Moonbooter – The Wave
 

Moonbooter – The Wave
MellowJet Records (2015)
(
13 Stücke, 78:03 Minuten Spielzeit)

Bernd Scholl ist nicht nur Labelinhaber von MellowJet Records und Produzent zahlreicher Elektronikmusiker, nein er veröffentlicht regelmäßig auch als Moonbooter seit Jahren rhythmische elektronische Musik. Damit hat er sich bereits einen festen Namen in der Szene gemacht. Am 23.09.2015 erschien sein neuestes Werk unter dem Titel „The Wave“. Der Workaholic Scholl hatte sich Anfang des Jahres eine gut viermonatige musikalische Pause gegönnt und in dieser Zeit reichlich Musik der unterschiedlichsten Stile konsumiert. Wie er selbst sagt, hat ihm das gut getan und neue Kraft gegeben.

 

 


Ein musikalisches Thema hat sich Bernd bei der Erstellung von „The Wave“ nicht gegeben. Das Cover zeigt ihn mit einer Art Datenhelm. Scheinbar wurden seine musikalischen Gedanken direkt in die neuen Stücke transformiert. Musikalisch zeigt er sich von seiner vielseitigsten Seite, denn es finden sich Synthpop, Dubstep, eine Prise House, klassische EM, Soundtrack, etwas Worldmusic und mehr in den einzelnen Stücken wieder. Gewürzt wird das Ganze dann noch mit einigen Gesangspassagen und Sprachsamples. Eines ist aber im Vergleich zu den bisherigen Alben gleich geblieben, auch „The Wave“ bietet wieder melodische und rhythmische Elektronikmusik vom Feinsten.

Das Album beginnt mit dem fast neunminütigen „Beyond The Rules“. Mit diesem Opener zeigt Moonbooter schon mal, wohin die Reise auf dem neuen Album gehen wird. Eine Sequenz wie zu besten „Berliner Schule“-Zeiten ist der Puls, der das Stück lebendig hält. Darauf platziert Moonbooter einige sehr schöne Klänge und Melodiebögen, die sofort an den großen Regisseur und Soundtrackspezialisten John Carpenter denken lassen. Es zeigt sich aber trotz alledem die eigene Handschrift von Bernd Scholl. Das Sprachsample stammt aus einer Filmdokumentation über Synthesizer aus den frühen 70er Jahren und passt herrlich zum Sound des Songs. Das ist ein faszinierender Beginn in das neueste Werk von Moonbooter.

Das Titelstück, das mit einem Sprachsample („Das haben Sie gut gemacht und jetzt spielen sie unser Lieblingslied“) beginnt, stammt aus dem Film „Planet der Stürme“ aus dem Jahre 1962. Dieser Track ist Bernd’s Lieblingsstück auf dem Album. Ein wenig klingt er nach Electropop oder Italo Disco der 80’er Jahre. Dies hat Bernd dann aber um Vintagesounds der 70’er Jahre ergänzt. Ich muss sagen, dass der Track kraftvoll und rhythmisch sowie sehr modern rüberkommt. Ein tolles Stück.

Eine leicht melancholische Stimmung kommt dann bei „Welcome To The Past“ auf. Ähnlichkeiten zu Vangelis „Chariots Of Fire“ kommen anfangs hier vor allem durch den Rhythmus auf, auch wenn die Melodie eine andere ist. Daraus macht Bernd einen unnachahmlichen Moonbooter-Track, der Sehnsüchte weckt.

Im Oktober 2014 hatte Bernd Scholl die große Ehre, Nick Bracegirdle aka Chicane bei seinem Konzert im Planetarium Bochum persönlich zu treffen. Seine Musik begeistert ihn schon seit Jahrzehnten und so ist es kein Wunder, dass er einen Track mit dem Flair von Chicane auf sein neues Album packte. Der pulsierende und tanzbare Track heißt treffender Weise „Meeting Mr. B“.

Mit „Lifetime“ setzt Moonbooter dann einen ruhigen Gegenpol zu den meist recht rhythmischen Stücken. Der Track wirkt auf mich wie eine ruhige Schiller artige Nummer, die auch einige Tangerine Dream ähnliche Sounds aufweist. Das folgende Stück „Tanztee“ hat schon einen für Bernd und auch die Elektronikszene merkwürdigen Namen. Doch der Titel soll Bernd’s Selbstironie zeigen, denn das Stück ist aufgrund seiner Nähe zu deutschem Schlager schon recht kitschig angelehnt. Aber genau das war auch gewollt. Der einzige Ausrutscher auf dem Album.

Mit „Interlude“ hat Bernd einen zunächst ruhigen Track auf’s Album gepackt, der sich im weiteren Verlauf zu einem hymnischen Monolithen aufbaut. Hypnotisch wird es dann im recht Pop-artigen und rhythmischen „Conductor“. Tiefe Basstöne und menschliche Gesangslinien, die sich im Hintergrund bewegen, bestimmen das Bild von „Flashback“. Auch sind hier einige ethnische Sounds hineingewoben. Dem folgt dann bei „Sonic In Space“ eine Nummer mit stampfendem Beat. Das erinnert auch an den Electropop der 80’er Jahre. So kommt beispielsweise eine Rhythmusformation auf, die aus New Order’s „Blue Monday“ entlehnt scheint. Tolle Nummer.

„Time“ ist mit mehr als neun Minuten der längste Track des Albums. Im Abstand von 4 Takten ist ein Klang zu hören, der an eine Welle am Strand erinnert. Eben dieser Sound war die zündende Idee zum Albumtitel „The Wave“. Zudem habe ich im letzten Drittel wieder eine House-Hookline hinzugefügt, die den ganzen Song in eine ganz andere Richtung führt. So passend beschreibt es Bernd auf seiner MellowJet Records Homepage selber.

Es folgen dann noch ein rhythmisches und melodisches „Modern Tales From Ancient Circuits“ sowie das mystische „Final Essence“, das ebenfalls durch einen sehr ansprechenden Rhythmus verfügt und Bernds typischen Stil aufweist.

Moonbooter zeigt auch mit seinem neuesten Album das er es versteht, soundtechnisch auf höchstem Niveau zu produzieren. Dazu hat er mit „The Wave“ ein recht abwechslungsreiches Album geschaffen, das voller Dynamik und melodischen Einfällen nur so strotzt. Wie gewohnt hat er ein herausragendes Album geschaffen, das deutlich seine Handschrift trägt.

Stephan Schelle, Oktober 2015

 
   

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