Moonbooter – Both Sides Of The Moonbooter
 

Moonbooter – Both Sides Of The Moonbooter
MellowJet Records (2019)
(
24 Stücke, 123:04 Minuten Spielzeit)

Seit 2005, also seit fast 15 Jahren veröffentlicht der in der Eiffel beheimatete Bernd Scholl aka Moonbooter elektronische Musik. Im Herbst 2019 hat er sein erstes Doppelalbum auf den Markt gebracht. Es trägt den Titel „Both Sides Of The Moon“ und bietet zwei Stunden beste elektronische Musik. Das Material auf den beiden Silberlingen ist komplett neu und wurde von ihm im Zeitraum November 2018 bis Oktober 2019 komponiert und eingespielt.

 

 


Das neue Album soll unter anderem auch eine Hommage an den 50. Jahrestag der ersten Mondlandung (Apollo 11), die in 2019 gefeiert werden konnte, darstellen. Zum Anderen ist es - wie es der Titel auch schon andeutet - ein Album, das die beiden Seiten von Moonbooter zeigt. Er selbst schreibt auf seiner Homepage zu den beiden musikalischen Seelen, die in ihm schlummern: Klassische Elektronik und moderne Clubmusik. Mal düster, mal melancholisch, mal verspielt, mal ernst. Auch Kitsch ist erlaubt. Aber bitte mit Stil. All das vereint sich auf „Both Sides of the Moon“ zu einem Ganzen und somit ist mein aktuelles Album sehr abwechslungsreich geworden. Zudem ist der Sound offener und noch dynamischer. Manchmal etwas breiter. Insgesamt weniger kompliziert. Nicht so voll. Es bietet mehr Raum für Ruhe, aber auch mehr Kraft in den rhythmischen Stücken.

Zwei Dutzend Stücke finden sich auf dem Album, das als CDR erscheint. Klanglich hat Bernd aber wieder alles aus den Aufnahmen herausgeholt, so wie man es von seinen Produktionen gewohnt ist. Die meisten Stücke auf dem ersten Silberling gehen nahtlos ineinander über, was dazu führt, das sie wie ein Longtrack anmuten.

Bernd hat in seine Stücke einige Originalstimmen der Astronauten Neil Armstrong und Buzz Aldrin eingebaut, was zur Thematik des Albums bestens passt. „Mono Ton I“ heißt der erste Track, in dem den Hörer schon erstmals Stimmsamples der zuvor genannten erwarten. Nach einem flächigen und bedächtigen Anfang legt Bernd dann nach gut 30 Sekunden mit pulsierenden Rhythmen los, so wie man es von ihm gewohnt ist. Immer treibender wird der Sound, auch durch jetzt basslastige Synthies. Dies geht dann nahtlos in den nächsten Track „Mono Ton II“ über, in dem jetzt noch ein pumpender Beat den Track nach vorne treibt. Das ist alles andere als monoton, auch wenn sich das Stück nur spärlich entwickelt und am Ende recht sphärisch ausläuft.

Als nächstes kommt dann der Track „Neil Armstrong“, der dem Astronauten gewidmet ist und mit Sprachsamples beginnt. Schnell entwickeln sich aber hinreißende Rhythmusstrukturen und vermischen sich mit einem tanzbaren Groove. Zwischendurch lässt Bernd dann die Synthies auch mal rauschen und nimmt etwas Fahrt raus. Schwebend geht es dann zunächst in „The Orbit“ weiter. Nach knapp einer Minute schälen sich dann aber rhythmische Elemente heraus und ein Sequenzer sorgt für den Puls des Stückes. Darauf legt Bernd dann seine Melodielinie. Vor allem in den letzten Minuten gewinnt dieses Stück an Brillanz. „Walk On Air“ ist dagegen mehr ein Stimmungsbild, als ein melodisches Stück.

Am Anfang von „Beatmusik“ kommt ein von Wilhelm Wieben gesprochener Text, der als Nachrichtensprecher in der Tagesschau über viele Jahre das Gesicht der Sendung prägte. Er spricht den Text: „In wenigen Sekunden beginnt die erste Show im deutschen Fernsehen, die nur für Euch gemacht ist. Sie aber, meine Damen und Herren, die sie Beatmusik vielleicht nicht mögen, bitten wir um Verständnis.“ Das ist doch herrlich nostalgisch und die Jüngeren unter uns werden sich vielleicht nicht mehr daran erinnern, dass die Medien damals so konservativ waren. Schön, dass Bernd den Text dem nun folgenden herrlichen Clubtrack vorangestellt hat. Das ist wieder mal Moonbooter at his best.

Mit rhythmischem Klopfen (die Schlagzeugsounds der 80’er lassen hier grüßen) geht es dann zunächst mal im Track „How Peaceful It Looks“ weiter. Musikalisch klingt der Track gar ein bisschen proggig und entwickelt sich im weiteren Verlauf zu einem hymnischen Part. Recht verspielt macht Bernd dann in „Eiskalt“ weiter. Leicht technomäßig geht es dagegen in „Transformation“ zu, während das Stück in der zweiten Hälfte von Sound und Melodie schon recht poppig wirkt. Besinnlich und vom Piano getragen ist „ A Moons Dream“ bevor die erste CD dann mit „Superfluous“ wieder sehr clubmäßig endet. Schon auf dieser ersten CD hat Bernd seine unterschiedlichen musikalischen Gesichter gezeigt.

CD 2 startet mit dem 2:40minütigen „Lost In Space“ wieder sehr atmosphärisch und mit herrlichen Harmonien. Stimmsamples, die Bernd als Töne einsetzt, finden sich dann in „Anomalie“, das dadurch neben der Klangfarbe und den Harmonien einen leichten Schillertouch bekommt. In „1987“ zeigt sich Bernd dann wieder von seiner unwiderstehlich rhythmischen Seite. Nach dem knapp zweiminütigen Zwischenspiel „Day After“, das wie eine Brücke wirkt, geht es dann im 7:29minütigen „Down Back To My Soul (Part II)“, das nahtlos anschließt, wieder sehr rhythmisch weiter. Der Sequenzer bildet hier den Grundbogen auf dem Bernd nun seine Harmonien setzt, zu dem sich dann nach nicht ganz zwei Minuten ein pumpender Beat gesellt. Das klingt, als würde er zu seinen 2005’er Wurzeln zurückkehren. So hab ich Moonbooter in Erinnerung, als ich damals auf seine Musik aufmerksam wurde. Ein schöner Track.

Nach dem hinreißenden „From The Dark Into Light“, das vor allem ab Minute zwei zur vollen Entfaltung kommt und mitreißt, findet sich mit „Music On Hold“ ein melancholisches Stück auf der zweiten CD, bei dem wieder die Pianosounds im Vordergrund stehen. Es dauert drei Minuten bis Bernd zu einer verträumten Melodie greift. Der harte Rhythmus im Track „Machine Bugs“ könnte bei dem ein oder anderen Hörer die Vermutung aufkommen lassen, dass die CDR defekt ist. Das ist aber nicht so, denn Bernd hat hier bewusst die schnellen und ungewöhnlichen Rhythmen eingebaut und somit wohl den Track mit den schnellsten Rhythmen erstellt, die er jemals auf CD gebannt hat. In „Carpet 2020“ hat er einen Sound drauf, der stark an die Soundtracks des John Carpenter erinnert (der Titel soll wohl auch darauf hinweisen). Allerdings hat Bernd diesen Sound mit einem für Carpenter ungewöhnlichen pumpenden Beat versehen. Klingt aber richtig gut.

Seit ich Moonbooters Musik mit seinem ersten Album „Teralogica“ für mich entdeckt habe, fasziniert mich die Musik des in der Eiffel beheimateten Elektronikmusikers. Auch das neue Album steht dem in Nichts nach. Wer seine Musik mag, der muss hier einfach wieder zugreifen. Für diejenigen, die seine Musik nicht kennen, bietet das Album aufgrund seiner Vielseitigkeit einen sehr guten Einstieg in den Moonbooter-Musikkosmos.

Stephan Schelle, Januar 2020

 
   

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