Pharamond – Naturalis Historia
 

Pharamond – Naturalis Historia
SynGate (2018)
(
5 Stücke, 59:44 Minuten Spielzeit)

Pharamond ist das Pseudonym des aus dem französischen Elsass (Strasbourg) stammenden Sylvain Mazars. Sylvain ist in der Elektronikszene bekannt, da er über die Elektronikmusik in seinem eigenen Blog schreibt. Im Jahr 2014 erschein bei SynGate sein Debütalbum „Orbis Tertius“, im Sommer 2018 kam nun der Nachfolger auf den Markt, der den Titel „Naturalis Historia“ trägt.

 

 


Wie schon bei dem Debüt, so hat sich Sylvain auch bei seinem neuesten Output von einem Buch inspirieren lassen. Dieses Mal ist es das Werk des römischen Historikers und Schriftstellers Gaius Plinius Secundus, dessen Naturalis Historia eine aus 37 Bänden bestehende Enzyklopädie in lateinischer Sprache darstellt. Es ist wohl das umfangreichste geschriebene Werk aus dem römischen Reich, das die Jahrhunderte überlebt hat.

Fünf Stücke hat Sylvain dem Werk gewidmet, in dem er die einzelnen Tracks unterschiedlichen Bänden gewidmet hat. Die Laufzeiten bewegen sich dabei zwischen 4:04 und 18:00 Minuten, wobei allein drei Stücke mit mehr als elf Minuten zu Buche schlagen.

Wie schon auf seinem Debüt, so wandelt Sylvain auch auf „Naturalis Historia“ auf den Spuren der „Berliner Schule“, ergänzt diese aber durch experimentelle Klänge, die manchmal bzw. im Kontext des Albums wie Theatermusik klingen. Das zeigt sich gleich im 18minütigen Opener „Luminescence“. Hier kommen zunächst surreale Klangformationen auf, die mit Sprache (klingt lateinisch) unterlegt sind. Man hat das Gefühl einer Bühnenaufführung beizuwohnen und kann die Darsteller förmlich vor dem inneren Auge sehen. Diese Stimmungsbilder weisen aber zunächst keinerlei Harmonien oder Melodien auf. Nach drei Minuten kommen satte Synthieklänge auf, die mich an die Klangsektion aus „Unheimliche Begegnung der Dritten Art“ erinnern. Nach weiteren etwas mehr als 40 Sekunden kommen dann Harmonien und ein nach Akkordeon klingender Rhythmus auf. Ab jetzt entwickelt sich das Stück immer weiter in einem recht harmonischen Gesamtbild. Nach ungefähr sechseinhalb Minuten schmeißt Sylvain dann den Sequenzer an und bewegt sich nun im Umfeld von Klaus Schulze & Co. Auf eine eigentümliche Art bleibt das Stück aber im Umfeld von Musik für ein Theaterstück.

Sanft ziehen Klänge wie aus einer japanischen Szenerie zu Beginn von „Conference Of The Birds“ durch den Raum. Nach gut anderthalb Minuten ergänzen weite Flächen, die für Gänsehaut sorgen die Szenerie. Eingeflochten werden dabei einige Vogelstimmen. Einige der nun auftauchenden Sounds und Synthiemuster erinnern mich dabei ansatzweise an Jean-Michel Jarre. Auch dieser fast neunminütige Track entwickelt sich stetig und baut einen Spannungsbogen auf. Dem folgt das mit 4:04 Minuten kürzeste Stück „Faune“, das nach einem ruhigen Beginn rhythmische Formen annimmt und an Tangerine Dream der Spätsiebziger andockt.

Das 17:38minütige „Biosphere“ fängt ohne große Umschweife gleich mit Harmoniebögen und melodischen Strukturen an. Dieser Track geht bei mir sofort ins Ohr. Sylvain schiebt dieses Stück immer weiter voran, indem er weiter Melodien einbaut und die Rhythmusstruktur variiert. Für mich das Highlight des Albums. Den Abschluss bildet dann das 11:14minütige „Sequoia“, das mit dumpfen Synthiesounds beginnt, die während der kompletten Spielzeit den Unterboden des Stückes darstellen. Darauf legt Sylvain dann Flächen und erzeugt so eine Stimmung die den Soundtrack einer Unterwasserwelt darstellt.

Auf dem zweiten Album von Pharamond aka Sylvain Mazars geht der Elsässer sehr abwechslungsreich zu Werke und zeigt, dass er nicht nur auf eine stilistische Richtung innerhalb der Elektronikmusik ausgelegt ist. „Naturalis Historia“ ist ein sehr spannendes Album geworden, das ich empfehlen kann.

Stephan Schelle, November 2018

 
   

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