Ron
Boots – Acoustic Shadows Groove Unlimited (2006) Mittlerweile drei Jahre ist es nun her, dass Ron Boots, der niederländische Meister der elektronischen Musik mit „Area Movement“ sein letztes Soloalbum herausbrachte. In der Zwischenzeit hatte er im Jahr 2004 mit Frank Klare auf „Monumental Dreams“ ein musikalisches Lebenszeichen abgeliefert. Das neue Werk, mittlerweile seine 16. SoloCD, trägt den Namen „Acoustic Shadows“. Ron, für seine herrlich
stimmungsvollen Sequenzen bekannt, die einen eigenen Stil, ich möchte ihn
mal als „Eindhovener Schule“ bezeichnen, kennzeichnet, hatte auf seinem
letzten Album „Area Movement“ vor allem bei den Titeln „Strand“ und
„Serengeti Part 1 + 2“ einen ethnischen Flair in seine Musik gebracht. Auch
der Rhythmus in diesen Stücken entwickelte einiges an Druck. Und mit dem
Kansas-Klassiker „Dust In The Wind“ hatte er sogar eine Coverversion im
poppigen/ elektronischen Stil aufgenommen. Auf „Acoustic Shadows“ lässt er es
aber etwas gemächlicher und teilweise auch melancholischer angehen, ohne
jedoch seinen typischen Stil zu vernachlässigen. |
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Beim Titel der CD kommt mir gleich der Gedanke: „Hat Ron jetzt sein Instrumentarium gewechselt und spielt hier auf akustischen Instrumenten?“ Doch gleich die ersten Töne der CD zeigen, dass es mit dem Titel etwas ganz anderes auf sich hat. Ron hat sich auf seinem neuen Album einem sehr ernsten Thema, nämlich dem Krieg gewidmet. Schon auf dem sehr düsteren, in Grau gehaltenen Cover sind Soldaten während des Krieges zu sehen, wie sie durch eine zerstörte Landschaft gehen. Und auf der Rückseite ist gar ein Soldatenfriedhof abgebildet. Sechs Tracks, bei denen sich das Thema um den unbekannten Soldaten, um die Schlacht von Somme und die Bombardierung Dresdens dreht, finden sich auf der mit gut 71 Minuten Spielzeit gut gefüllten CD. Ron schreibt im Booklet, dass die neue CD die persönlichste seit „Detachment Of Worldly Affairs“ ist. Immer schon hat Ron Interesse an Geschichte gehabt. Ganz besonders weckten die Kriegsphasen und deren Hintergründe seine Aufmerksamkeit und so lag es auf der Hand, sich dem Thema mal musikalisch zu widmen. Besonders gut gefällt mir als Deutschem, dass Ron da ganz objektiv an das Thema gegangen ist, was für Niederländer, die ja bekanntlich im zweiten Weltkrieg von uns nicht gerade gut behandelt wurden, nicht einfach ist. Aber kommen wir zur Musik. Es ist natürlich klar, dass Ron hier keine fröhliche Musik anstimmt. Beim Opener „The Unknown Soldier“ gedenkt er den vielen gefallenen unbekannten Soldaten, die auch heute noch auf fremden Boden begraben liegen. Er beginnt zunächst sehr hymnisch und orchestral und vermittelt eine gewisse sehnsuchtsvolle Melancholie, aber Rons Stil ist schon früh zu erkennen. Dieser erste mehr als elfminütige Track ist in der ersten Hälfte recht ruhig, entwickelt sich aber dann zum typischen Boots-Titel im Midtempo-Bereich. Und hier bietet er dann wieder diese herrlichen Melodielinien, die wir von ihm kennen. Die Stücke gehen nahtlos ineinander über und werden durch Effekte miteinander verbunden. Teils, wie auch zu Beginn von „The Battle Of The Somme“, fügte Ron gesprochene Texte, die sich anhören, als seien sie aus einer Fernsehsendung entnommen, seiner Musik hinzu. Das wirkt manchmal auch wie die Erzählstimme aus „War Of The Worlds“. Mir persönlich gefällt das sehr gut. Das fast 14minütige Titelstück entwickelt durch seine ganz eigene Rhythmik eine wohlige Stimmung. Ein Track zum abchillen und genießen, trotz des ernsten Themas. Denn „Acoustic Shows“ nennt man das Phänomen, dass man in direkter Nähe vom Kampfgeschehen die Kanonen und das Kriegsgeräusch nicht richtig wahrnehmen kann, als wäre man im Schatten dieser Geräusche. Erst in einiger Entfernung ist dann das Kampfgetümmel richtig zu hören. Mit dem zehnminütigen „Assault“ (Angriff) kommt für mich das Highlight der CD. Zuerst erklärt eine männliche Stimme den Begriff „Acoustic Shadows“, dann schweben noch einige psychedelische Flächen aus den Boxen, eine Frauenstimme spricht traurig ihren Text und dann geht der Sequenzer ab wie „Schmitz Katze“, so wie ich es von Ron am liebsten mag. Ron startet, im übertragenen Sinne, einen Angriff auf das Nervenzentrum des Hörers, der die Töne in Gänsehaut und wohlige Gefühlsausbrüche umwandelt. Die „Desolate Fields“ hat Ron dann dem Thema entsprechend ruhig und melancholisch angelegt. Der Abschlusstitel „Dresden“ wird wieder durch einen Sprecher und Sounds, die nach Bombenangriffen klingen, eingeleitet. Auch dieser Track ist wieder rhythmisch und typisch Ron Boots. Wer seinen Sequenzer orientierten Stil mag, der kann bedenkenlos zugreifen, was man von allen Boots-Scheiben sagen kann. Ich hoffe nur, dass Ron nicht wieder drei Jahre ins Land gehen lässt, bevor er wieder eine Soloscheibe herausbringt. Stephan Schelle, Juli 2006 |
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