Robert Schroeder – Fata Morgana
 

Robert Schroeder – Fata Morgana
NEWS Music / Spheric Music (2019)
(7 Stücke, 65:45 Minuten Spielzeit)

Der 1955 in Aachen geborene Robert Schroeder wurde in den frühen 70’er Jahren von der Musik des Elektronikpioniers Klaus Schulze inspiriert. Der Kontakt zu Schulze öffnete Schroeder dann den Weg in die Elektronikszene und so veröffentlichte er im Jahr 1979 sein Debütalbum „Harmonic Ascendent“ auf dem IC-Label, das zu diesem Zeitpunkt noch von Klaus Schulze betrieben wurde. In den vergangenen 40 Jahren ist Robert Schroeder ebenfalls zu einem der wichtigsten Vertreter dieses Musikgenres geworden. Dabei hat er einen eigenen, erkennbaren Stil entwickelt, den er über die Jahre immer wieder mit neuen Sounds erweitert hat.

 

 


Zum 40jährigen Jubiläum erscheint im Sommer 2019 das 40. Soloalbum von Robert Schroeder, somit kann der Aachener Musiker gleich zwei Jubiläen feiern. Das neueste Werk hat er „Fata Morgana“ betitelt. Wie seine letzten Werke erscheint das Album beim Essener Elektronik-Label Spheric Music.

Sieben Stücke präsentiert Schroeder auf „Fata Morgana“ die Laufzeiten zwischen 6:48 und 13:32 Minuten Spielzeit aufweisen. Genug Zeit, dass sich die Stücke entwickeln können.

Mit zischenden Synthies, die durch den Raum fliegen und eine spacige Atmosphäre bieten, beginnt der 7:53minütige Opener „Binary Streams“. Dem folgen nach wenigen Momenten dann herrliche Flächen, die wie ein aufziehender Sonnenaufgang wirken. Diese Flächen beamen mich nach kurzer Zeit beim Hören dann aber in den Orbit und erwecken bei mir den Eindruck von hier oben einen weiten Blick auf unseren Planeten und das All zu haben. Das ist Spacemusic par Excellenz. Effekte und Gitarrenlicks verstärken diesen schwebenden Eindruck noch. Nach etwas mehr als vier Minuten sorgen ein akzentuierter Rhythmus sowie Gitarreneinwürfe, die einen bluesigen sowie mediterranen Einschlag besitzen, für ein weiteres Flair.

Der zweite Track „Virtual Traps“ (11:06 Minuten) schließt nahtlos an. Mystische Klanggebilde wirken zunächst auf den Hörer ein. Dann bilden sich langsam Klänge heraus, die man von Schroeder kennt. Ein Sequenzer beginnt ebenfalls seine taktgebende Arbeit und lässt eine Spur „Berliner Schule“ mit großem Aachener Flair einfließen. Flächen ziehen über dem Sequenzer hinweg und übernehmen nach wenigen Minuten dann den Hauptpart. Nach nicht ganz vier Minuten bestimmen dann flirrende, schwebende und wabernde Klangmotive und Harmonien das Bild, so als würde man in der heißen Sonne flirrende Bilder erkennen, wie bei einer Fata Morgana. Diese Stimmung zieht sich dann durch Robert’s Stück, das er mit weiteren Sounds versieht, die für Abwechslung sorgen. Eine herrlich ambiente Stimmung wird so aufgebaut, in dem Geist und Körper entspannen können.

Der nächste Track, der sich wiederum nahtlos anschließt, ist das 7:43minütige „Cybercrime“. Von Beginn an werden Harmonien geboten die einen Spannungsaufbau erzeugen. Der Sequenzer kommt nach einer Minute hinzu und sorgt neben weiteren Klängen und Motiven für eine Veränderung. Jetzt ziehen erneut Flächen durch den Raum, die aber nach nicht ganz zwei Minuten mit einem treibenden, tranceartigen Rhythmusgroove unterlegt werden. Dazu spielt Robert eine hinreißende Melodielinie. Das geht nicht nur ins Hirn, sondern lässt auch die Gliedmaße zucken. Für mich wieder so ein außergewöhnlicher Track, der die typische Handschrift von Robert Schroeder trägt.

„Web Faces“ ist mit seinen 13:32 Minuten der längste Track des Albums. Gemächlich beginnt das Stück wieder mit weiten Flächen. Jetzt klingt der Sound durch zischende und ratternde Synthies gar etwas industriell. Typische Percussioneinwürfe leiten dann nach gut zweieinhalb Minuten in einen treibenden, rhythmischen Track über, der wieder nur so vor den beliebten Sounds des Aachener Musiker strotzt und doch neu und frisch klingt. Robert spielt hier mit rhythmischen und sphärischen Elementen und wechselt im Stück ein ums andere Mal die Dynamik, was den Spannungsbogen hochhält.

Auch das nächste Stück (6:48 Minuten) handelt im weitesten Sinne thematisch vom Web. Es heißt „Digital Identities“ und versprüht den Charme eines Klaus Schulze der frühen 90’er. Rhythmus und Synthiechöre sowie Gitarrenklänge wandeln nun im Stil der „Berliner Schule“. Diesem Stil verleiht Robert allerdings eine Frischzellenkur. „Dangerous Clicks“ (10:10 Minuten) scheint uns vor Websides mit kriminellen Inhalten zu warnen. So düster wie der Titel, so düster zeigen sich auch die ersten Klangbilder des Stückes. Dunkle Sounds und Rhythmen ziehen zunächst durch den Raum. Robert erzeugt in diesem Stück vornehmlich Stimmungsbilder, die erst nach mehr als vier Minuten in eine Melodielinie übergehen. Dann aber wird es richtig melodisch und rhythmisch. Der Track entwickelt sich nun zu einem unwiderstehlichen Stück, das richtig gut abgeht. Hier wünsche ich mir gar eine Version, die nur diese Melodien und Rhythmen bietet.

Die CD wird dann mit dem 8:31minütigen Stück „The Berlin Code“ beendet. Wie der Titel schon assoziiert, bewegt sich Robert in diesem Track erneut im Umfeld der „Berliner Schule“, allerdings mehr als Ausgangspunkt für seinen eigenen und jetzt modernen Sound. Vielleicht eine Hommage an seine Anfänge, als er von Klaus Schulze maßgeblich inspiriert und unterstützt wurde. Der Track ist sehr rhythmisch und zeigt Spurenelemente wie Synthiechöre und Flächen der „Berliner Schule“, hat aber ein ganz anderes Flair als das, welches wir aus unserer Hauptstadt kennen. Treibende Rhythmen, die wie eine Dampflock in voller Fahrt wirken, bestimmen hier den Track. Darauf legt Robert Flächen, Chöre, Harmonien und weitere rhythmische Elemente.

Herzlichen Glückwunsch Robert Schroeder, für ein solches Jubiläum, das mit einem tollen Elektronikwerk gefeiert wird. „Fata Morgana“ beweist, dass Robert Schroeder auch nach 40 Jahren Musikkarriere nicht müde ist immer wieder neue Musik zu erschaffen und die Neugier nach neuen Sounds und Effekten aufrechterhalten hat. Dadurch klingt seine Musik zum einen Vertraut, zum anderen aber frisch und neu.

Stephan Schelle, Juni 2019

 
   

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