Moonbooter – Beyond The Neon Lights Bernd Scholl aka Moonbooter ist ein Kind der 80’er Jahre. Da er in diesem Jahrzehnt groß geworden ist, hat ihn auch die Musik dieser Zeit geprägt. Auf seinem neuen Album „Beyond The Neon Lights“ erinnert er sich an diese Zeit und hat stilistisch einiges aus dieser Epoche in seine neuen Stücke eingebaut. Dabei hat er aber auf jegliche Presets, Samples oder Loops verzichtet, sondern alles von Hand eingespielt und alle Sounds und Beats selbst programmiert. Herausgekommen ist ein sehr abwechslungsreiches und stimmiges Album. |
|
|||
„Zeittunnel“
heißt der erste 5:42minütige Track, der den Hörer in den richtigen Flow
versetzt und gedanklich in die 80’er beamt. Damit schickt Bernd die Hörer
durch einen Zeittunnel (wer kennt noch die Kult-Fernsehserie aus den 60’er
Jahren?) 40 Jahre in die Vergangenheit. Neben ein paar klassischen
Tranceelementen in Form eines treibenden 4tothefloor Beats, hat Bernd am
Ende noch eine Sequenz aus einer bekannten Terminator Endzeitszene eingefügt.
Ich muss zugeben, dass ich die nicht erkannt habe. Wie
ein Popsong wirkt dagegen „Alone In Neon Light“, was durch den pumpenden
Beat, der eingängigen Melodie und dem durch Vocoder verfremdeten Gesang
erzeugt wird. So ein bisschen Melancholie scheint aber auch durch. Zu
„First Time At Kings Castle“ schreibt Bernd: 1987, ich war gerade 16 Jahre alt, hatte ich durch Zufall die
Gelegenheit die Königsburg in Krefeld zu besuchen. Dies war mein erster
Besuch einer richtigen Disco. Zu dieser Zeit war die Königsburg einer der
heißesten Acidhouse-Clubs in der BRD. Ich tanzte die ganze Nacht durch.
Diese Nacht, dieser brutale 303-Sound und die dort herrschende Euphorie der
Crowd habe ich nie vergessen. Diese einmalige Erfahrung hat mich bis heute
musikalisch geprägt. Und das hört man diesem Track auch deutlich an. Der
Titel des Stückes „Big Disgrace“ kommt nicht von ungefähr. Rockfreunde
werden die Worte aus dem bekannten Queen-Song „We Will Rock You“ kennen.
Bernd hat hier den Rhythmus von Queen mit seinen Synthesizerklängen
verbunden und daraus etwas ganz Neues entstehen lassen. Eine witzige Idee,
die hier gut funktioniert. Ob die Elektronikfreunde bei einer Liveversion
genauso klatschend mitgehen wie bei einem Queen-Konzert? Es wäre Bernd zu wünschen. Auch
„Sequential Moments“ wartet mit pumpenden Beats auf. So ein bisschen
klingt der Synthie auch nach 80’er Jahre. Eine Melodiefolge erinnert mich
einen Hauch an „Silent Running“ von Mike & The Mechanics. Aber Bernd
macht hier sein ganz eigenes Ding. Wieder so ein klasse Track mit
Ohrwurmcharakter. Das
Stück „Einschlaf“ ist mit einem Freund aus „alten Tagen“
entstanden, er nennt sich XANAA. Der in deutscher Sprache gesungene Track
klingt sowohl vom Flair wie auch von der Gesangsstimme wie Schiller’s
„Die Nacht ... Du bist nicht allein“, gesungen von Thomas D. Atmosphärisch
und etwas düsterer (wie bei Moonbooter’s Album „Schwarzmond“) wird es
dann im Stück „Planet VHS“. Rabenähnliche Klänge sorgen dabei für
eine herbstlich/winterliche Stimmung, was gerade gut zur aktuellen
Jahreszeit passt. In der zweiten Hälfte des siebeinhalbminütigen Stückes
klart die Stimmung durch hellere Klangfarben und offenere Rhythmusmuster auf
und man ist wieder im typischen Moonbooterklangkosmos verortet.
Vocoderstimme und Computerklänge, die man von Atari- oder Commodore-Spiele
der 80’er kennt, werden dann noch untergehoben. Bekanntermaßen
macht Moonbooter ja keine „Berliner Schule“-Musik. Doch einige seiner
Helden aus dem Elektronikbereich waren u. a. Harald Grosskopf, Robert
Schroeder, Bernd Kistenmacher und Klaus Schulze, die er in den 80’ern in
der Sendung Schwingungen entdeckte. Mit „Magic Of Heroes“ hat er einen
Track eingespielt der diesen huldigt. Ein eher untypischer Moonbooter-Track
bei dem es Sequenzerrhythmen und Flächen gibt, wie in der „Berliner
Schule“. Allerdings hat Bernd diesem Stück dann doch wieder einen seiner
unwiderstehlichen, druckvollen Rhythmen spendiert. „Fernweh“
ist auch wieder eine Trance-/Dance-Nummer mit einem pumpenden Beat. Durch
den Einsatz von Streichersounds bekommt der Track darüber hinaus etwas
Hymnisches. Die Melodie ist aber wieder unverkennbar Moonbooter. „Gods
Melody Part II“ ist eine Variation des Stückes „Gods Melody“ von
Moonbooters 2008’er Album „Faster“. Hier lasse ich Bernd nochmal zu
Wort kommen: Der erste Song, den ich
zu Beginn meines musikalischen Schaffens als moonbooter produziert habe, war
‚Gods Melody‘. Er basierte auf einem Preset aus einem der ersten
VST-Synthesizer überhaupt. Der Song wurde erst ein paar Jahre später auf
meinem Album ‚Faster‘ veröffentlicht. Das Besondere an diesem Song war,
das er der erste war, der zu 100% amtlich klang und so war, wie ich ihn
haben wollte. Sofort erinnerte ich mich an die 80er zurück, als ich mit
Atari, Amiga, PSS-680 und SK-5 bewaffnet, meine ersten Demosongs auf
Kassette aufgenommen hatte. Als ich mich in den letzten Monaten daran zurück
erinnerte, wollte ich eine neue Interpretation eben dieses Song mit auf
diesem Album haben. Während das Original mit einem Rhythmus wie bei
Donna Summer’s „I Feel Love“ daherkommt, hat Bernd die neue Version
etwas vom Speed entschlackt und so kommt die Melodie in der neuen Version
wesentlich besser zur Geltung. Ans
Ende des Albums hat Moonbooter das 7:20minütige Stück „Don’t Cry My
Young Boy“ gestellt. Hier hat er erneut etwas melancholische Klänge
eingespielt. Die Melodie und der Sound, versetzt mit eingestreuten
Percussionelementen auf einem tuckernden Beat, sind traumhaft. Es erinnert
mich so ein bisschen an die Neuzeit von Tangerine Dream. Ein sehr schönes
Ende des neuen Albums. Mit
„Beyond The Neon Nights“ ist Moonbooter (Bernd Scholl) mal wieder ein
klasse Album gelungen, bei dem er sich an stilistischen Merkmalen der
80’er Jahre bedient hat und dies in seinem eigenen, modernen Stil
transformiert hat. Ein ums andere Mal sagt man sich, „ja, das kenne ich“
um dann festzustellen, das es doch ganz anders klingt. Vertraut und doch
neu. Stephan Schelle, November 2020 |
||||