene beeinflusst hat, ist ein Livealbum, das beim Dutch Electronic Masters Music Festival 2 im ‘t Tejaterke in Best am 26.08.2023 mitgeschnitten wurde. Da Ron allein aufgetreten ist, heißt das Album entsprechend „Alone On Stage“.

 

 


Auf der CD, die in einem Jewelcase mit vierseitigem Booklet mit atmosphärischen Konzertfotos ausgestattet ist, finden sich fünf Stücke, die „Track One“ bis „Track Five“ betitelt sind. Wie auf der Seite von Groove Unlimited zu lesen ist, wurden diese Tracks bereits auf mehreren Downloads und CD’s veröffentlicht, wurden aber für dieses Konzert überarbeitet und stark verändert!

Ron Boots, der seit 1987 elektronische Musik veröffentlicht, ist zwar von der „Berliner Schule“ beeinflusst, hat aber von Beginn an einen ganz eigenen Stil entwickelt, der auch als „Eindhovener Schule“ bezeichnet werden kann. An seiner Musik haben sich auch einige andere Musiker orientiert. Ron ist darüber hinaus Veranstalter der E-Day- und E-Live-Festivals und betreibt das Label Groove Unlimited.

In seinem Konzert in Best hat er atmosphärische Sounds mit kraftvollen Rhythmen verbunden. Sehr mysteriös mit Flächen, perlenden und flirrenden Sounds, die mit Stimmsamples in den Hintergrund gelegt sind, startet Ron in den 7:18mnütigen „Track One“. Das hat auch etwas düsteres, unheilvolles und erzeugt spannende Stimmungsbilder. Die Dynamik nimmt immer mehr zu und gipfelt in einem futuristischen Soundmix.

Nahtlos schließt sich nun der 14minütige „Track Two“ an, bei dem nun sanfte Bassklänge und Harmonien, die so typisch für Ron Boots sind, eingebunden werden. Noch sind in diesen Momenten mehrere Klänge übereinandergeschichtet. Dann kommt nach 1:45 Minuten ein weiteres Rhythmusmuster auf und der Track nimmt Fahrt auf. Trompetenhafte Sounds übernehmen einen Teil der Melodielinie und weitere Sounds sorgen für noch mehr Volumen. Nach dreieinhalb Minuten baut Ron dann noch Synthesizerchöre ein. Der Track steigert sich immer weiter mit u.a. tollen Sequenzerrhythmen und klingt einfach nur genial.

Nach rauschenden Synthesizerklängen und Chören wechselt Ron dann mit futuristischen Klängen nahtlos in den 11:26minütigen „Track Three“. Dieser beginnt sehr spacig mit flächigen Harmonien. Die Dynamik der Chöre nimmt nach wenigen Momenten zu und nach etwas mehr als zwei Minuten entwickelt sich wieder ein hypnotischer Track, bei dem Ron Gänsehaut treibende Mellotronklänge mit einem leicht pulsierenden Basslauf und Flächen verbindet. Das hat als DNA die „Berliner Schule“, Ron transformiert dies aber deutlich in die Eindhovener Richtung der Elektronikmusik. In diesem Part sind auch Acts wie Broekhuis, Keller & Schönwälder nicht weit entfernt. Nach etwas mehr als fünf Minuten kommt dann ein Schlagzeugrhythmus aus dem Rechner, verbunden mit dem Sequenzer auf, die dem Track mehr Druck und Eigenständigkeit verleihen. Das ist Ron Boots at ist best.

Mystische Klänge dienen als Übergang in „Track Four“, das mit 18 Minuten der längste Part des Konzertes ist. Allerdings wirkt das Konzert wie ein einziger, fast einstündiger Longtrack. Flirrende Synthies und Chöre überbrücken die erste Minute bis dann zischende, wabernde Sounds den Boden für den Longtrack bereiten. Nach weiteren wenigen Momenten schälen sich dann Mellotronklänge sowie Harmoniefolgen heraus, die nach gut dreieinhalb Minuten nun druckvoller werden und erneut in einen hypnotischen Part münden. Das wirkt zunächst noch sehr repetitiv, bekommt aber, sobald nach sechs Minuten eine leichte Melodie einsetzt einen hymnischen Charakter, auch wenn zunächst diese Harmonien noch im Hintergrund liegen. Die hätte ich mir in diesem Part dann doch etwas dominanter gewünscht. In dieser Phase erinnert Ron auch an Klaus Schulzes Stil. Langsam aber stetig entwickelt sich dieses Stück und bekommt im Verlauf noch mehr Dynamik. Das Stück wirkt wie das Morphen von der „Berliner“ und der „Eindhovener Schule“.

Das achtminütige „Track Fife“ beschließt dann den Konzertmitschnitt mit zunächst recht spacigen Klängen die sich aber nach wenigen Momenten in einen Track mit sehr schönen Harmonien, die unter die Haut gehen, transformiert. Ein sanfter Rhythmus begleitet dies, bis dann nach nicht ganz drei Minuten wieder ein Schlagzeugrhythmus einsetzt. Das ist einfach grandios gemacht und so typisch für den niederländischen Klangzauberer.

Ron Boots, dessen letztes Solo-Studioalbum aus dem Jahr 2020 stammt, hat mit „Alone On Stage“ mal wieder ein sehr beeindruckendes Livedokument veröffentlicht. Sein eigener Stil kommt hier voll zur Geltung und wird durch Stimmungsbilder, wie in „Track One“ um weitere Stilelemente ergänzt. Am Besten ist er aber, wenn er so richtig loslegt und die Sequenzer für den Drive sorgen, auf den Ron dann die unglaublichen Harmonien und Melodiebögen legt. Für Fans ein Muss und für alle, die ihn noch nicht kennen, ein guter Einstieg in das umfangreiche Werk des niederländischen Meisters.

Stephan Schelle, Januar 2024

 
   

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