Nattefrost – Dying Sun / Scarlet Moon
 

Nattefrost – Dying Sun / Scarlet Moon
Groove Unlimited (2010)
(10 Stücke, 48:19 Minuten Spielzeit)

Nach dem Livealbum „Live In Germany 2008 & 2009“ von Bjørn Jeppesen aka Nattefrost, das im Frühjahr 2010 erschien, legt er mit „Dying Sun / Scarlet Moon“ rechtzeitig zu seinem Auftritt beim E-Live-Festival im Oktober 2010 einen Nachfolger hin. Bjørn hatte ja bereist auf früheren Alben mit Robert Schroeder zusammen gearbeitet. Auch dieses Mal ist er Kollaborationen mit anderen Musikern eingegangen. Auf dem neuen Album finden sich auf drei der zehn Stücke drei weitere Künstler, die ihn unterstützen.

 


Longtracks befinden sich auf dem neuen Album des dänischen Elektronikmusikers nicht. Die Laufzeiten der Tracks bewegen sich zwischen 2:31 und 6:10 Minuten Länge. Mit bedrohlich wirkenden Klängen beginnt der Opener „In Nature“. Hier nutzt Bjørn recht technisch wirkende Rhythmussounds, die gar nicht nach Natur klingen. Im krassen Gegensatz werden aber Wellenrauschen und eine eingängige Melodie dazugemischt. Auch wenn die Melodiefolge nicht gleich zum Tanzen einlädt, so hat das Stück doch einen Rhythmus, bei dem die Beine nicht ruhig bleiben wollen. Schon mal ein spannender Beginn des neuen Nattefrost-Werkes.

Loungig wirkt dagegen zunächst der zweite Track „Draconian“, den Bjørn mit einem unwiderstehlichen Rhythmus versehen hat. Daneben finden sich einige Effekte (es zirpt auch schon mal) und tolle Harmonien, so dass ich mir gut vorstellen kann, das Stück in einem Club zu hören. Hier ist tatsächlich Tanzen angesagt, denn je mehr sich das Stück entwickelt umso eingängiger, tanzbarer und dynamischer wird es. Tolles Teil.

Es folgt „Music For The Man“, das einige Elemente enthält, die man von Kraftwerk kennt. Allerdings werden sie von Bjørn in einem anderen Kontext geboten. Hier klingt das mehr nach technoider Elektronik. Mit Vocoder verfremdeter Stimme spricht Bjørn einige Worte. Im Verlauf kommt eine Spur von Darkwave in den Track und doch hört man Nattefrost’s Handschrift heraus. Hat was absolut faszinierendes.

Die „Kinder der Erde“ ist zusammen mit der deutschen Kathrin Manz aka Matzumi entstanden, die es auch mitkomponiert und auch eingespielt hat. Hier präsentiert uns Nattefrost ein sehr Sequenzer orientiertes Stück, das soundmäßig auch in die Ecke von Ron Boots führt. Wer nun aber Kathrin’s Stimme erwartet (sie singt auf ihren Produktionen oft), der wird enttäuscht, denn die setzt sie hier nicht ein.

Mit „The Swan“ interpretiert Bjørn ein klassisches Stück des französischen Komponisten Charles-Camille Saint-Saëns in seiner ganz eigenen Art. Dann folgt ein hypnotisches „Seduced By Grief“, das eine ganz eigene Stimmung verbreitet, die ich gar nicht so recht beschreiben kann. Im folgenden „Ghosts From The North“ hat sich Bjørn wieder Hilfe an die Seite gestellt. Dieses Mal ist es Jerome Polenz, der einen deutschen Text zitiert. Dadurch wirkt der Titel recht düster und könnte trotz der hellen Klangfarben der Synthies als Elektro-Gothik durchgehen. Aber der Rhythmus lädt auch wieder zum Tanzen ein.

Sehr flächig und ruhig geht es dann zunächst in „The Dark Spell“ weiter. Aber im weiteren Verlauf kommen ein düsterer Sound und Rhythmus auf, die den Track in eine andere Richtung lenken. Gut gefallen mir hier wieder die Rhythmussequenzen, die in einem stampfenden Beat enden, der dazu eine eingängige Melodiefolge bietet. Da wollen die Beine gleich wieder auf die Tanzfläche.

Mit dem niederländischen Musiker Michel van Osenbruggen, der als Synth.NL seine Musik veröffentlicht, hat Bjørn das Stück „Close Encounter“ komponiert und eingespielt. Die Handschrift beider Musiker ist hier deutlich herauszuhören. Allerdings benötigt der sechsminütige Track erst einmal eine Minute, bis er losgeht. Ein tolles Stück, das eine faszinierende Ausstrahlung hat. Etwas aus dem Rahmen fällt das abschließende „My Wake Up“, das etwas schräg klingt und mich an die gute alte Zeit der aufkommenden Personalcomputer erinnert.

Auch wenn das neue Album von Nattefrost keine 50 Minuten lang ist, so zeigt Bjørn Jeppesen doch erneut, das er in der Lage ist faszinierende Elektronikmusik zu machen, die mit seinen neuen, teils auch tanzbaren Elementen die Szene bereichert. Ich mag den Stil von Nattefrost und daher auch das neue Album „Dying Sun / Scarlet Moon“.

Stephan Schelle, Dezember 2010

 
   

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