Picture Palace Music – Indulge The Passion
 

Picture Palace Music – Indulge The Passion
Eigenvertrieb / www.picture-palace-music.com (2012)
(9 Stücke, 75:06 Minuten Spielzeit)

Der kreative Kopf und die feste Komponente hinter dem Musikprojekt Picture Palace Music, das ursprünglich Stummfilme neu vertont hatte, ist zweifelsfrei Thorsten Quaeschning. Thorsten ist seit einigen Jahren Mitglied der Elektronikinstitution Tangerine Dream und lebt mit Picture Palace Music seine Freiheit aus. Davon konnte man sich beispielsweise bei den letzten Konzerten im Jahr 2011 überzeugen. Im April 2012 legt er mit seinem Projekt ein neues Album unter dem Titel „Indulge The Passion“ vor.

 


Picture Palace Music ist ein Projekt, in dem Thorsten Quaeschning mit wechselnden Musikern bzw. in unterschiedlichen Konstellationen eine Musik produziert, die die Grenzen zwischen Elektronik- und Rockmusik durchbricht. Neben Thorsten gehört auch Sascha Beator zum harten Kern des Projektes, der auch einige Tracks komponiert bzw. mitkomponiert.

Neun Stücke finden sich auf dem neuen Album, die in der Zeit von 2010 bis 2012 entstanden sind. Zwei der neuen Stücke hatten schon beim letztjährigen electronic circus-Festival in Gütersloh ihre Liveprämiere. Der Rest ist neu und wird wahrscheinlich beim e-day-Festival im niederländischen Oirschot, Ende April 2012, aufgeführt.

Neben Thorsten wirkten auf dem Album noch folgende Musiker mit, die je Stück in unterschiedlicher Kombination zusammenarbeiteten: Sascha Beator, Kai Hanuschka, Vincent Nowak, Djirre, David See, Juergen Heidemann, Tommy Betzler, Thorsten Spiller, Stephen Mortimer, Nadine Gomez und Vanessa O. Diese Musiker haben außer den üblichen Instrumenten wie Keyboards, Schlagzeug und Gitarre auch Sound-Stones, Stones, Rainstick, Gong, Cello, Violine, Djembe, Cymbals, Xylophon, Darbuka und Didgeridoo zum Einsatz gebracht. Herausgekommen ist wieder ein wunderbares Album, das als Grundstock Sequenzer orientierte Elektronikmusik bietet, auf der sich Rockelemente ausbreiten.

Gestartet wird recht sphärisch mit dem zehnminütigen Track „Immortal Hours And Passion Flowers“, denn der Track beginnt mit elektronischen Klängen, die an Spacemusik erinnern. Recht schnell ändert sich aber mit Einsatz des Rhythmus diese Stimmung und ein recht melodischer, aber sanft dahin gleitender Elektroniktrack entwickelt sich, der ansatzweise an Tangerine Dream erinnert, aber im weiteren Verlauf auch gänzlich neue und eigenständige Sounds präsentiert. Sehr effektvoll werden hier Perkussion mit Instrumenten wie Soundstones, Stones oder Rainstick eingesetzt. Im Verlauf entwickelt sich der Track immer treibender, druckvoller und bekommt dadurch eine eigenartige hypnotische Ausstrahlung. Ein klasse Einstieg, der aber noch mit angezogener Handbremse gespielt ist (wer die Band live gesehen hat, weiß, was ich meine).

Auch das achteinhalbminütige „The Rose And The Cross“ zeigt noch eher das sanfte Gesicht von Picture Palace Music. Recht symphonisch, so wie für einen Soundtrack gemacht, wirkt der Track zu Beginn, was vor allem durch den Einsatz von Cello und Violine hervorgerufen wird. Auch der Rhythmus, der neben dem Sequenzer auch von Soundstone und Stones vorgegeben wird, bringt keine Änderung in diesen symphonischen Sounds. Vor allem mit den Stones erzeugte Rhythmik bringt aber eine gewisse ethnische Variante mit ins Spiel.

„Separate Existence“ ist ein wunderbarer, melodischer Track mit hypnotischem Beat aus der Feder von Sascha Beator. Die einsetzende Perkussion ist faszinierend und auch die Melodie sorgt für ein wohliges Gefühl. Industrielle und unterkühlte Klänge weisen in den Track „Speaking Stillness In The Rose-Flushed-Snow“, der jetzt auch Schlagzeug aufweist. In diesem Stück kommt endlich Bandatmosphäre auf und auch wenn es noch recht verhalten klingt, kommt doch schon eine Spur der Livequalitäten, die Picture Palace Music haben, auf. Mit zwei Schlagzeugern sorgen Picture Palace Music für ein sehr gutes Rhythmusgefüge und die Melodie spricht darüber hinaus für sich. Ein tolles Stück, das bei mir Gänsehaut aufkommen lässt.

Nach diesem rhythmischen Track wird es in „Bealific Vision“ erst einmal verträumt, denn Gänsehaut erzeugende Flächen schweben im Hintergrund, während im Vordergrund eine Pianomelodie sanft durch den Raum zieht. Diese Sanftheit zieht sich auch über die volle Länge von mehr als sechs Minuten. Rhythmischer mit einer Spur Popmusik wird es dann in Sascha Beator’s Stück „Fiery Fountain Of The Stars“. Man merkt diesem Track gleich an, dass hier wieder die beiden Schlagzeuger Kai Hanuschka und Vincent Nowak am Werk sind. Der Track liegt irgendwo in der Schnittmenge von Electropop und Elektronikmusik der Marke Tangerine Dream.

Ein Geräusch als würde man einen Rechner starten (der Ventilator ist zu hören) ist zu Beginn von „Passion Of Regret“ zu hören, das mit 12:17 Minuten längste Stück des Albums. Dann kommt ein Ton, der wie ein Nebelhorn klingt, nur wesentlich länger gezogen ist. Oder ist das etwa eine Art Akkordeon bzw. ein Harmophon, wie es in der Instrumentenliste steht? Während diese Klänge die ersten zwei bis drei Minuten beherrschen, kommen nach gut dreieinhalb Minuten wunderbare, einfühlsame Synthieklänge aus den Boxen, während der Sequenzer seine Rhythmusmuster ausströmt. Das ist einfach nur traumhaft und geht direkt unter die Haut. Nach gut sechs Minuten wird aus dieser traumhaften Atmosphäre ein rockiger Part, denn nun setzen wieder die zwei Schlagzeuger ein, einer davon dieses Mal Tommy Betzler. Diesen eigenwilligen Sound, der die Welten zwischen Elektronik- und Rockmusik miteinander verbindet, beherrschen derzeit nur Picture Palace Music. Nicht umsonst wurden sie zwei Jahre nacheinander beim Schallwelle-Preis in der Kategorie „Bester deutscher Act“ auf den ersten Platz gewählt.

„Compass Me“ ist mit 12:11 Minuten Spielzeit nur geringfügig kürzer als der Track zuvor. Er strahlt eine ganz eigene Atmosphäre aus. Ein Didgeridoo sowie Sitarklänge lassen zu Beginn des Stückes ethnische Stimmungen aufkommen. Man wähnt sich förmlich im nahen Osten. Dann nach gut zwei Minuten setzt ein hypnotischer Rhythmus ein und man fällt als Hörer vor den Boxen fast in eine Art Trance. Recht stoisch wird dieser Track vorangetrieben, und doch verströmt er hypnotische Klangwolken, die einem die Sinne zu rauben scheinen.

Den Abschluss bildet dann „Continuous Aspiration“. Eine Keyboardharmonielinie, die mit wunderbaren Echoeffekten versehen ist und ein gewisses nostalgisches Feeling aufkommen lässt (so etwas war in den 70’er modern) eröffnet den letzten Track. Dann setzt der Sequenzer ein und sofort wird es wieder hypnotisch und die Gänsehaut macht sich breit. Nach gut zweieinhalb Minuten setzt dann ein stampfender Beat ein, der mit dem Sequenzerrhythmus eine innige Verbindung eingeht. Verziert wird das Ganze durch tolle Schlagzeugmuster und eine sägende, aber dezent gehaltene E-Gitarre. Ein toller treibender Track zum Abschluss, der noch mal die ganze Kraft der Musik von Picture Palace Music auf den Punkt bringt.

Mit „Indulge The Passion“ zeigen Picture Palace Music, dass sie zu Recht zur Speerspitze der deutschen Elektronikszene gehören. Mit ihrer Musik lassen sie die Grenzen zwischen den einzelnen Genres mühelos hinter sich. Ich könnte sie mir gut bei einem Festival wie zum Beispiel dem Night Of The Prog auf der Loreley oder dem Burg Herzberg-Festival auf der Bühne vorstellen. Mit ihrer Musik begeistern sie nicht nur die Fans der Elektronikszene, das beweisen sie mit „Indulge The Passion“ auf’s Neue. Hohe Empfehlungsstufe.

Stephan Schelle, April 2012

 
   

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